Ein Mahnmal an der Keupstraße soll an das Attentat vom 9. Juni 2004 erinnern. Doch der Bau dürfte noch Jahre dauern. Das sind die Gründe.
Attentat auf Kölner KeupstraßeDeshalb steht das Mahnmal 20 Jahre später immer noch nicht
Hoher Besuch hat sich zum 20. Jahrestag des Nagelbombenattentats auf der Kölner Keupstraße angekündigt: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kommt am 9. Juni nach Köln. Doch was auch 20 Jahre später fehlt, ist ein Mahnmal, das an die Menschen erinnert, die von der Bombe teils schwer verletzt worden sind. Wie kann das sein? Wie wichtigsten Fragen und Antworten.
Worum geht es?
An der Ecke Keupstraße/Schanzenstraße soll es ein Mahnmal geben, um an den Nagelbombenanschlag vom 9. Juni 2004 zu erinnern. Bei dem Anschlag des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) erlitten die Menschen laut Stadt „körperliche, materielle und psychische Schäden“. Zudem vermutete die Polizei die Täter zunächst im Umfeld der Betroffenen, die Verwaltung sagt: „Darüber hinaus wurden sie unmittelbar nach den Anschlägen als Täterinnen und Täter stigmatisiert.“ 2014 beschloss der Rat, ein Mahnmal zu planen, Ende 2016 wählte eine Jury den Entwurf des Berliner Künstlers Ulf Aminde aus.
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Wie ist das Mahnmal gestaltet?
Die Bodenplatte soll dasselbe Maß haben wie die Betonplatte des Friseurgeschäfts, vor dem die Nagelbombe damals explodierte. Per App können die Besucherinnen und Besucher laut Stadt ein virtuelles Gebäude errichten. Die verwendeten Bausteine sind aber Filme, sollen zur Auseinandersetzung mit Rassismus animieren.
Und warum steht das Mahnmal acht Jahre nach der Auswahl noch nicht?
Unter anderem, weil der vorgesehene Platz der Stadt nicht gehört. Zunächst war das Grundstück im Besitz einer Eigentümergemeinschaft um das frühere BAP-Mitglied Bernd Odenthal. Später kaufte die Düsseldorfer Gentes-Gruppe das Grundstück, 2021 einigte sie sich mit der Verwaltung darauf, dass sie eine Fläche am südöstlichen Ende des Areals für das Mahnmal zur Verfügung stellt. In der Pressemitteilung hieß es: „Neue Investoren ermöglichen Standort im Bereich Keupstraße/Schanzenstraße“ – allerdings erst nach Ende der Bauarbeiten. Gentes will dort 320 Wohnungen bauen, 30 Prozent davon öffentlich gefördert, also mit vergleichsweise günstigen Mieten. Zudem sollen Flächen für Handel und Büros entstehen.
Warum hat Gentes noch nicht angefangen zu bauen?
Ein wesentlicher Grund ist, dass noch Klagen vor dem Verwaltungsgericht offen sind und erst gelöst werden müssen. Neben Gentes plant die Nidya GmbH schon seit Jahren einen Hotelkomplex, sie rechnet laut eigener Aussage mit Kosten von bis zu 150 Millionen Euro. Dort sollen ein 5-Sterne-Sheraton-Hotel sowie ein 4-Sterne-Fairfield-Hotel entstehen. Das Sheraton soll über zehn Geschosse und 293 Zimmer verfügen, das Fairfield über sieben Geschosse und 195 Zimmer. Auch ein Versammlungssaal sowie Tagungsräume sind vorgesehen. Doch nachdem die Stadt Köln jeweils die Baugenehmigungen für die beiden Bauprojekte erteilt hatte, reichten sowohl Nidya als auch Gentes insgesamt vier Klagen vor dem Verwaltungsgericht Köln ein. Das bestätigte ein Gerichtssprecher.
Worum geht es in den Klagen?
Laut Gentes-Geschäftsführer Michael Kraus reichte Gentes die Klagen innerhalb der vier Wochen nach der Baugenehmigung ein, um seine Rechtsposition fristgerecht zu wahren. Er sagt: „Es muss sichergestellt sein, dass die beiden Projekte sich nicht gegenseitig beeinträchtigen. Die Baugenehmigungen dürfen keine Nachteile für das jeweils andere Bauprojekt haben.“ Ursprünglich sollten auf dem Gentes-Grundstück Büros entstehen und nicht Wohnungen, das hätte andere Lärmschutzwerte und Abstandsflächen bedeutet als beim Wohnbau. Unter anderem die jeweiligen Tiefgaragen sollen ein Streitpunkt gewesen sein. Das bestätigt Ali Aslan von Nidya, der sich von Anwalt Stefan Koch beraten lässt. Aslan sagt: „Die Klage erfolgte zunächst fristwahrend, um zuverlässige Kenntnis von Inhalt und Zustandekommen der Baugenehmigungen Gentes (Hochbau und Tiefgarage) zu erhalten.“
Ist eine Einigung in Sicht?
Laut der beiden Investoren: ja. Die Probleme sollen mittlerweile nahezu ausgeräumt sein. Aslan von Nidya sagt: „Wir sind zuversichtlich, dass eine Einigung bis Mitte Juni zustande kommen kann.“ Und Kraus sagt: „Wir arbeiten an einer nachbarrechtlichen Vereinbarung, damit alle Klagen fallen gelassen.“ Kraus ist aber skeptisch, dass diese Regelung bis zum 9. Juni steht.
Was bedeutet die angestrebte Einigung für das Mahnmal?
Dass seine Realisierung zumindest ein Stück näher rückt. Laut Kraus braucht Gentes ab Baubeginn zweieinhalb bis drei Jahre, um seine Gebäude fertigzustellen, danach könnte die Stadt die Fläche für das Mahnmal übernehmen und es errichten. Zu Gerüchten, Gentes wolle das Grundstück angesichts der Immobilienkrise verkaufen, sagt Kraus: „Wir sind immer angetreten, unsere Projekte selbst zu realisieren. Eine Partnerschaft ist möglich, aber es nicht angedacht, das Grundstück wild über den Markt anzubieten.“ Wann der Bau nach einer außergerichtlichen Einigung erfolgt, konnte Kraus nicht sagen, Gentes stehe aber zu all seinen Verpflichtungen. SPD-Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs sagt: „Ich sehe Gentes in der Pflicht, mit dem Bau loszulegen.“ Und Aslan sagt: „Wir begrüßen die Errichtung des Mahnmals ausdrücklich. Die Errichtung soll allerdings nicht auf dem Grundstück von Nidya erfolgt und entzieht sich deshalb deren Einfluss.“
Hat die Stadt denn Zugriff auf die Fläche für das Mahnmal?
Ja. Sie hat per sogenannter Dienstbarkeit im Grundbuch sichergestellt, „dass auch bei Weiterverkauf des Grundstücks die Stadt die Flächen für die Errichtung eines Denkmals nutzen kann“.
Was sagen die Menschen vor Ort?
Meral Sahin, Vertreterin der Interessenvertretung Keupstraße, sagt: „Das Mahnmal kommt jetzt an die Stelle, an der wir es haben wollten und wo es am besten funktioniert. Es war uns bewusst, dass es länger dauert an dieser Stelle, deshalb kann man sich jetzt nicht darüber wundern. Natürlich wünschen wir uns, dass die Umsetzung etwas beschleunigt wird. Aber wenn es seine Zeit braucht, dann braucht es die.“