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Historische RekonstruktionSo endete vor 90 Jahren die Demokratie in Köln – Adenauer musste flüchten

Lesezeit 4 Minuten
Nationalsozialistische Machtübernahme Köln 1933

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Szene der nationalsozialistischen Machtübernahme in Köln 1933.

Am 13. März 1933 wird am Kölner Rathaus die Hakenkreuzflagge gehisst - die Nazis setzen an diesem Tag Oberbürgermeister Konrad Adenauer ab. Eine historische Rekonstruktion.

Am 13. März 1933 endet auch in Köln die Demokratie. Kolonnen von SA und NSDAP marschieren am Rathaus auf, die Hakenkreuzfahne wird gehisst, die SA-Kapelle spielt. NSDAP-Gauleiter Josef Grohé erklärt auf dem Balkon der Rathauslaube Oberbürgermeister Konrad Adenauer für abgesetzt. Der ist schon in der Frühe wegen düsterer Vorahnungen in Richtung Berlin geflüchtet, wo er als Präsident des preußischen Staatsrats eine Dienstwohnung hat. „Adenauer wurde vorgewarnt und hatte die Befürchtung, dass er in erniedrigender Art und Weise vorgeführt werden sollte“, sagt Horst Matzerath, ehemaliger Direktor des NS-Dokumentationszentrums.

Zu Adenauers kommissarischem Nachfolger ruft Grohé Günther Riesen aus, bislang Prokurist einer Bank. Am Tag zuvor fanden in Köln die vorerst letzten Kommunalwahlen statt. Mit 39,6 Prozent bekam die NSDAP zwar die meisten Stimmen. Die Mehrheit im Rat verfehlten die Nazis jedoch deutlich. „Die kam erst dadurch zustande, dass entsprechend den Reichstagswahlen die Stimmen der KPD annulliert wurden“, so Horst Matzerath.

Für Konrad Adenauer ist der 13. März ein persönlicher Tiefpunkt

Dennoch feiern die Nazis die Wahl als großen Sieg und nehmen unter großer Anteilnahme der Kölner Bevölkerung das Rathaus in Beschlag. Für Zentrumspolitiker Konrad Adenauer, seit 1917 Kölns Stadtoberhaupt, ist der 13. März der vorläufige Tiefpunkt einer wochenlangen Erosion der Demokratie und der Hetze gegen ihn. Am 30. Januar 1933 war Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt worden, spätestens nach den Reichstagswahlen vom 5. März beanspruchten die Nazis die absolute Macht im Reich.

Auf Grundlage der „Reichstagsbrandverordnung“ können sie politische Gegner wie Kommunisten und Sozialdemokraten terrorisieren, was sich einschüchternd auf deren Wahlkampf auswirkt. Am 9. März wird nicht nur der Kölner SPD-Reichstagsabgeordnete Wilhelm Sollmann in seiner Wohnung von NS-Aktivisten überfallen, anschließend im „Braunen Haus“ an der Mozartstraße misshandelt und danach in „Schutzhaft“ genommen. Auch Hugo Efferoth, wie Sollmann Redakteur der „Rheinischen Zeitung“, wird überfallen und ins „Braune Haus“ gebracht.

Terror der SA nimmt zu, NS-Verbände dominieren das Stadtbild

Die beiden sozialdemokratischen Beigeordneten Johannes Meerfeld und Ernst Fresdorf kommen ebenfalls in Schutzhaft, außerdem der frühere sozialdemokratische Kölner Polizeipräsident Otto Bauknecht. Der Terror der SA nimmt zu, NS-Verbände dominieren zunehmend das Straßenbild. Besonders in der Woche vor der Kommunalwahl am 12. März sieht sich Konrad Adenauer propagandistischer Hetze ausgesetzt. Ihm werden Misswirtschaft und Korruption vorgeworfen. Bereits am 8. März kann er nicht mehr verhindern, dass die Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus gehisst wird.

Zur entscheidenden politischen Kraft ist Gauleiter Josef Grohé geworden, der auch über dem Regierungspräsidenten steht. Adenauers Macht sei schrittweise zusammengebrochen, so Horst Matzerath. Trotzdem habe er bis zu seiner „Beurlaubung“ nicht resigniert und seine Position vertreten. Als Adolf Hitler am 17. Februar 1933 zu einer Wahlkampfveranstaltung nach Köln kommt, weigert sich der Oberbürgermeister, ihn am Flughafen zu begrüßen. Hakenkreuzfahnen auf der Deutzer Brücke lässt er entfernen. Das Argument: Hitler sei als Parteiführer in Köln, nicht als Reichskanzler.

Kein besonderer Widerstandsgeist in Köln gegen die NSDAP

Die nationalsozialistische Machtübernahme habe die unterschiedlichsten Reaktionen bei den Kölnern hervorgerufen, so Matzerath: „Es gibt auch Leute, die sehr deutlich dagegen sind, von denen sich aber die meisten nicht aus der Deckung wagen.“ Doch unterm Strich könne selbst angesichts des relativ schlechten Wahlergebnisses der NSDAP am 12. März keine Rede von einem besonderen Widerstandsgeist der Kölner sein. In den folgenden Jahren seien auch sie einer „massiven Begeisterung“ für den Nationalsozialismus anheimgefallen.

Nach dem 12. März 1933 bauen die Nazis die Kölner Stadtverwaltung nach ihren Vorstellungen um. Fast alle bisherigen Beigeordneten werden entlassen und ersetzt, Beamte und Angestellte unter Druck gesetzt. Günther Riesen droht ihnen bereits am Tag nach seiner Einsetzung in einem Rundschreiben, er werde jeden, „der auch nur versuchen würde, die notwendige Aufbauarbeit offen, oder auch durch passiven Widerstand zu sabotieren, rücksichtslos und schnellstens entfernen und zur Rechenschaft ziehen“.

Auch die Polizei unter Präsident Walther Lingens wird zum willfährigen Instrument der NS-Politik. Außer der NSDAP werden alle Parteien verboten, aufgelöst oder „gleichgeschaltet“. Der Rat existiert nur noch formal, bis er später ganz aufgehoben wird. Die nächste Kommunalwahl wird erst 1946 stattfinden, als Köln in Trümmern liegt.