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Aktivistin aus Köln mit Down-Syndrom„Ich will nicht, dass wir aussortiert werden“

Lesezeit 4 Minuten
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Natalie Dedreux kämpft für Gleichberechtigung. 

Beim Hausbesuch in Mülheim klettert Natalie Dedreux gut gelaunt die Leiter ihres Hochbettes herunter. Die Hose im Brings-Schotten-Karo, der Pulli im Leo-Look, an den Füßen zwei verschiedene Socken. Was manchem im unausgeschlafenen Zustand auf der Bettkante sitzend aus Versehen passiert, ist bei der 23-Jährigen Absicht: „Ich habe das Down-Syndrom, die verschiedenen Socken werden immer am Welt-Down-Syndromtag am 21. 3. getragen“, erklärt sie.

21.3 steht für Trisomie 21

21.3.: Das Datum steht symbolisch für die zweite geläufige Bezeichung des Down-Syndroms: Trisomie 21. Denn das 21. Chromosom ist bei Menschen mit Down-Syndrom drei Mal vorhanden, bei vermeintlich „normalen“ Menschen nur zwei Mal. „Socken-Paare sehen ein bisschen so aus wie Chromosomen-Paare“, erklärt Dedreux die Auswahl der Socken als Symbol, das gleichzeitig für Vielfalt steht. Und weil bei ihr jeden Tag Welt-Down-Syndrom-Tag ist, trägt sie immer unterschiedliche Socken. Denn Natalie Dedreux ist Aktivistin.Im Jahr 2017 wurde sie schlagartig bekannt, als sie in einer TV-Bürgerrunde die damalige Kanzlerin Angela Merkel fragte: „Neun von zehn Babys mit Down-Syndrom werden in Deutschland nicht geboren, sie werden abgetrieben. Wie stehen Sie zum Thema Spätabbruch?“

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Natalie mit ihrem Freund Nico, der auch das Down-Syndrom hat und  im KAT18 in der Südstadt arbeitet. 

Sichtlich angefasst reagierte Merkel damals. Dedreux aber zog weiter, um in ihrem Blog der Welt von ihrem coolen Leben zu erzählen, von Konzertbesuchen, ihren Reisen nach Afrika oder in die Ukraine und allem, was ihr sonst so durch den Kopf geht. Außerdem arbeitet sie als Journalistin für den „Ohrenkuss“, ein Magazin aus Bonn, das von Menschen mit Down Syndrom gemacht wird. Viele Jahre kämpfte sie gegen den Bluttest bei Schwangeren zur Down-Syndrom-Erkennung als Kassenleistung. „Ich will nicht, dass wir aussortiert werden. Das ist so, als ob ich getötet werde,“ beschreibt Natalie Dedreux ihre Wahrnehmung der Pränatal-Diagnostik, die seit Juli tatsächlich Kassenleistung ist.

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Dedreux will Berührungsängste nehmen

Dedreux will schwangeren Frauen die Berührungsängste vor Menschen, die anders sind, nehmen: „Die sollen sich einfach trauen“, sagt Dedreux. In ihrem Buch, das jetzt erschienen ist, schreibt sie: „Wenn wir Menschen mit Down-Syndrom unterwegs sind, dann muss man keine Angst haben.“ Natalie Dedreux wuchs in Mülheim auf, wohnt aber schon seit zwei Jahren in einer WG im Linksrheinischen – gemeinsam mit zwei Studentinnen und ihrer Freundin Carola, die auch das Down-Syndrom hat. „Die Studentinnen helfen uns beim Wäschewaschen, und wir kochen immer zusammen“, erzählt Dedreux, der es wichtig ist, selbstständig zu sein.

Bei Mutter Michaela Dedreux in Mülheim hat sie noch immer ihr Zimmer mit dem Hochbett, das sie aber auch als Büro nutzt. Für Online-Konferenzen mit den Ohrenkuss-Kollegen. In ihrem Alltag hilft stundenweise eine Freizeit-Assistentin, die etwa bei Kino-Besuchen oder beim Bowling dafür sorgt, dass es mit dem Bezahlen auch klappt. Denn Rechnen ist nicht gerade Dedreuxs Lieblingsdisziplin. Ins Schwimmbad oder zu ihrem Freund Nico, der im Kölner Süden wohnt, fährt sie mit der KVB, „beim Radfahren verliere ich schon mal das Gleichgewicht“.

Das Buch

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Dedreux: Mein Leben ist doch cool, Knaur Verlag, 240 Seiten, 16, 99 Euro

Ihre Texte hat sie jetzt in einem Buch gebündelt, es gibt viele Kapitel zu jeweils einem Thema. Es geht um reundschaft, Geld, Soziale Medien, Corona oder das Festival Summer Jam. Aber auch um Klima, Sex und Schönheit. Dedreux hat ihr Buch mit Hilfe ihres Arbeits-Assistenten Wenzel Rehbach geschrieben. Er hat ihr dabei geholfen, die von ihr diktierten Texte zu Papier zu bringen. Vor allem in Sachen Gleichberechtiung im Berufsleben gibt es aus ihrer Sicht noch viel zu tun, etwa wenn es um die Vergütung der Arbeit von Menschen mit Behinderungen geht. „Wir verdienen nicht mal den Mindestlohn“, sagt sie. „Wie soll ich davon Miete bezahlen?“ Das Buch hat sie vor kurzem bei Bettina Böttinger im Kölner Treff vorgestellt. Und dabei wieder mit entwaffnender Klarheit und voller Lebensfreude klar gemacht, um was es ihr geht: „Wir sind auch da, wir wollen gehört und gesehen werden, und unser Leben ist auch cool.“ Und natürlich hatte sie auch bei diesem Termin zwei unterschiedliche Socken an.

www.nataliededreux.de