„Lüften ist kontraproduktiv“Kölner Familie lebt in einem Passivhaus – ohne Heizung
- Kein Heizkörper, Ofen oder Kamin: Familie Sigrist wohnt in einem Passivhaus.
- Elektrogeräte wie Kühlschrank, Herd und Lampen sowie die eigene Körperwärme dienen als einzige Wärmequelle.
- Wie genau ein Passivhaus funktioniert und warum Lüften in solch einem Haus eher kontraproduktiv ist, haben Sie uns erzählt.
Weiß – Ein Haus ohne Öltank und Heizkörper, ohne Gastherme, ohne Ofen und Kamin – aber trotzdem nicht frieren, niemals schlechte Luft in den Wohnräumen und keine Angst vor Schimmelecken. Das alles sind keine Visionen, sondern das ist gelebter Alltag bei Familie Sigrist in Weiß. Denn sie wohnen in einem Passivhaus.
„Als wir vor 15 Jahren nach einem Haus gesucht haben, sind wir durch Zufall auf ein Passivhaus in Weiß gestoßen. Das machte uns neugierig. Ein Haus, das gänzlich ohne konventionelle Heizung auskommt und sich überwiegend durch Sonneneinstrahlung, Körperwärme und Abwärme von Haushaltsgeräten speist. Wir waren von der Idee sofort begeistert“, erzählt Anna Sigrist.
Leider war das inserierte Haus für die fünfköpfige Familie plus Au-pair von der Grundfläche her zu klein. Deshalb haben die Sigrists nach einem passenden Grundstück gesucht, um selbst zu bauen, das Konzept für die eigene Familie passend umzusetzen. Das gestaltete sich nicht ganz einfach, denn das Grundstück sollte in jedem Fall nach Süden ausgerichtet sein, damit große Fensterflächen zur Wärmeaufnahme durch die Sonne genutzt werden konnten. Und auch für den Bau selbst gab es hohe Anforderungen: Dreifachverglasung, eine besondere Wärmedämmung und die Vermeidung von Wärmebrücken.
Lüften im Passivhaus ist kontraproduktiv
„Gemeinsam mit dem Architekten haben wir uns damals ein physikalisches Grundwissen erarbeitet. Denn als Bewohner eines Passivhauses sollte man seine Funktionsweise möglichst gut verstanden haben. Nur dann kann man es optimal nutzen. Lüften oder Fenster auf Kipp zu stellen, ist zum Beispiel vor allem im Winter kontraproduktiv, dabei geht viel zu viel Wärme verloren.
Und man muss auch verstanden haben, dass es selbst mit geschlossenen Fenstern genug frische Luft im Haus gibt. Denn ein Passivhaus ist so konstruiert, dass die Innenraumluft alle zwei Stunden von einer integrierten Lüftungsanlage komplett ausgetauscht wird“, erklärt der Hausherr. Schnell wurde dem Ehepaar klar, dass ein Passivhaus ein Synonym für clevere und ausgeklügelte Technik ist.
Das Herzstück ist eine Lüftungsanlage mit einem Wärmetauscher, die für die notwendige Luftzirkulation im Haus sorgt. Dabei wird der verbrauchten Luft bis zu 95 Prozent Wärme entzogen und damit die frische kalte Luft von außen vorgewärmt. Durch dieses System wird die gesamte Luft im Haus permanent ausgetauscht und die Raumtemperatur bleibt trotzdem konstant, und das auch ohne Heizung.
Wärmegewinnung durch Kühlschrank und Co.
Eine große Rolle für die Wärmegewinnung spielen neben der Sonneneinstrahlung auch die elektrischen Haushaltsgeräte. So wird die durch Kühlschrank, Herd, Waschmaschine und Lampen oder Computer und Fernseher erzeugte Wärme automatisch im Haus gespeichert. Auch die Bewohner selbst sind eine nicht zu unterschätzende Energiequelle – jeder Mensch strahlt circa 60 bis 100 Watt Wärmeenergie ab, bei einem Fünf-Personenhaushalt kommt da Einiges zusammen.
„Wenn wir zwei Wochen verreisen, dann kühlt das Haus ab. Das ist aber kein Problem, denn wir können dann auf das eingebaute System zur Wärmeergänzung zurückgreifen. Dazu gibt es in jedem Zimmer einen Thermostat, mit dem wir die Temperatur mit einem elektrischen Heizregister individuell regulieren können. Alternativ feiern wir eine Party, und dann ist es Ruckzuck wieder sehr warm“, versichert Anna Sigrist augenzwinkernd.
Obwohl das gesamte Haus aus Holz gebaut ist und die Dämmung aus geschreddertem Zeitungspapier besteht, wirkt es von der Optik her trotzdem sehr modern. „Wir wollten auf keinen Fall eine Holzfassade, die unter Witterungseinflüssen leidet. Wir wollten auch keine begrünten Dächer. Unser neues Zuhause sollte nicht unbedingt als Ökohaus erkennbar sein. Deshalb haben wir uns für diese moderne, architektonisch klare Fassade entschieden“, sagt die Bauherrin.
Monatelange Planung
Sie ist immer noch fasziniert, dass das Haus beim Bau letztlich innerhalb eines Tages aufgestellt wurde. Dazu waren alle wesentlichen Teile – wie bei einem Fertighaus – millimetergenau vorproduziert worden. An der Raumaufteilung hatte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann monatelang getüftelt. Der Aufwand habe sich gelohnt, betont Anna Sigrist, die sich im Haus mit ihrer Familie sehr wohl fühlt und immer noch überzeugt ist, bei der grundsätzlichen Entscheidung für ein Passivhaus alles richtig gemacht zu haben.
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Mit seinen offenen, großzügigen, durch die bodentiefen Panoramafenster lichtdurchfluteten Räumen verfügt das Haus über eine Wohnfläche von 200 Quadratmetern. Und bei einem Fünf-Personen-Haushalt liegen die gesamten Energiekosten bei 250 Euro im Monat. Das scheint zunächst viel, aber in dieser Summe ist alles enthalten, was an Energie verbraucht wird, inklusive der Lüftungsanlage und Warmwasser. Und Familie Sigrist freut sich, weitestgehend unabhängig von verschiedenen Energieversorgern und den damit verbundenen Kostenschwankungen zu sein.
Ein nachhaltiges Bauprojekt
Aber es waren nicht nur die Energiekosten, die die Familie überzeugt haben, ein Passivhaus zu bauen: „ Schon vor 15 Jahren, lange vor der Klimadebatte, hatten wir den richtigen Riecher,“ betonen sie nicht ohne Stolz über ihr nachhaltiges Bauprojekt. „Ein Passivhaus hat einfach das beste Raumklima.“
Und die Vorurteile, dass man in einem Passivhaus nie die Fenster öffnen darf, entkräftet sie lächelnd: „Ich darf die Fenster jederzeit öffnen, ich muss aber nicht, denn in unser Haus kommt permanent frische Luft in alle Räume, und zwar 24 Stunden lang an 365 Tagen im Jahr.“