Recherche zu WohnungseigentümernWer ist verantwortlich für den Mietwucher in Köln?
- Derzeit stehen private Wohnungsgesellschaften, die mit Mietwucher riesige Gewinne einfahren bundesweit in der Kritik. Wie viele von ihnen sind auch in Köln aktiv?
- Das Erstaunliche: Noch nicht einmal die Stadtverwaltung weiß, wie viele Mietwohnungen es in Köln überhaupt gibt. Keiner hat den Überblick.
- Die Redaktion hat sich auf die Suche nach Zahlen gemacht und diese erstmals exklusiv ausgewertet. Ein Überblick über die Eigentumsverhältnisse in Köln.
Köln – Die Debatte über die Zukunft der Wohnungspolitik, hohe Mieten und den Mangel wird zurzeit dominiert von der Kritik an den privaten Unternehmen, die nach eigenem Bekunden riesengroße Gewinne einfahren.
Der Konzern Vonovia etwa, dem nach eigenen Angaben bundesweit 358.000 Wohnungen gehören, hat seinen Aktionären einen Gewinn von mehr als einer Milliarde Euro in Aussicht gestellt. In Berlin haben Bürger ein Volksbegehren gestartet, das unter anderem die Vergesellschaftung des Wohnungsriesen fordert. Anfang des Monats demonstrierten in 19 Städten zehntausende Menschen gegen steigende Mieten, so auch in Köln. Die Feindbilder scheinen klar. Doch wie sieht es tatsächlich auf dem Wohnungsmarkt aus?
Zahlen für Köln zu erhalten ist nicht einfach, denn keiner weiß, wie viele Mietwohnungen es im Stadtgebiet gibt. „Das ist das große Manko, dass niemand den genauen Überblick hat“, sagt Jörg Hensel, Jurist beim Kölner Mieterverein. Da liegt die Frage nahe, wie die Politiker im Stadtrat und die Verwaltung planen können, wenn ihnen die Datengrundlage fehlt.
Keine Dominanz auf dem Wohnungsmarkt
Die Verwaltung verfügt zwar über Zahlen zu den Eigentumsverhältnissen der mehr als 560.000 Wohnungen im Stadtgebiet. Sie weiß aber nicht, wie viele von ihnen vermietet sind und wie viele als selbst genutztes Eigentum bewohnt werden. Eine Annäherung ist möglich über Angaben, die Bürger 2011 in Nordrhein-Westfalen bei einer Befragung für das Statistische Landesamt gemacht haben. Die mittlerweile acht Jahre alten Zahlen legen nahe, dass rund 70 Prozent der Kölner Wohnungen vermietet sind und in knapp 30 Prozent Eigentümer der jeweiligen Wohnungen leben. Eine ergänzende Befragung aus dem Jahr 2014 bestätigt die Quote. Damals seien 69,7 Prozent aller Kölner Wohnungen sowie Einfamilienhäuser vermietet gewesen, ermittelten die Landesstatistiker.
Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat das vorhandene Zahlenmaterial ausgewertet, um erstmals Schätzungen zu den Eigentumsverhältnissen auf dem Kölner Mietwohnungsmarktes vorzulegen. Demnach ist die Eigentümerschaft breitgefächert, eine Dominanz einzelner internationaler Konzerne wie Vonovia ist insgesamt nicht festzustellen. Das sagt allerdings wenig über die Situation in einzelnen Stadtvierteln aus, wo private Konzerne und das städtische Wohnungsunternehmen GAG prägende Rollen übernehmen können.
Private Mieter prägen den Markt
Schaut man auf die gesamte Stadt, wird der Mietwohnungsmarkt vor allem von privaten Vermietern geprägt. Mehr als 60 Prozent aller Mietwohnungen befinden sich nicht im Eigentum großer Unternehmen und Institutionen. Überraschend niedrig ist der Anteil an Genossenschaften, die als Garanten für angemessene Preise und mieterfreundliches Management gelten. Allen Genossenschaften zusammen gehören annähernd 34.000 Wohnungen – nicht einmal zehn Prozent des gesamten Bestandes. Die Ehrenfelder Genossenschaft liegt mit 4.000 Wohnungen vorne, dahinter folgt die Genossenschaft Köln-Sülz mit 3.200 Wohnungen.
Der Anteil an Wohnungen privater Immobilienunternehmen, zu denen unter anderem mehr oder weniger anonyme internationale Finanzfonds zählen, ist ungefähr so groß wie jener der stadtnahen GAG und der Stadtwerke-Tochter WSK. Mit ihren 44.400 Wohnungen ist die GAG der wichtigste Vermieter Kölns. Ebenso wie in der Mieterschaft besteht im Rathaus bis heute Erleichterung darüber, dass die CDU wegen Widerstandes in den eigenen Reihen 2003 mit ihren Verkaufsplänen gescheitert ist. Für 420 Millionen Euro sollte die GAG damals an das Londoner Unternehmen Terra Firma Capital Partners gehen.
Andere Lage als in Berlin
Als Beispiel für eine vollzogene Privatisierung eines öffentlichen Wohnungsunternehmen lässt sich die heutige LEG Immobilien AG heranziehen, die bis 2008 dem Land Nordrhein-Westfalen und der NRW-Bank gehörte. Anschließend war der von der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs aufgelegte Whitehall Real Estate Funds der Eigentümer – ein Beleg dafür, wie lukrativ der deutsche Wohnungsmarkt aus internationaler Sicht ist. Der LEG, heute eine Aktiengesellschaft, gehören zurzeit insgesamt 134.000 Wohnungen, 3.900 davon in Köln.
Die Lage in Köln ist zweifelsohne anders als in Berlin. In der Hauptstadt gehören der Vonovia annähernd 42.000 Wohneinheiten, in Köln rund 6.400. Der Immobilienkonzern Deutsche Wohnen, der in Berlin 115.000 Wohnungen im Bestand hat und im Zentrum der aktuellen Proteste steht, vermietet in Köln gerade einmal 500 Wohnungen. Die Erfahrungen mit Unternehmen wie Vonovia sind ambivalent. Es gibt Kritik, aber durchaus auch positive Berichte über Verbesserungen als Ergebnisse von Verhandlungen und Gesprächen.
Studierendenwerk vermietet in 90 Wohneinheiten
Für Ärger sorgen vor allem die internationalen Finanzkonzerne, die als „Heuschrecken“ kritisiert werden. Sie nutzen die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt, der hohe Renditen verspricht, ohne dass man viel für die Qualität der Wohnungen tun muss. Sind sie Eigentümer oder Miteigentümer von Häusern in Hochaussiedlungen wie in Finkenberg, am Kölnberg und in Chorweiler, können sie ganze Stadtteile nachteilig verändern.
Zu den bedeutenden Vermietern zählt auch das Kölner Studierendenwerk. Es bietet in 90 Wohnheimen mehr als 5000 Menschen eine vergleichsweise günstige Unterkunft, teils in Wohngemeinschaften, teils in Apartments. Die katholische Kirche betätigt sich ebenfalls auf dem Immobilienmarkt. Die kircheneigene Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft sowie verbundene Firmen unterhalten bundesweit 25.700 Wohnungen, mehr als 5.000 davon befinden sich in Köln.
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