Miljö und die Könige der NachtSo klingen die neuen Songs der kölschen Band
Köln – Ganz weit draußen am Stadtrand in Dellbrück, die Hausnummern der Bergisch Gladbacher Straße sind längst vierstellig, schallt Musik über einen multifunktional genutzten Industriehof. Zwischen Containerlastern, Marmorblöcken und Schrottautos dringt mehrstimmiger Gesang aus dem Obergeschoss eines Backsteingebäudes. Das Gelände sieht nach Maloche aus, und oben, im neuen Studio von Miljö, arbeiten Simon Rösler, Daniel Pottgüter, Nils Schreiber, Max Eumann und Sven Löllgen seit Stunden an den Songs für das neue Album.
Galaxie aus Fantasie
„Stell d’r vüür,/ de Welt wör dir,/für ein Naach“ singt Nils Schreiber und mit dem treibenden Rhythmus von Bass und Schlagzeug galoppiert die Band, getragen von Banjo und Akkordeon, durch „de Galaxie us Fantasie“, denn „bess de wach wees,/ es alles möglich“, zumindest für eine Nacht. Könige der Nacht - das trifft den Zeitgeist. Miljö sprechen vor allem den jungen Menschen, die gut zwei Jahre pandemiebedingt still halten mussten, aus der Seele.
Spätestens seit „Sulang beim Lommi die Lichter noch brenne“ weiß man, dass Songwriting eine der Stärken der Band ist, und „Für ein Naach“ hat das Potential zum Sessionshit, auch wenn die Band noch gar nicht weiß, ob sie ihn im Karneval spielen wird. Derzeit liegt der Focus auf dem neuen Album, dem ersten seit 2017. „Das war überfällig“, sagt Nils Schreiber. „Wir haben sehr viel Material. Einige Songs auf dem Album wird der Mike noch singen, den Rest übernehme ich.“
Der Mike, das ist Mike Kremer, bis Anfang diesen Jahres Frontmann von Miljö. Er ist aus gesundheitlichen Gründen in die zweite Reihe als Produzent und Songwriter getreten. Seine Rolle als Sänger und Gitarrist übernimmt Schreiber, dessen Part an Akkordeon und Klavier jetzt Daniel Pottgüter innehat, der neu an Bord ist. „Songs wie 'Zick zoröck', 'Kirmes im Kopf' oder 'Büdchenliebe' sind schon als Single erschienen und fertig produziert“, erläutert Nils Schreiber. Etwa 15,16 Songs sollen auf dem Album sein, das den Arbeitstitel „Immer wigger“ hat. „Wir wollten trotz der schwierigen Umstände, der ganzen Krisen, immer weiter machen mit der Band“, sagt Bassist Max Eumann. „Auf dem Album wird es ganz neue Facetten von Miljö geben, aber man wird uns trotzdem erkennen.“
Neues Miljö-Studio in Köln-Dellbrück
Im neuen Studio, das man während des Lockdowns ausgebaut hat, kann Miljö jetzt autark arbeiten. „Das ist eine echte Befreiung, dass wir hier ohne Zeitdruck proben und aufnehmen können“, sagt Schreiber. „Uns ist wichtig, dass das hier wie eine WG ist, mit Küche, Kühlschrank, Bad. Jeder kann sich auch mal zurückziehen.“
Album-Release-Party im Kölner E-Werk im Oktober
In der hohen Holzdecke spenden Oberlichter reichlich Tageslicht, der Raum ist mit Teppichen, einer Kaminattrappe und plüschigen Stehleuchten gemütlich gemacht worden. In einem schalldichten Separée steht ein Mischpult für Aufnahmen. Im Erdgeschoss gibt es ein Lager, und der Bandbus muss dank einer Garage nicht mehr jeden Abend ausgeladen werden. „Das ist vor allem in der Session, wenn du nachts nach zehn Auftritten Feierabend hast, eine echte Erleichterung“, so Schreiber. Und Eumann ergänzt: „Man hat einfach noch mehr Lust, hier hinzukommen, weil man sich wohl fühlt. Das tut der Band gut.“
Derzeit trifft sich die Band dreimal die Woche für lange Probesessions. Vier, fünf Stunden oder mehr. „Das ist ein Prozess von mehreren Monaten, bis die Songs so stehen, dass man sie aufnehmen oder live spielen kann“, sagt Eumann. „Das miteinander spielen verändert noch einmal das Gefühl für die Lieder, selbst wenn dann fürs Album alle Instrumente einzeln aufgenommen werden.“
Die Aufnahmen stehen im August an, am 21. Oktober 2022 soll dann das Album erscheinen. „Es wird an diesem Tag ein großes Release-Konzert im E-Werk geben“, sagt Nils Schreiber. „Die meisten Songs werden wir da wohl live präsentieren. Dann wird sich auch entscheiden, was der Sessionstitel wird. Am liebsten würden wir die Fans darüber entscheiden lassen.“
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Ein Kandidat ist auf jeden Fall „Et Jröößte“, ein bisher unveröffentlichter Song, den Miljö für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ erstmals in Ausschnitten präsentierte. „Dat es kei Leed övver Liebe,/ dat es kein Song övver Jeföhle,/ dat es einfach för ze saaje wat et es:/ dat du et Jröößte bes.“ Ein Lied, das den Dancefloor so mancher Hochzeit aufmischen wird, karnevalskompatibel ist und „Spaß macht, weil es schön punkig ist“, wie Gitarrist Sven Löllgen es ausdrückt. Rund 170 Auftritte stehen für die Band in der Session 2023 an.