Kampf gegen LungenkrebsKölner Kabarettist gibt Abschiedsvorstellung im Senftöpfchen

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Thomas Reis steht auf seinem Balkon, hinter ihm ist der Rhein zu sehen.

Thomas Reis, hier 2019 auf seinem Balkon fotografiert, verabschiedet sich von der Bühne.

Im August vergangenen Jahres hat Thomas Reis die Diagnose bekommen: Lungenkrebs. Nun will er ein letztes Mal auf die Bühne.

Sein Publikum kennt ihn als Schnellsprecher, der wortgewandt von einem Thema zum anderen hüpft – er lässt kaum Zeit, das Gesagte zu verarbeiten. Sein Kabarettstil ist geprägt von dieser Geschwindigkeit und von den zufällig wirken wollenden Wortwitzen, die er scheinbar ganz nebenbei in seine humoristische Kritik an Gesellschaft und Politik einbaut.

Wenn Thomas Reis heute spricht, dann blitzt immer noch dieser Humor auf. Aber er ist durchsetzt von einer Melancholie und Müdigkeit. Der 60-Jährige sitzt beim Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erschöpft in einem Sessel in seiner Wohnung mit Rheinblick an der Agrippinawerft. Diesen Platz verlässt der gebürtige Freiburger immer seltener. „Wenn ich mal 200 oder 300 Meter laufen kann, ist das schon eine Menge.“ Auch seine Abschiedsvorstellung im Senftöpfchen am 5. Juni wird Thomas Reis wohl sitzend auf der Bühne verbringen, mit Kollegen, für die er auch als Autor tätig war und ist, und die für ihn einspringen, wenn mal die Luft wegbleibt.

Das kann man leider nicht mehr korrigieren. Ich täte es gerne. Ich bin da nicht stolz drauf. Aber es war halt mein Leben
Thomas Reis

Die Diagnose kam im vergangenen August. Da war Reis' neues Programm „Du sollst nicht verblöden“ kurz vor seiner Premiere, eigentlich wäre er damit das vergangene halbe Jahr durch Deutschland getourt. Doch der Lungenkrebs hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Stattdessen wird Reis am Mittwochabend umgeben von Weggefährten und Freunden seinen Abschied von der Bühne geben – das sei auch ein Wunsch seines Sohnes gewesen. „Es ist nochmal eine Möglichkeit, mich auf einen Punkt hin zu motivieren, der ein bisschen sinnstiftend ist.“

Zehn Jahre vor der Diagnose hat Reis mit dem Rauchen aufgehört. Zu spät, sagt er heute. „Immer Gas geben, immer Rock'n'Roll. Es gibt einige, die haben das besser vertragen als ich. Das war auch ein bisschen eine infantile Selbstinszenierung, Todesverachtung, wie auch immer man das nennen will. Das kann man leider nicht mehr korrigieren. Ich täte es gerne. Ich bin da nicht stolz drauf. Aber es war halt mein Leben. Und dieses Leben auf der Straße zu verbringen, das Leben auf Tour, das ist halt auch sehr stressig. Sich jedes Mal neu zu erfinden, wenn man auf die Bühne geht.“

Gemeinsam mit Peter Vollmer gründete Thomas Reis 1985 das „Duo Vital“, Anfang der 90er ging er mit seinem ersten Solo-Programm „Als die Männer noch Schwänze hatten“ auf die Bühne. Viele weitere Programme folgten, viele Bühnen-Auftritte, oft in seiner Wahlheimat Köln, viele Fernsehauftritte und auch viele Auszeichnungen. Nicht jeder mochte oder verstand seinen Humor. „Und das ist auch okay, man muss auch Feinde haben. Sonst wird es zu beliebig und Beliebigkeit fand ich immer langweilig.“

Thomas Reis sieht Bedrohung in zunehmender Bequemlichkeit

Reis gerät schnell ins Philosophieren, findet aber auch klare Worte: Vom „Diversitätskram“ und „Gendergedöns“ halte er etwa nicht viel, weil er die Diskussionen als kontraproduktiv und „eher diskriminierend als schützend“ empfinde. Vor dem Ergebnis von Wahlen, wie etwa der Europawahl am 9. Juni, habe er immer Sorge. „Denn die Welt wird immer komplizierter. Es gibt dadurch einen immer größeren Schrei nach Simplifizierung. In dieser strukturell immer komplexeren Welt, da finde ich die Pointe immer noch die schönste Vereinfachung, aber alle suchen nach einer Vereinfachung des Ganzen für sich selbst. Das führt natürlich zum Populismus, denn Populismus ist immer die einfachste Antwort auf alles.“

Aber zu sehen, wie während des Erstarkens rechter Parteien in Deutschland Menschen dagegen auf die Straße gehen, mache ihm auch Hoffnung: „Das bestärkte mich immer wieder in dem Glauben, zu sagen: Der Mensch ist an sich gut. Bis auf ein paar Hundert Millionen Arschlöcher ist der Mensch gut.“ Die wahre Bedrohung liege in der Dummheit, deshalb sei der Titel seines neuen Programms „Du sollst nicht verblöden“ auch ein Appell: „Georg Wilhelm Friedrich Hegel hat mal gesagt: Geschichte ist Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit. Aber ich glaube: Geschichte ist Fortschritt im Bewusstsein der Bequemlichkeit.“

Am 5. Juni wird Thomas Reis wohl das letzte Mal auf der Bühne mal mehr und mal weniger scharfzüngig seine Sicht auf die Welt geben. Tickets für seine Abschiedsvorstellung, bei der er Texte aus „Du sollst nicht verblöden“ vorträgt, gibt es über die Webseite des Senftöpfchen-Theaters.

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