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SpurensucheDer vergessene Hafen von Köln-Mülheim

Lesezeit 3 Minuten
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Hinter dem Industriedenkmal sind neue Wohnungen entstanden.

Mülheim – Die Brückenkonstruktion sieht aus, als stünde sie falsch im Wasser. 14 imposante Rundbögen zieren das Mülheimer Rheinufer, doch kaum einer weiß, was es mit dem auf den ersten Blick seltsamen Bauwerk auf sich hat.

Wenn man Glück hat, sitzt ein alter Mülheimer auf einer Parkbank in der Sonne, der Erklärungen anbieten kann. „Do weiß nit, wat dat he es?“, fragt ein Rentner zurück. „Dat wor die Werft vom Felten un Gillom.“

Wenn alte Kölner den Namen des ehemaligen Weltkonzerns aussprechen, bekommt er einen ganz besonderen Klang. „Felten und Guilleaume“ hat hier Kabeltrommeln auf Schiffe verladen. Gleise verbanden das Carlswerk an der Schanzenstraße – da wo heute vor allem Kultur und Medienwirtschaft zu Hause sind – mit dem imposanten Bauwerk am Rhein.

Sie führten über das Böcking-Gelände zur Schlackenbergwerft. So lautete der offizielle Name der Verladeanlage. Zwei große Kräne fuhren über die Bogenkonstruktion, um die zum Teil riesigen Kabeltrommeln auf die Rheinschiffe zu laden.

Die Schienen für die Kräne der Werft kann man noch sehen. Auch ein Teil des Geländers ist wohl noch historisch, genau wie drei Verbindungsstege. Der Rest ist Vergangenheit.

Wie der Mülheimer Hafen entstand

Die Anlage steht unter Denkmalschutz – als Erinnerung an die große Mülheimer Industriegeschichte, von der so wenig übrig geblieben ist. Man braucht viel Fantasie oder die vagen Erinnerungen der Zeitzeugen, um sich vorzustellen, was hier einmal los war. Schwerstarbeit statt Beschaulichkeit, Krach statt fast idyllischer Ruhe.

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Ab 1924 fuhren Kräne über die Brückenkonstruktion.

Entlang des Mülheimer Rheinufers sind viele schicke neue Wohnungen entstanden. Das Industriedenkmal dient heute der Naherholung.

Felten & Guillaume (F&G) hatte die Schlackenbergwerft 1924 in Betrieb genommen. Zuvor hatten sich zwei Dampfkräne, die einen Tretkran ersetzt hatten, an einer Kaimauer etwas weiter südlich auf Höhe der Krahnenstraße gedreht.

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Die Bögen der alten Hafenanlage.

Die Expansion von F&G verlangte nach einem neuen Werkshafen. Nach der Jahrhundertwende begann für das Unternehmen, das einst als kleiner Handwerksbetrieb gestartet war, eine faszinierende Erfolgsgeschichte. 1904 wurde das fast 8000 Kilometer lange Seekabel produziert, das Europa mit Nordamerika verband.

F&G stellte auch das erste Untersee-Hochspannungskabel her und lieferte Seilbahn-Seile in die ganze Welt. Seit 1910 stand ein eigener Hochofen am Rhein, der vom Fluss aus mit Rohstoffen versorgt wurde.

Als Standort für die neue Hafenanlage hatte man sich den Schlackenberg ausgesucht, ein Überbleibsel aus der Zeit, als Mülheims Industriegeschichte gerade begonnen hatte. Im 19. Jahrhundert wurde hier die glühende Asche aus Hochöfen in den Rhein gekippt. Tag und Nacht liefen die Anlagen der Firma Böcking, die Eisen für die aufblühenden Betriebe in der Nachbarschaft produzierten.

Mit Umweltschutz oder Luftreinhaltung hatte man damals nichts am Hut. Ruß und Staub wehten durch Mülheim, am Rheinufer entstand nach und nach ein Berg aus Schlacke.

Das Ende der Hafenanlage

Die Zeit der „Mülheimer Hütte“ währte jedoch nicht lang, 1896 kaufte F&G das Gelände. Aus dem Schlackenberg am Ufer wurde die firmeneigene Rheinwerft. Die Bezeichnung „Werft“ täuscht, denn Schiffe wurden hier nicht gebaut.

Keine Überreste, nur eine Gedenktafel erinnert an ein dunkles Kapitel dieses Ortes. Während des Zweiten Weltkriegs befand sich auf dem Werftgelände eine Baracke, in der bis zu 650 Zwangsarbeiter aus Russland, der Ukraine und Polen leben mussten. Sie waren aus ihrer Heimat verschleppt worden, um für die deutsche Rüstungsindustrie zu arbeiten.