Angelika Wirges ist das Gesicht der Kita „Buntes Kinderland“ an der Keupstraße. Über 20 Jahre prägte sie das Geschehen der Einrichtung, jetzt geht sie in Rente.
„Wir vermitteln hier Solidarität und Respekt“Leiterin der Kita an der Keupstraße in Köln-Mülheim geht in Rente

Angelika Wirges und Magnus Ringhandt, Fachberater des AaK, vor dem provisorischen Mahnmal des Nagelbombenattentats in Köln
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Draußen auf der Keupstraße pulsiert das Leben, genau wie in dem Hinterhof, in dem die Kita liegt. Seit 2009 ist Wirges die Leiterin der Einrichtung hier, 2001 wechselte sie nach Mülheim. „Die Keupstraße ist wie Kreuzberg in Berlin, nur kleiner. Sie verändert sich stetig“, sagt sie. Für die Ehrenfelderin sei sie ein zweites Zuhause geworden. Wirges hat einen Blick darauf, was draußen auf der Keupstraße passiert.
Drogendealer vor der Tür verscheucht sie schon mal mit energischen Worten. „Ich sage, dass da Kinder seien und die das bitte woanders machen sollen, dann gehen sie auch immer.“ Als Leiterin sei sie eng mit der Bezirkspolizistin und Streetworkern verbunden. „Ohne Vernetzung geht gar nichts.“ Wie einige andere im Stadtgebiet liegt die Kita „Buntes Kinderland“ in der Trägerschaft des Arbeitskreises für das ausländische Kind (AAK).
Migrationsanteil der Kita in Köln-Mülheim liegt bei 95 Prozent
Ein großer Fokus liegt auf der Sprachförderung der Kinder, die aus so unterschiedlichen Nationen wie Vietnam, Irak, Türkei und Eritrea stammen. Der Migrationsanteil liege bei 95 Prozent. „Ein paar kölsche Kinder haben wir aber auch“, bekräftigt Wirges. Früher, sagt Magnus Ringhandt, Fachberater beim AAK, sei man davon ausgegangen, dass eine Gruppe zu 50 Prozent aus deutschsprachigen Kindern bestehen müsse, damit die andere Hälfte vernünftig Deutsch lernen könne.
„Dieses Narrativ wurde von vielen Trägern weitergegeben, ist aber Unsinn. Wichtig ist, dass die Kinder eine Sprache können – und wenn es ihre Muttersprache ist. Die zweite, auch deutsch, kommt dann obendrauf und lernt sich von selbst“, sagt er. In der Kita seien auch mehrsprachige Erzieherinnen und Erzieher angestellt. „Jeder ist individuell, aber gemeinsam sind wir stark“, sagt Wirges. Bei 17 Nationen und Kulturen in der Kita sei der Terminkalender ziemlich voll.
„Wir feiern hier alle Feste, ob Zuckerfest oder Sankt Martin. Und der Nikolaus kommt auch immer. Die Konfessionen spielen keine Rolle, wir erklären dann die Hintergründe des jeweiligen Festes und feiern gemeinsam“, sagt Wirges. „Die Kinder haben mit dem Multikulturellen sowieso kein Problem – und die Eltern auch immer weniger. Wir vermitteln hier Solidarität und Respekt.“
Die Kinder haben mit dem Multikulturellen sowieso kein Problem, und die Eltern auch immer weniger.
Wer sein Kind nicht in die kölsche Kultur integrieren wolle, melde es auch gar nicht hier an. Wirges verbindet viele schöne Erinnerungen mit der Kita. Doch auch eine besonders schlimme. Den Knall der Nagelbombe, die am 9. Juni 2004 nur wenige hundert Meter entfernt explodierte, hat Wirges noch immer in den Ohren. „Wir sind mit den Kindern da kurz vorher am selben Tag vorbeigegangen“, sagt sie.
Der Anschlag des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) ist nach wie vor präsent – nicht zuletzt, weil das provisorische Mahnmal, eine bemalte Mauer, gleich gegenüber der Kita steht. Als herauskam, dass die Ahnung, die die Betroffenen jahrelang hatten, richtig war; dass Nazis die Bombe in ihrer Mitte legten, war der Schock groß. „Die Polizei sagte uns, dass die Kitas des AAK ganz oben auf der Liste der Nazis standen“, schildert Ringhandt.
„Wir haben in der Folge versucht, den Eltern die Verunsicherung zu nehmen, dass sie ihre Kinder weiter ohne Risiko zu uns bringen können.“ Wirges ließ sich nicht unterkriegen, organisierte dreimal die Kinderbühne auf den Birlikte-Festivals mit. 2014 wurde der Spielplatz neben der Kita eröffnet, für den sie sich eingesetzt hatte. Über den werden die 30 Kinder, die die Einrichtung aktuell besuchen, sicher auch am kommenden Samstag toben, wenn das Abschiedsfest für Wirges steigt. Ganz trennen kann sie sich jedoch nicht von ihrer Berufung: „Ich werde weiter auf geringfügiger Basis in der Vorschulbetreuung arbeiten und ehrenamtlich in die Stadtteilkonferenzen mit anderen sozialen Trägern gehen.“ Rente, das ist nichts für Angelika Wirges.