Marcus Bensmann vom Recherchenetzwerk Correctiv war im Mülheimer Bürgerzentrum zu Gast, um vor rechtsextremen Kräften in Deutschland zu warnen.
Gegen RechtsextremeCorrectiv-Autor spricht in der Mülheimer „Müze“

Marcus Bensmann las im Mülheimer Bürgerzentrum Müze.
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Anfang 2024 veröffentlichte das Recherchenetzwerk Correctiv einen Artikel, der für reichlich Furore sorgte. Unter der Überschrift „Geheimplan gegen Deutschland“ ging es um ein Treffen von AfD-Politikern, Mitgliedern der CDU, Aktivisten der Neuen Rechten und finanzstarken Unternehmern in einer Villa in Potsdam, bei dem „nichts Geringeres als die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland“ besprochen wurde, wie es in dem Artikel heißt, und zwar aufgrund ihrer ethnischen Wurzeln. Von Plänen zur „Deportation von Millionen Deutschen“ berichtete etwa das „Heute-Journal“ noch am selben Abend.
In der Folge gingen in Deutschland Hunderttausende gegen den Rechtsextremismus und alle Forderungen nach einer „Remigration“ von Menschen ausländischer Herkunft auf die Straße. Inzwischen allerdings bezweifeln auch seriöse liberale Publikationen diese Darstellung: Das Wort „Vertreibung“ zum Beispiel sei auf der Veranstaltung gar nicht gefallen, viele Behauptungen im Correctiv-Artikel beruhten eher auf Interpretationen als auf Tatsachen.
Bensmann gehört zum Recherchennetzwerk Correctiv
Kürzlich war Correctiv-Mitarbeiter Marcus Bensmann, Rechtsextremismus-Experte des gemeinnützigen Recherchenetzwerks, das seine Arbeit über private Spenden und Zuwendungen von Institutionen und Stiftungen finanziert, in der Mülheimer „Müze“ zu Gast, um diesem Eindruck zu widersprechen. Für Bensmann ist die politische Lage durchaus dramatisch: „Wir befinden uns in der Dämmerung, und wir wissen nicht, ob der Tag anbricht oder die Nacht.“
Vor rund 30 Besuchern der Veranstaltung des Inter Kultur e.V., der sich die Förderung der gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Zuwanderungshintergrund zur Aufgabe gemacht hat, verwies der Journalist dabei auf Erkenntnisse, die er seit 2016 auf Parteitagen und Versammlungen der rechten Szene, sowie durch die Analyse von Büchern, Verlautbarungen und Programmen gewonnen hatte. Dazu gehören aber auch Äußerungen wie von Gastgeber Gernot Mörig, der laut Bensmann in Potsdam die „Remigration“ – ein Begriff, den AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel inzwischen ausdrücklich übernommen hat – als entscheidend für die Frage erklärte, „ob wir als Volk im Abendland noch überleben oder nicht“.
Völkisches Denken bei der AfD
Der Gedanke des Eigenen, das bedroht wird durch das Fremde, sei aber kennzeichnend für das völkische Denken, wie es sich bei dem NS-Staatsrechtler Carl Schmitt finde. Schmitt sei für die Erhaltung der Homogenität durch das Ausscheiden oder gar Vernichten des Heterogenen eingetreten, und Bensmann sieht Verbindungen zum Denken von Martin Sellner, dem früheren Sprecher der identitären Bewegung in Österreich. Für den „Hauptredner in Potsdam“ sei der zunächst harmlos klingende Begriff „Remigration“ nicht nur die Abschiebung von Menschen ohne Aufenthaltsrecht, sondern ein völkisch aufgeladenes Konzept, das auch auf „nicht-assimilierte“ Staatsbürger anwendbar sei: „Die Teilnehmer an der Runde sprachen explizit darüber, dass deutsche Staatsbürger mit Zuwanderungsgeschichte dazu gedrängt werden sollten, das Land zu verlassen.“
Für die Neue Rechte seien allerdings keine biologischen, sondern ethnisch-kulturelle Merkmale ausschlaggebend, so Bensmann. Ihr „Ethnopluralismus“ ziele auf die Separation der ethnischen Gruppen in Räumen ab, in denen universelle Begriffe wie Menschenwürde oder Rechtsstaatlichkeit keine Rolle mehr spielten: Werte, die „der Westen“ lange hochgehalten habe, die aber nun sogar in den USA unter Beschuss gerieten. Dazu passe auch die „Kremlunterwerfung“ der AfD.
„Wir müssen zeigen, dass unsere Gesellschaft so stark ist, dass sie die Demokratie erhalten kann“, sagte Bensmann. Eine Zuhörerin mit Migrationshintergrund gestand, dass sie sich bereits durch den Fünf-Punkte-Plan der CDU bedroht fühle. Marcus Bensmann mahnte: „Zwischen der CDU und der AfD gibt es große Unterschiede, die sollten wir betonen. Wir sollten nicht zu viele zu Nazis machen.“