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Start-up für HilfeVier Kölner bieten Unterstützung im Pflege-Dschungel

Lesezeit 3 Minuten
Ein junger Mann sitzt auf einem Handbike. Er steht damit auf dem Bürgersteig, im Hintergrund ist ein Fenster.

Jona Reckers sitzt auf seinem Handbike vor dem Help-Yuu-Büro auf der Luxemburger Straße.

Jona Reckers, der nach einem Unfall querschnittsgelähmt ist, hat eine Firma gegründet, die anderen Betroffenen durch den Behörden-Dschungel hilft.

Ohne ihr persönliches Schicksal wären Jona Reckers und Raymond Baafi heute nicht dort, wo sie sind. Ohne die beiden tragischen Unfälle, die beide Männer auf sehr unterschiedliche Weise im Jahr 2019 aus dem Leben rissen, hätten sie nicht ihre berufliche Erfüllung gefunden. Und ohne den Rollstuhl, auf den beide Kölner aufgrund ihrer Querschnittslähmung angewiesen sind, hätten sie kaum all das Wissen anhäufen können, das sie inzwischen auch beruflich weitergeben. Reckers und Baafi tun dies mit ihrem Start-up, das sie „Help Yuu“ genannt haben.

Als sich der heute 23-jährige Jona und der 43-jährige Ray vor zwei Jahren im Therapiezentrum Braunsfeld begegneten, hatten beide eines bereits gelernt: Mit dem mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt im Anschluss an ihren Unfall war die Leidenszeit noch nicht vorbei, sondern nur ein erster Abschnitt eines mit Hindernissen, Hürden und Stolperfallen gespickten Weges genommen. Ein Weg, den viele Menschen gar nicht erst freigeräumt kriegen, weil sie an der Bürokratie scheitern.

Zwölf Milliarden Euro für Hilfsmittel wurden nicht abgerufen

Die Anträge für Hilfsmittel, sagt Reckers, seien so kompliziert oder schwer verständlich, dass viele Menschen sie erst gar nicht ausfüllen und damit auf Leistungen verzichten, die ihnen zustehen. Den meisten gehe es ähnlich wie ihm selber nach seinem schweren Stromunfall: „Man weiß gar nicht, worauf man ein Anrecht hat. Oder was alles von der Kasse bezahlt oder bezuschusst wird.“

Als Reckers vor zwei Jahren anfing, gründlicher zu recherchieren, wie viel Hilfe Menschen mit Behinderung zusteht, stolperte er im Netz über einen aus seiner Sicht gigantisch hohen Betrag: „Zwölf Milliarden Euro“, so hoch sei in dem Jahr die Summe für Hilfsmittel gewesen, die nicht abgerufen wurde. Für den 23-Jährigen lag die Erklärung auf der Hand: Solange jemand nicht weiß, was ihm zusteht, fragt er nicht danach.“

„Man muss das so sehen“, fährt Reckers fort, „alles, was die Kassen nicht genehmigen, ist Gewinn für die. Und alles, was die ablehnen können – auch wenn es nur ein Formfehler ist – lehnen die ab.“ Die dicken Ordner mit Korrespondenz, die sowohl Reckers als auch Baafi vorweisen können, haben die beiden Rollstuhlfahrer jedoch nicht entmutigt, ganz im Gegenteil. Aus der eigenen Erfahrung entstand die Idee für ein Start-up mit dem Ziel, Menschen mit Behinderung und Pflegegrad zu den Leistungen zu verhelfen, die ihnen zustehen.

Help Yuu übernimmt Korrespondenz mit Krankenkassen und anderen

Vor einem Jahr gründeten sie gemeinsam mit zwei weiteren Kölnern, Robert Spindler und Simon Blümel, eine GmbH in der Kölner Südstadt und erhielten dafür sogar ein Gründerstipendium. Im Sommer 2024 bezogen sie ihre Büroräume auf der Luxemburger Straße. Inzwischen steht Help Yuu nicht nur Menschen in Köln, sondern in ganz NRW zur Verfügung.

„Wir machen das, was keiner machen will, weil es so schrecklich ist“, bringt es Reckers auf den Punkt. Sprich: HelpYuu ermittelt nach einem kostenlosen Erstberatungsgespräch in Form eines Videocalls für Betroffene trägerübergreifend das gesamte individuelle Förderpotenzial. Darunter fallen alle Leistungen der Pflegeversicherung, der sozialen Träger und auch die Beratung zu Hilfsmitteln. Anschließend leitet Help Yuu die Menschen durch den gesamten Antragsprozess.

Im Grunde versteht sich das Start-up als Dolmetscher im Formular-Dschungel. „Wir können die Fallstricke identifizieren, die überall eingebaut sind“, sagt Robert Spindler und verweist damit auf die an vielen Stellen drohende Gefahr, „das Kreuzchen an der falschen Stelle zu machen“ und sich damit praktisch selber von einer Leistung auszuschließen.

Besonders beglückend sei, sagt Baafi, wenn sie Eltern mit ihren pflegebedürftigen Kindern unterstützen könnten. Für die Kunden – das sei theoretisch „jeder mit einem Pflegegrad zwischen zwei und fünf“ ergebe sich neben der bürokratischen Entlastung der Vorteil, dass sie die von Helpyuu erbrachte Dienstleistung mit der Pflegekasse abrechnen könnten, weil „helpyuu“ ein vom Land NRW anerkannter Dienstleister sei.

www.helpyuu.de