AboAbonnieren

Männer in der Midlife-CrisisSülzer Autorin schafft in „Life on Stage“ ein Porträt ihrer eigenen Generation

Lesezeit 3 Minuten
Johanna Tüntsch in ihrem Heimatviertel Sülz

Autorin Johanna Tüntsch in ihrem Heimatviertel Sülz

Johanna Tüntsch greift in „Life on Stage“ die Midlife-Crisis von Männern in einer gentrifizierten Großstadt auf und beleuchtet humorvoll ihre Identitätskrisen.

Wenn Felix eine Frau gefällt, stellt er sich eine Frage: Ob gemeinsame Kinder mit ihr wohl so aussehen werden wie seine Mutter? Sein Freund Hendrik schlägt vor, das einmal mit seinem Therapeuten zu erörtern. Offensichtlich leidet er unter einem Mutterkomplex. Und damit ist er nicht der einzige Mann mit Problemen, um die sich das neue Buch der Sülzer Journalistin Johanna Tüntsch „Life on Stage“ dreht.

Die Männer stecken in einer Midlife-Crisis. Nach dem vielversprechenden Start in ein glamouröses Leben als Schauspieler in einem hippen Großstadtviertel ist es nach einigen Jahren unübersehbar, dass ihr Leben nicht so verläuft wie geplant. Die Bühne, auf der sie allabendlich stehen, ist klein, das Einkommen übersichtlich, Beziehungen sind gescheitert oder kommen erst gar nicht zustande, weil vorher der mutterkomplexgesteuerte Fluchtmodus einsetzt – obwohl man bereits von den Locken seiner künftigen Kinder träumt.

Humorvoller Blick auf das Leben der Post-Baby- und Post-Wirtschafts-Boom-Generation

Ihr Leben ist voller Widersprüche: Hauptfigur Hendrik möchte sich nicht so bürgerlich einrichten, wie sein Vater es wünscht – flippt jedoch darüber aus, dass Bettlaken Falten werfen. Irgendwie ist alles und vor allem man selbst nicht so cool wie einst geplant – und dann erkrankt der eigene Vater an Demenz. Hendrik muss sich nicht nur mit seinem pubertierenden Sohn herumschlagen, sondern auch mit der schweren Herausforderung, die diese Krankheit für Angehörige darstellt.

Tüntsch wirft mit ihrem Roman einen humorvollen Blick auf das Leben der Post-Baby- und Post-Wirtschafts-Boom-Generation, in einer Welt, in der eine Karriere lange nicht mehr so sicher ist, wie sie für die Vorgängergeneration war. Der Konsum, wie Hendriks notorischen Bettlakenbestellungen, liefert eine Scheinsicherheit.

Autorin Johanna Tüntsch: Porträt ihrer Generation

Die innere Unsicherheit der Figuren im Hinblick auf ihre Lebenskonzepte ist in Tüntschs Roman allgegenwärtig: Nach der bewussten Entscheidung gegen ein „bürgerliches“ Leben werden sie von ihrer eigenen Bürgerlichkeit eingeholt – und dem ganz normalen Leben sowie seinen Realitäten.

Tüntsch hat ähnliche Situationen wie die geschilderten in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis erlebt und daraus ein Porträt ihrer Generation erstellt. „Es geschieht etwas und plötzlich funktioniert alles nicht mehr so wie vorher“, schildert sie. „Zu dem veränderten Umfeld müssen die Menschen sich verhalten.“ Die Folge sei oft eine Sinn- bis hin zur Lebenskrise. Beziehungen, Freundschaften und das Verhältnis zum eigenen Kind würden auf dem Prüfstand gestellt. „Die Menschen stellen sich dann die Frage: ‚Bin ich komisch oder sind es die anderen?‘“, so Tüntsch.

Hendriks Krisenstimmung steht im Kontrast zur ihn umgebenden Pseudo-Hippness der durchgentrifizierten Südstadt, in der „Life on Stage“ spielt. Laut der Autorin könnten es aber viele andere innenstadtnahe Stadtviertel sein.

Sie selbst ist in Sülz aufgewachsen und hat den Wandel des ehemaligen Arbeiterviertels miterlebt, wo mittlerweile SUV die Straßen füllen und Latte-Macchiato-Mütter allgegenwärtig sind, so auch in ihrem Roman. Warum sie ihn aus Männersicht geschrieben hat? „Die klassische Midlife-Crisis ist immer noch eher ein Männerthema“, sagt Tüntsch.

Die Journalistin hat ein Porträt verfasst, das nicht wertet und keine Lösung anbietet. Es ist eine Bestandsaufnahme. Den Blick aus weiblicher Perspektive erhält der Leser in ihrem weiteren Buch namens „Daffke“, das Tüntsch ebenfalls gerade selbst verlegt hat. Beide eint ein Thema: Freundschaft. „Freundschaften sind so wichtig und wertvoll“, sagt Tüntsch. Das seien sie gerade in einer Zeit, in der vieles nicht so sicher ist, wie es schien.

„Life on Stage“, 156 Seiten, ISBN-13: 9783759758323, Books on Demand, 8,90 Euro; „Daffke“ 306 Seiten, ISBN 978-3-7597-5814-9, 12 Euro


Johanna Tüntsch ist 44 Jahre alt und hat nach dem Abitur ein Jahr lang eine Journalistenschule besucht und dann Politikwissenschaften, Soziologie und neue deutsche Literaturwissenschaften studiert. Sie hat über 20 Jahre lang als Journalistin für die Kölnische Rundschau und den Kölner Stadt-Anzeiger gearbeitet. Mittlerweile leitet sie die Redaktion des Magazins der IHK „IHKplus“. (se)