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„Mein Vorbild ist Barbie“Miss Universe Germany 2023 studiert auf Lehramt in Köln

Lesezeit 5 Minuten
Miss Germany Helena Bleicher tritt im Rahmen der 72. Miss Universe-Wahl auf. +++ dpa-Bildfunk +++

Helena Bleicher läuft auf der 72. Miss Universe-Wahl in El Salvador über die Bühne.

Von Köln schaffte sie es auf die große Bühne von „Miss Universe“ – Helena Bleicher berichtet über ihre Erfahrungen und das wahre Gesicht der Misswahlen.

Helena Bleicher hat eine erlebnisreiche Reise hinter sich. Die 26-jährige Gymnasiallehramtsstudentin für Englisch und Kunst aus Köln gewährt Einblicke in eine Welt, die sich weit mehr als nur um Schönheit dreht.

„Ich war immer schon ein Mädchen, das dem Klischee entsprach“, sagt Helena Bleicher. „Ich mochte Rosa, Prinzessinnen und ich wollte einfach eine schöne Krone haben.“ Bei Aufenthalten in den USA und in amerikanischen Highschool-Filmen lernte sie die berühmten Schönheitswettbewerbe, die Misswahlen, kennen. 2019 nahm sie in NRW als junges Model erstmals selbst daran teil.

„Anfangs war es oberflächlich, aber dann habe ich diesen Zusammenhalt unter den Frauen gespürt. Wir waren eine richtige Sisterhood“, erzählt sie über ihren ersten Wettbewerb. Dieser Aspekt, gepaart mit der Möglichkeit, soziale Projekte zu fördern, motivierte sie, weiterzumachen.

Der Weg führte sie über mehrere Titel schließlich zur deutschen Krone und damit zur Teilnahme an „Miss Universe“ in El Salvador, einer der größten Misswahlen der Welt. Als „Miss Universe Germany“ 2023 erklärt sie uns, dass der Begriff „Misswahlen“ statt „Schönheitswettbewerb“ verwendet wird, weil der Fokus nicht mehr ausschließlich auf dem äußeren Erscheinungsbild liege.

Glanz und Schattenseiten der Finalshow

Der Ablauf von einer Misswahl sei straff organisiert, berichtet die 26-Jährige. Mehrere Walks und ein langes Interview flößen in die Bewertung der Jury ein. Die Kölnerin schaffte es bei der 2023 „Miss Universe“ bis kurz vor die Top 20. „Die Zeit in El-Salvador war eine Mischung aus Tourismus, Repräsentation des eigenen Landes und knallhartem Training. Am Ende hatte ich Blasen an den Füßen, aber der Moment auf der Bühne war es wert.“

Von Konkurrenz oder Zickenkrieg unter den Teilnehmerinnen keine Spur: „Ich performe am besten, wenn ich unter Frauen bin“, erzählt die Lehramtsstudentin. „Wir haben uns gegenseitig unterstützt, die Atmosphäre war von Respekt und Zusammenhalt geprägt.“

Dennoch bleibt Kritik an Misswahlen nicht aus. Viele werfen den Veranstaltern vor, Diversität und soziale Themen lediglich als Marketinginstrument zu nutzen, sogenanntes „Woke Washing“ zu betreiben. „Natürlich ist die Show riesig und wirtschaftliche Interessen spielen eine Rolle“, sagt Helena Bleicher. „Aber ‚Miss Universe‘ gibt uns die Plattform, unsere Projekte zu präsentieren. Eine Freundin von mir hat ein Kinderbuch veröffentlicht, dessen Einnahmen an vom Krieg betroffene ukrainische Kinder gehen. Diese Reichweite hätten wir sonst nicht.“

Die 26-jährige Kölnerin lebt seit zehn Jahren vegan. Tier- und Umweltschutz seien ihr persönlich sehr wichtig, und der werde bei den Misswahlen nicht nur vorgetäuscht: So sei beispielsweise die glänzende Schärpe, auch Sash genannt, aus recycelten Plastikflaschen gefertigt.

Obwohl die 1,82 Meter große und schlanke Blondine den Idealmaßen entspricht, erzählt sie, dass die Teilnahmebedingungen inzwischen aufgehoben wurden. Es bestünden keine Mindestgröße oder Gewichtsvorgaben mehr. Auch Plus-Size-Models oder Transfrauen hätten für einige Länder teilgenommen.

