Karnevalsbekanntschaften müssen keine Karnevalsbekanntschaften bleiben – manchmal enden sie in der großen Liebe. Fünf Paare erzählen uns davon.
Keine Paare für eine Nacht„Ich war schockverliebt“ – Vom Karnevalsflirt in Köln zur großen Liebe
Paulina Dinspel (27) und Matthias Mainz (23)
Tanzgruppe als generationenübergreifende Partnerbörse
Karneval 2019, Sporthalle Köln-Flittard
Paulina: Andere Paare sehen sich ja während der Karnevalstage wenig – wir beide sind praktisch nie getrennt. Matthias und ich tanzen seit fünf Jahren zusammen in der Tanzgruppe der Original Matrosen vum Müllemer Böötche der KG Müllemer Junge. 38 Auftritte haben wir in dieser Session, und dann kommen ja noch die Trainingsstunden hinzu.
Matthias: Ich bin ein Jahr nach Paulina in der Gruppe eingestiegen, wir waren erst mal nur gut befreundet und haben viel miteinander unternommen. Und nach zwei Jahren änderte sich das – im August sind wir drei Jahre zusammen.
Paulina: Ich weiß noch, dass ich dachte, dass du ein sehr sympathischer Typ bist, als ich dich das erste Mal gesehen habe. Was dachtest du?
Matthias: „Die ist ja total nett und ein kleines bisschen verrückt“, dachte ich. So richtig aufgefallen bist du mir bei einem freiwilligen Training am Donnerstag. Da wird immer das Heben trainiert, und Paulina war bis dahin immer am Boden. Sie fragte, ob wir mal heben wollen.
Paulina: Es hat dann nicht direkt beim ersten Versuch geklappt, aber danach dann. Und das haben wir direkt fotografiert, als Erinnerung.
Matthias: In der Gruppe tanzen wir allerdings nicht zusammen, und das wollen wir beide auch nicht. Wir finden, das sollte man trennen – mit dem Tanzpartner oder der Tanzpartnerin redet man auch ganz anders, wenn mal was nicht klappt. Außerdem hat auf die Art jeder noch mehr seins.
Paulina: Wir sind übrigens nicht die einzigen, die sich hier beim Tanzen gefunden haben: Matthias' Eltern haben sich auch schon bei uns im Verein kennengelernt, und sein Onkel auch seine Frau. Unser Verein ist eine echte Partnerbörse.
Andrea (55) und Hartmut (58), Köln
In der Kühlkammer hat es geknistert
Karneval 2001, Hofburg
Andrea: Ich habe nie geglaubt, dass man sich schockverlieben kann. Aber genau das ist mir passiert – grade acht Monate verheiratet, die Luftballons hingen noch bei uns zu Hause, ein schlechteres Timing ist kaum möglich. Karneval 2001 bin ich als Kürbis ausgegangen, wir haben in der Hofburg gefeiert, geschunkelt, Kölsch getrunken. Dann kam Hartmut in seiner Treuer-Husar-Uniform – und ich hab‘ mich auf den Schlag wegverliebt. Als das Fässchen alle war, sagte Hartmut, wir sollten zusammen Nachschub holen gehen. Er hat mich dann mit sich in die Kühlkammer neben der Bar gezogen – und geküsst. Darauf war ich kein bisschen vorbereitet. Ich war doch schließlich frisch verheiratet!
Wir haben das Fässchen genommen und den Kranz mit den Gläsern, sind zurück zu den anderen, und der Rest lief an diesem Tag nur über Blicke. Aber ich war hin und weg. An einem der nächsten Karnevalstage haben wir uns im Sartory verabredet, wir saßen neun Stunden lang an der Kaffeebar und haben nur geredet. Als der Magen den Kaffee nicht mehr vertragen hat, sind wir auf Kakao umgestiegen. Hartmut war da schon fest in meinem Kopf und in meinem Herz.
Irgendwann nach Karneval hat mein Ehemann etwas mitbekommen, es war etwas durchgesickert von der Geschichte mit Hartmut, und ich wollte mich trennen. Dann der nächste Schock: Bei meinem Mann wurde eine Krankheit diagnostiziert, und ich habe es nicht geschafft, mich zu trennen. Ich hätte das nicht übers Herz gebracht, jemanden in dieser Situation zu verlassen. Ich habe es aber auch nicht übers Herz gebracht, die Sache mit Hartmut zu kappen. Ich bin also bei meinem Mann geblieben, während er behandelt wurde, und ich bin auch irgendwie bei Hartmut geblieben.
