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Neuer KStA-SchwerpunktWas die Kölner Veedel Lindenthal und Sülz so spannend macht

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Rautenstrauch1

Der Rautenstrauchkanal in Lindenthal

Köln-Lindenthal – Eines ist klar: Sülz und Lindenthal sind „keine Veedel für Rassismus“. Darüber geben Banner Auskunft, die an Hauswänden hängen. Blaugelbe Fahnen verkünden Solidarität mit der Ukraine. Sülz und Lindenthal sind Viertel mit Haltung. Bio-Supermärkte decken den Bedarf der Bewohner an biologisch produzierten Lebensmitteln.

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Der Sülzer Unverpacktladen Tante Olga hilft ihnen dabei, Verpackungsmüll zu reduzieren. Statt mit dem Auto sind viele Veedelsbewohner mit Lastenrädern unterwegs. Sie pflegen Baumscheiben und pflanzen Wildblumen. Man ist sich der Probleme bewusst, die der Klimawandel mit sich bringt und das Artensterben, auch der Auswirkungen des brutalen Angriffskriegs, von dem sie überschattet werden. Hier leben kluge und sympathische Menschen. Die Veedel sind nach den Ergebnissen der vergangenen Kommunalwahl Hochburgen der Grünen – was nicht heißen soll, dass die Wähler anderer Parteien weniger nett und schlau sind. Es bedeutet nur: Sie sind so grün, dass vor allem Sülz auch zwangsläufig nicht mehr ganz so bunt ist, wie es einmal war.

Sülz Zülpicher

Während in Lindenthal schon immer das Bürgertum zuhause war, verspotteten die Sülzer die benachbarten Stadtteile gerne als „Lackschuhviertel“ – nicht ohne Stolz. Nun ist das ehemalige Arbeiter- und Handwerkerveedel längst selbst zu einer Wohlfühloase für das Bürgertum mutiert. Früher waren hier Maschinenfabriken und Spinnereien zuhause, wurden Fahrräder und Autos gebaut, Zigarren gedreht, Goldleisten, Buchdruckerschwärze, Möbel, Lacke, Lakritz, Mieder und Strohhüte hergestellt.

Köln-Sülz war einst Keimzelle des Widerstands

Während der Nazidiktatur war es eine der Kölner Keimzellen des kommunistischen Widerstands – und Kinderstube berühmter Kampfsportler: Der Boxer Peter Müller, wegen seiner geduckten Kampfhaltung und geringen Körpergröße „Müllers Ap“ genannt, war ein Sülzer Jung. Später mischten sich Studenten unter die Bevölkerung, blieben nach dem Uniabschluss da. Die Mischung verlieh Sülz jahrzehntelang ein entspanntes Flair. Sie ist einer immer homogener werdenden Bevölkerungsstruktur gewichen.

Decksteiner Weiher

Lindenthals Prunkstück: Der Decksteiner Weiher

Ehemalige Werkstätten haben sich in Loftwohnungen verwandelt. Altbauten wurden verkauft und luxussaniert. Sülz und Lindenthal sind Viertel, die sich nicht mehr jeder leisten kann, wo aber viele Menschen gerne leben. Denn sie haben einiges zu bieten: Urbanität und Parkrandlage zugleich. Die schmalen Straßen und der Mischmasch aus Werkstätten und Altbauten bilden in Sülz eine Kulisse mit Patina, hinter der sich Wohlstand breit gemacht hat. In Lindenthal bieten zahlreiche Einfamilienhäuser in bester Lage am Clarenbach- und Rautenstrauchkanal oder in dem beschaulichen Wohnquartier Deckstein komfortables Wohnen.

Nähe zum Grüngürtel und zur Kölner Innenstadt

Die Nähe zum Äußeren Grüngürtel und zur Innenstadt erhöht den Freizeitwert. In jüngerer Zeit haben, etwa an der Zülpicher Straße, zahlreiche Geschäftsleute kleine Läden eröffnet, in denen handgefertigte Keramik oder nachhaltig produzierte Kleidung und Wohnaccessoires von kleinen Labeln verkauft werden. Die Dürener Straße hält ein hochwertiges Angebot bereit. Belgische Pralinen, edle Boutiquen und Designgeschäfte werden von Wein-, Feinkostläden und Konditoreien ergänzt. Längst hat sich die Einkaufsmeile zum Konsumentenmagneten mit großer Reichweite gewandelt.

SülzCafe

Lauschiges Plätzchen vor dem Café Samowar an der  Palanterstraße  

Immer mehr Lokale locken mit Tischen vor ihren Türen Gäste an und sorgen zusätzlich für ein lebendiges Treiben – auch wenn manche Anwohner sich mittlerweile gegen die Lärmbelästigung durch die Gastronomie zur Wehr setzen. Alteingesessene wettern in den sozialen Medien gegen die „Zugezogenen“, die nun Auto- durch Fahrradspuren ersetzen möchten. Unter der auch in Sülz gestiegenen Zahl der Obdachlosen gibt es einen Mann, der eine Bahnhaltestelle im Viertel zu seinem Wohnzimmer erklärt hat. „Ich bin hier geboren und aufgewachsen“, erzählte er unlängst. „Ich habe auch einmal Eigentum im Viertel besessen.“ Für die Abgestürzten sei im ehemaligen Arbeiterviertel kein Platz mehr. Der Spalt, der sich zwischen einkommensstarken und -schwachen Menschen in den städtischen Gesellschaften auftut, ist auch in Sülz und Lindenthal spürbar. Sie sind keine Viertel für Rassismus, stehen aber auch nicht mehr wirklich für Diversität.