Im Mülheimer Kulturbunker wurde kontrovers über Sichtbarkeit und Teilnahme von Menschen mit Mitgrationshintergrund im Karneval diskutiert.
Kontroverse Diskussion im Kulturbunker„Wie migrantisch ist der Kölner Karneval tatsächlich?“
Der Kölner Karneval versteht sich als großer Schmelztiegel, in dem die Herkunft keine Rolle spielt. Alle feiern gemeinsam, so die populäre Erzählung. Das Internationale als DNA einer seit jeher multikulturellen Stadt. „Su simmer all he hinjekumme, mir sprechen hück all dieselve Sproch“, singen die Bläck Fööss in ihrem Lied vom „Stammbaum“. Doch stimmt die Geschichte von der integrierenden Kraft des Karnevals wirklich? Wie migrantisch ist das Kölner Brauchtum tatsächlich?
Diese Fragen diskutierten die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion im Mülheimer Kulturbunker durchaus kontrovers. Geladen hatte der Verein „Globale Musik Köln e.V.“, der die Diskussionsreihe „Kölner Klänge“ organisiert und sich der Förderung der internationalen Musikszene verschrieben hat.
Teilhabe von Migranten sei gewollt, gelinge aber oft nicht
Doch gerade die sei im Kölner Karneval unterrepräsentiert, befand Jan Krauthäuser vom „Humba e.V.“: „Vielfalt wird in Köln als große Bereicherung wahrgenommen. Aber wenn es um die Fördertöpfe geht, wird es eng.“ Migranten träten höchstens im Vorprogramm auf, die Hauptshow bleibe in der Regel den Kölschrockern vorbehalten. Für Köln mit seinem 40-prozentigen Migrantenanteil sei dies peinlich. Doch den Entscheidern fehle der Mut, etwas Neues zu wagen.
Lorenz Deutsch, kulturpolitischer Sprecher der FDP-Ratsfraktion, attestierte dem Kölner Karneval insgesamt, noch immer „irgendwie homogen“ zu sein. Die Teilhabe von Migranten sei zwar gewollt, gelinge aber oft nicht. Die gebürtige Brasilianerin Myriam Chebabi von der „Immisitzung“ widersprach. Diese Einschätzung treffe vielleicht auf die Veranstaltungen des Festkomitees im Gürzenich zu, aber nicht für den Straßenkarneval. Es gebe viel Multikulti in der fünften Jahreszeit: „Die Frage ist, wie viel nehmen wir wahr?“
Weitaus skeptischer zeigte sich Glenda Obermuller vom Verein „Sonnenblumen Community Development Group“, der Menschen mit Migrationshintergrund unterstützt. Da sie schon Übergriffe von Männern erlebt habe, feiere sie nicht mehr mit. Die Deutschen zögen „ihr Ding“ durch: „Ich spüre dieses Willkommen nicht im Karneval“, so die aus dem südamerikanischen Guyana stammende Pädagogin.
Dies wollte unter anderem Bömmel Lückerath, Ex-Mitglied der „Bläck Fööss“, so nicht stehen lassen: „Wer Interesse hat am Karneval, ist willkommen.“ In Tanz- oder Musikgruppen etwa spielten Hautfarbe oder Nationalität keine Rolle. Auch Myriam Chebabi betonte: „Wichtig ist, dass die Migranten selbst sagen, dass sie mitmachen wollen.“ Glenda Obermuller sah es anders: „Ich kann nicht betteln, um mich willkommen zu fühlen.“ Manche Migranten hätten es zudem einfacher als andere. Es müsse mehr mit Zugewanderten über diese Probleme gesprochen werden.
Idealisieren wollte den Kölner Karneval keiner in der von Lale Akgün moderierten Runde. Doch es habe sich im Vergleich zu früheren Jahrzehnten auch einiges verbessert. Der Karneval sei lockerer geworden. Herabwürdigende Witze über Ausländer, Frauen oder Schwule gebe es heute auf den Bühnen viel weniger als früher. Und als integrative Kraft habe der Karneval auf jeden Fall ein „Riesenpotenzial“, so Jan Krauthäuser.