Erst ein Jahr später, mein Mann hatte die Erkrankung gut überstanden, bin ich dann aus der Ehe ausgestiegen. Heute sagt mein Ex-Mann: „Egal, wer es gewesen wäre, vermutlich haben wir einfach gar nicht zusammengepasst“, und vielleicht hat er damit recht. Ich hatte ja auch keinen Vergleich, ich dachte, das wäre die große Liebe, und ich war auch glücklich. Und dann kam Hartmut. Heute sind wir 23 Jahre zusammen und auch verheiratet. Karneval, die Zeit, in der wir uns gefunden haben, zelebrieren wir immer noch: Zum Zehnjährigen sind wir alle Orte noch einmal abgegangen, an denen wir damals waren. Nur die Kühlkammer, die haben wir ausgelassen
Carolin (37) und Sebastian (39) Kopp
Eine Hessin, ein Hamburger und eine kölsche Liebe
Karneval 2010, „Treppchenkeller“ am Dom
Carolin: 2010 lebte ich in der Nähe von Frankfurt, Karneval wollte ich in Köln feiern. Ich war mit einer Freundin im Alten Wartesaal, gegen 2 Uhr nachts wollte ich ins Hotel – wir hatten eine durchzechte Nacht hinter uns, und für mich war die Luft einfach raus. Auf dem Weg zur Bahn kamen wir an einer kleinen Kneipe vorbei, die Musik war sogar von der Straße aus zu hören. „Treppchenkeller am Dom“ hieß sie, das weiß ich noch. Meine Freundin überredete mich, auf ein letztes Kölsch hineinzugehen. Drinnen war nicht mehr viel los – da waren wir, und da war eine Gruppe junger Männer, die alle (oberkörperfrei) als Indianer verkleidet waren. Einer sprach meine Freundin an, kurz darauf verschwanden die beiden in eine Ecke der Kneipe. Ich stand allein im Raum – bis plötzlich jemand meine Hand griff und mich zum Tanzen auf die Tanzfläche zog. Es war einer der anderen Indianer: Wir tanzten, quatschten, wir küssten uns irgendwann und verbrachten den Rest der Nacht zusammen.
Am nächsten Tag reisten meine Freundin und ich ab, der Indianer – aus Hamburg übrigens - und ich hatten Nummern getauscht. Er versuchte, Kontakt zu halten, aber mein Gefühl sagte: Das war ein One-Night-Stand, der keine Zukunft hat. Ich wollte keine Beziehung, und ich wollte erst recht keine Beziehung mit einem Mann in 400 Kilometern Entfernung. Also habe ich so verhalten auf seine Nachrichten reagiert, dass er irgendwann nicht mehr schrieb. Ganz war er offenbar aber doch nicht aus meinem Kopf heraus: Einige Wochen später plante ich einen Besuch bei einer Freundin in Hamburg. Ich wusste ja, dass er dort lebte und schrieb ihm über Facebook, ob er uns nicht auf die Reeperbahn begleiten möchte. Er wollte, wir verabredeten uns für Freitagabend. Plötzlich waren da doch Schmetterlinge – wir küssten uns wieder, wir gingen auch den zweiten Abend in Hamburg wieder gemeinsam aus, und wir verbrachten eine zweite Nacht zusammen, diesmal bei ihm zu Hause. Uns beiden war nach diesem Wochenende klar: Das ist es jetzt.
2011 zog er zu mir nach Hessen, 2013 ging es für uns wegen seines Studiums nach Köln, 2015 heirateten wir hier – in der Stadt, in der wir uns kennengelernt hatten. Unsere Köln-Liebe bleibt groß – auch wenn wir heute in der Nähe von München leben.
Paul (63) und Jutta Schmitz (51), Köln-Rondorf
Karnevalistischer Kurztrip endet mit der großen Liebe
Karneval 1993, Kneipe „Der Treffpunkt“ in Köln-Rondorf
Jutta: Bützen, Kamelle, Schunkeln, Kölsch, das war mir alles fremd, als ich Karneval 1993 eine alte Studienfreundin hier in Köln besucht habe. Ich komme ursprünglich aus Ostwestfalen, fast schon aus Niedersachsen, wir haben Schützenfeste, wir sind mal in die Disco gefahren, aber wir hatten keinen Karneval. Ich wurde von meiner Freundin mit einem Römerinnen-Kostüm ausgestattet, und wir zogen los. Wir trafen uns mit ihrem Partner und mit einem seiner Freunde – und das war Paul. Seine Augen fand ich sofort toll, überhaupt sein Aussehen. Er hat Kölsch gesprochen, und ich habe sofort alles verstanden, obwohl ich nie Kontakt zum kölschen Dialekt hatte.