Die Nachfrage nach Diversität ist zwar groß, doch die Sichtweise darauf variiert: Wird sie als bloßes Aushängeschild genutzt oder als echte Chance, um Betroffene wirklich zu inkludieren?

„Barbie ist mein größtes Vorbild“

Eine der Fragen im Interview der finalen Show lautete, wer Helena Bleichers größtes Vorbild sei. Ihre Antwort: „Barbie“. Sie erklärte, dass Barbie in ihren Augen eine Macherin sei, die alles erreichen könne, was sie wolle – sei es Ärztin, Anwältin oder Astronautin werden. Dies knüpft an die Debatten des neuen Feminismus an: Eine Frau darf allen Klischees entsprechen und dennoch feministische Ansichten vertreten, wie es auch Sophie Passmann in ihrem Buch propagiert.

Helena Bleicher erzählt, dass sie neben Interviewtechniken, Sprachsicherheit in Englisch, Disziplin und Selbstständigkeit auch viel über die Selbstbestimmung und Unabhängigkeit von Frauen gelernt habe. „Ich habe gelernt, dass ich alles schaffen kann – setze mich irgendwo auf der Welt aus, und ich werde mir eine gute Zeit machen. Ich habe ja jetzt auch in jedem Land eine Freundin, die ich anrufen kann und die mir helfen wird.“

Die 26-Jährige ist heute Botschafterin der „International Justice Mission“ und engagiert sich für Frauenrechte und gegen Sklaverei und Kinderpornografie. Auf ihrem Instagramaccount schreibt sie: „Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass alle Frauen weltweit Rechthaberinnen sind.“

„Ich fühle mich in der Kölner U-Bahn sexualisierter als auf der Bühne“

Ein weiterer Vorwurf an Misswahlen ist die Sexualisierung der Teilnehmerinnen. Die Kölner Studentin sieht das differenziert: „Ich hatte völlige Kontrolle darüber, was ich trage. Es gibt keine Vorgaben, manche Frauen entscheiden sich für Bikinis, andere für Burkinis. Tatsächlich fühle ich mich in der Kölner U-Bahn sexualisierter als auf der Bühne von ‚Miss Universe‘.“

Helena Bleicher hält ein Schild mit der Aufschrift "Rechthaberin" in die Kamera.

Eine Kampagne von der "International Justice Mission" für Frauenrechte die Helena Bleicher auf ihren Instagramaccount postete.

Helena Bleicher warnt hingegen vor den Schattenseiten der Branche. Da Misswahlen in Europa weniger bekannt sind, fehle es oft an Sponsoren, weshalb einige Teilnehmerinnen Kredite für Kleider und Reisen aufgenommen hätten. Davon rät die 26-Jährige ab. Zudem empfiehlt sie, nur teilzunehmen, wenn man physisch stabil ist, und warnt davor, Schönheitsoperationen für den Wettbewerb durchführen zu lassen.

Aus eigener Erfahrung rät sie dazu, sich ausschließlich bei professionellen, lizenzierten Organisationen zu bewerben. In kleineren, unseriösen Wettbewerben würden Teilnehmerinnen teils ausgenutzt und mit falschen Versprechen gelockt, sagt Helena Bleicher.

Ein Titel mit Verantwortung

Für Helena Bleicher ist ihr Titel mehr als nur eine Auszeichnung: „Die größte Krone, die man mitnimmt, sind die Freundschaften und Erfahrungen.“ Sie setzt sich inzwischen für die Förderung junger Frauen ein, die ebenfalls an Misswahlen teilnehmen wollen. Seit diesem Jahr coacht sie auch die Teilnehmerinnen von „Miss Teen International Germany“ in Interviews, Bühnenauftritt und Ausdruck und organisiert gemeinsam mit zwei weiteren deutschen Missen die erste Teen-Misswahl, die Anfang Mai in Mannheim stattfindet.

Ihre Botschaft an junge Frauen lautet: „Jede von uns hat eine Stimme und sie ist mächtig! Verantwortung zu übernehmen bedeutet nicht nur für sich selbst, sondern auch für die, die keine eigene Stimme haben, einzustehen.“