Roland und Rosemarie Kierspels Liebesgeschichte war Teil unserer Ausgabe zu Weiberfastnacht. Sie blieb unserer Redakteurin aus vielen Gründen im Gedächtnis.
Meine Geschichte 2024Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehen
In unserer Serie „Meine Geschichte 2024“ schreiben unsere Redakteurinnen und Redakteure über ihre ganz persönlichen Geschichten des Jahres.
Das große Geschenk dieses Berufs ist es, unterschiedlichsten Menschen zu begegnen, sie ungeniert alles fragen zu dürfen, was man fragen möchte und ganz kurz ein fremdes Leben zu streifen. Emotionen mitzubekommen, Erlebnisse einer anderen Person durch Erzählungen mitzuerleben. Im Frühjahr dieses Jahres habe ich für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ Menschen gesucht, die sich im Karneval verliebt haben und die uns ihre Geschichte erzählen wollten. Es meldeten sich viele Paare aus Köln, aber eine Liebesgeschichte ist mir besonders im Gedächtnis geblieben – und hat mich nachhaltig gerührt.
Plötzlicher Sinneswandel beim Kennenlernen
Roland Kierspel erzählte von Weiberfastnacht 1960, dem Tag, an dem er seine Rosemarie kennenlernte. Sie kellnerte im Gesellenhaus in Dellbrück, er feierte dort mit einer Jungstruppe und lud das „zierliche, hübsche Mädel“ zu einem Likörchen ein. Nachdem Rosemarie in der Küche verschwunden und wieder zurück an der Theke war, war sie wie ausgewechselt: kein Lächeln, kein Likörchen, auf gar keinen Fall ein Tanz. Roland nahm all seinen Mut zusammen und fragte die junge Frau, was los sei – und Rosemarie löste auf: Die Frau, die nicht lächelte, die keinen Tanz und kein Getränk wollte, war ihre Zwillingsschwester.
Rosemarie und Roland heirateten 1963, 2023 wurde Diamant-Hochzeit gefeiert. „Und ich weiß noch heute genau, wie schön Weiberfastnacht 1960 war“, sagte Roland Kierspel im Gespräch mit dieser Zeitung. An Weiberfastnacht 2024, dem Tag, als der Artikel in der gedruckten Zeitung stand, bedankte sich der Kölner per Mail, erzählte, dass viele gemeinsame Bekannte gesagt hätten, ihnen sei die Kennenlerngeschichte des Paares bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt gewesen.
2024 meinte es nicht gut mit Roland Kierspel
Keine vier Wochen später bekam ich noch einmal Post von ihm. Sein Schätzchen sei nach kurzer, heftiger Krankheit verstorben, unterschrieben war die Mail mit traurigen Grüßen. Im Dezember, bei einem weiteren Mailwechsel, erzählte der Kölner, das Schicksal habe es dieses Jahr auch weiter nicht gut mit ihm gemeint: Kierspel hatte einen Infarkt auf dem linken Auge, jetzt ist er halb blind, darf nicht mehr Auto fahren. „Der Infarkt war wohl eine Reaktion auf den Stress der Umstände“, sagt er. Er habe aber tolle Verwandtschaft in der Nähe und komme ganz gut zurecht.
Obwohl ich Roland Kierspel nie persönlich getroffen habe, obwohl ich seine Frau nicht kannte, obwohl ich die beiden nie als Paar erlebt habe, wurde mein Herz ganz schwer. Und jetzt, in der Weihnachtszeit, denke ich besonders an Roland und Rosemarie Kierspel.