Ich weiß auch noch genau, was er getragen hat: eine schwarze Anzughose, ein weißes Hemd, schwarze Hosenträger. Kein wildes Kostüm, sondern eher dezent. Überhaupt wirkte er eher zurückhaltend, und das mochte ich. Ich habe meine Freundin über Paul ausgefragt und erfuhr, dass er Anfang 30 ist – das kam mir damals wahnsinnig alt vor, ich war schließlich erst Anfang 20. Über die Tage haben wir uns immer mal wieder gesehen, unter anderem im „Treffpunkt“ in Rondorf und in der „Bierstube“ in Rodenkirchen, beide Kneipen existieren leider nicht mehr.
Wir beschlossen: Kommendes Wochenende treffen wir uns wieder. Es wurden dann sehr viele Wochenenden daraus: Dreieinhalb Jahre war die A1 unser zweites Zuhause, wir haben uns immer im Wechsel in Köln oder in Ostwestfalen getroffen.
Geglaubt hat damals keiner an unsere Beziehung: die Entfernung, das Alter, alles zu kompliziert. Wir haben allen Widerständen getrotzt: 1996 bin ich zu Paul nach Rondorf gezogen, 1998 haben wir geheiratet – Standesamt in Köln, kirchliche Trauung mit großer Feier in Ostwestfalen, 2000 wurde unsere Tochter geboren, 2002 unser Sohn. Kürzlich hat meine Bekannte mir ein besonderes Geschenk mitgebracht: Sie hat das Römerinnen-Kostüm gefunden, und das liegt jetzt für immer in unserer Kostümkiste.
Roland (85) und Rosemarie (83) Kierspel
Zwillingsverwirrung an Weiberfastnacht
Karneval 1960, Gesellenhaus Köln-Dellbrück
Roland: Unsere Liebesgeschichte, die von meiner Rosemarie und mir, startete mit einem Rätsel. Karneval 1960 hatte ich gerade meinen Bundeswehrdienst hinter mir und genoss die neugewonnene Freiheit. Mit einer Jungstruppe feierte ich an Weiberfastnacht im Gesellenhaus in Dellbrück. Wir standen an der Theke und tranken Kölsch, und hinter dieser Theke stand ein zierliches, hübsches Mädel. Sie fiel mir sofort auf, und ich lud sie ein, ein Likörchen mit uns zu trinken. Rosemarie lächelte und stimmte zu und verschwand wieder zum Arbeiten in der Küche.
Als sie wieder herauskam, wurde ich etwas mutiger, fragte sie nach einem weiteren Likörchen zusammen und ob sie Lust hätte, mit mir zu tanzen. Von dem schönen Lächeln von vorhin war jetzt nichts mehr zu sehen, im Gegenteil: Sie guckte mich an, als käme ich von einem anderen Stern, wollte nichts von einem Getränk wissen – und verschwand wieder in der Küche. Ich verstand die Welt nicht mehr.
Als sie wieder in den Gastraum kam, war wieder alles ganz anders: Lächeln, Likörchen, alles schön. Jetzt wollte ich es wissen: „Hör mal, eben warst du so komisch, jetzt trinkst du wieder mit mir, was war da los?“, und sie löste das Rätsel auf: „Das war meine Zwillingsschwester.“ Wir haben uns dann nochmal wiedergesehen an den Karnevalstagen, waren gemeinsam essen – und haben uns verliebt. Immer, wenn ich danach zu Rosemarie nach Hause kam und ihre Schwester mir die Tür öffnete, hob sie direkt die Hände hoch und sagte „Ich bin es nicht“, sonst wäre mir die Verwechslung vom Anfang sicher öfter passiert.
Einmal haben wir das identische Aussehen aber auch für uns genutzt: Früher waren ja vor der Hochzeit Polterabende unumgänglich, auch bei uns. Leider war meine Braut etwas unpässlich an dem Abend, also sprang ihre Zwillingsschwester ein, und keiner meiner zehn Kegelbrüder, die Rosi auch kannten, ist es aufgefallen.
Rosemarie und ich haben 1963 geheiratet, im vergangenen Jahr haben wir Diamantene Hochzeit gefeiert. Und ich weiß noch heute genau, wie schön Weiberfastnacht 1960 war.