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Kölner NeubaugebietHochhaus im Mülheimer Süden wirft viele Fragen auf

Lesezeit 4 Minuten
MS

Das Neubaugebiet im Mülheimer Süden, aufgenommen im September 2021.

Köln – Die Arbeit der Gremien des Stadtrates ist oft ein trockenes Geschäft, doch manchmal werfen einzelne Vorgänge viele Fragen auf – und das ist aktuell der Fall bei einem geplanten 65-Meter-Hochhaus im Mülheimer Süden.

Der Kölner Immobilieninvestor WvM will in dem großen Neubaugebiet auf dem Lindgens-Areal 295 Wohnungen auf drei Baufeldern bauen, davon freiwillig 15 Prozent öffentlich gefördert mit vergleichsweise günstigen Mieten. An der Ecke Auenweg/Hafenstraße soll das neue 65-Meter-Hochhaus gebaut werden. Eine der Fragen ist: Bekommt die WvM einen Sonderweg? Und wenn ja, warum?

Üblicherweise konkurrieren in Köln bei prominenten Bauvorhaben Architekten in einem Wettbewerb um das beste Aussehen von Gebäuden. Jurys wählen einen Sieger aus, darin sitzen neben Architekten und Stadtplanern auch Mitglieder des Stadtrates. Der Vorschlag, beim WvM-Wohnturm auf den Wettbewerb zu verzichten, stammt von der Ständigen Jury des Mülheimer Südens.

Das Begleitgremium besteht aus fünf Experten, unter anderem einem Stadtplaner. Die Jury berät die Stadt und die Investoren in dem Neubaugebiet, das am Hafenbecken Wohnungen und Arbeitsplätze für Tausende Menschen schaffen soll. Ihrer Aussage nach haben sie in mehreren Sitzungen mit dem Architekten Höhe und Aussehen des 65-Meter-Turms entwickelt, sie erwarten eine „sehr qualitätvolle und hochwertige Architektur“, ein Wettbewerb könne „unter Umständen sogar kontraproduktiv sein“. Warum das übliche Vorgehen kontraproduktiv sein könnte, begründen sie nicht.

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Laut Geschäftsordnung hat ihr Rat lediglich „empfehlenden Charakter“. Die Politik muss ihm also nicht folgen. Deshalb wollte die Verwaltung sich das Okay für den Wettbewerbsverzicht aus der Politik holen.

Selbst eine WvM-Sprecherin sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Da ein besonderes Augenmerk auf dem Hochhaus liegt, war es für uns selbstverständlich, das Angebot zu unterbreiten, ein begrenztes Wettbewerbsverfahren durchzuführen. In der Vergangenheit war es bisher gängig, bei vergleichbaren Projekten mit einer städtebaulichen Prägnanz solche Verfahren durchzuführen.“ Das Unternehmen vertraue aber der Ständigen Jury.

Veraltete Visualisierung für die Politik

Angesetzt für die Zustimmung der Politik war die vergangene Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses Ende September. Die Entscheidung sollte auf Basis einer Visualisierung des Hochhauses fallen, die den Politikern im Internetsystem des Rates zur Ansicht eingestellt worden war. Dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ wollte die WvM die Visualisierung im Vorfeld nicht zur Verfügung stellen für eine Berichterstattung. Laut der Sprecherin ist sie veraltet.

Das bedeutet, dass die Politiker auf den üblichen Wettbewerb zum Aussehen des Hochhauses verzichten sollten – und zwar auf Grundlage einer laut WvM „veralteten“ Visualisierung. Die Politiker hätten also über etwas abgestimmt, das mittlerweile möglicherweise ganz anders aussieht.

Stadtverwaltung löscht Unterlagen

Doch zur Abstimmung über das Hochhaus kam es gar nicht, weil die Stadtverwaltung das Thema sogar vor der Sitzung aus dem System des Stadtrates löschte. Das bezeichnete Linken-Fraktionsgeschäftsführer Michael Weisenstein als unüblich, er sagte: „Gelöscht wird eigentlich gar nix.“

Dazu sagte Baudezernent Markus Greitemann: „Die Vorlage ist von mir und dem Büro der Oberbürgermeisterin zurückgenommen worden, weil ich da noch ein bisschen drüber nachdenken muss, ob sie so richtig platziert ist und ob es eine Vorlage oder eine Mitteilung ist.“ Die Verwaltung bestätigte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass nur noch eine Mitteilung an die Politik folge.

Ausschuss soll nicht mehr entscheiden

Das heißt: Die Politik soll nicht mehr wie geplant über das Ja oder Nein für einen Architektenwettbewerb entscheiden. Stattdessen wird Greitemann das Gremium nur demnächst darüber informieren, dass die Stadt auf den Wettbewerb verzichtet. Das ist für sich genommen schon bemerkenswert, aber es ist umso bemerkenswerter, weil es um ein 65-Meter-Hochhaus in Rhein-Nähe mit Auswirkungen auf das Stadtpanorama geht.

Die Verwaltung begründet den Sonderweg für das WvM-Projekt mit zwei Besonderheiten. Erstens: Das Werkstattverfahren, wie der Mülheimer Süden zum Wohn- und Arbeitsviertel umgebaut werden sollte, sah 2013/2014 ein Hochhaus an der Stelle vor. Die WvM hatte allerdings andere Pläne, erst Ständige Jury und Verwaltung forderten das Hochhaus wieder. Und zweitens: Die Pläne sind schon sehr weit fortgeschritten und kurz vor der Offenlage. Die WvM selbst spricht von Januar bis März 2023.

Stadt: Andere Investoren können sich auf Verfahren nicht berufen

Auf die Frage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, ob andere Investoren diesen Sonderweg auch einfordern könnten, teilte die Verwaltung mit: „Die Situation im Mülheimer Süden und am Lindgens-Areal ist mit anderen Standorten nicht vergleichbar, sodass dieses Vorgehen auch nicht übertragbar ist und andere Investoren sich nicht darauf berufen könnten.“

Aber: Der Versicherer DEVK beispielsweise muss für sein geplantes, bis zu 145 Meter hohes Hochhaus auf der anderen Rheinseite den üblichen zweistufigen Wettbewerb durchlaufen. Beschlossen hat das der Ausschuss für Stadtentwicklung – in derselben Sitzung.