Mysteriöses Paket in Köln-EhrenfeldMafia-Roman mit fehlenden Seiten gibt Rätsel auf
Köln-Ehrenfeld – Üblicherweise werden im Buchsalon Ehrenfeld lediglich Kriminalgeschichten verkauft. Nun aber ist die Buchhandlung von Martin Sölle in der Wahlenstraße selbst zum Tatort eines kuriosen Falles geworden. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Mitarbeiter Christian Schüler, die Deutsche und die griechische Post sowie ein Buch über die 'Ndrangheta, die kalabrische Mafia.
Ein Paket aus Griechenland
Die Story begann, so erzählt es Christian Schüler, vor einigen Wochen: Ein Paketbote kam mit einem Päckchen in die Buchhandlung, das dieses verschickt haben soll. An einen Empfänger in Griechenland, an den die Sendung jedoch nicht übergeben werden konnte. Gegen Geld sollte der Buchsalon das Paket nun wieder annehmen, „aber wir wussten von nichts”, so Schüler. Weder der 39-Jährige noch seine Kollegen hatten ein Buch nach Griechenland verschickt: „Das Päckchen war nicht von uns und wir dachten, damit wäre die Sache erledigt.”
Deutsche Post verlangt 50 Euro Lagergebühren
Die Deutsche Post allerdings sah das anders: Diese verlangte nach einem wochenlangen Schrift- und Telefonverkehr nun eine Lagergebühr von knapp 50 Euro. Dass der Buchsalon nicht der Auftraggeber der Sendung gewesen ist, davon konnten weder Christian Schüler noch sein Chef das Unternehmen überzeugen.
Also handelten sie mit der Post einen Deal aus, gegen eine Gebühr von zehn Euro würden sie das ominöse Päckchen entgegennehmen. Am 16. Mai kam der kleine Karton dann im Buchsalon Ehrenfeld an, mehrfach mit Klebeband umwickelt und so oft mit Etiketten überklebt, dass sich der Weg des Päckchens nicht zurückverfolgen ließ. Auch von der angeblichen Adresse des Empfängers war nicht mehr viel zu erkennen - lediglich, dass das Buch nach „Crete, Greece” verschickt worden war, also auf die griechische Insel Kreta, konnte noch entschlüsselt werden. Dann die brennende Frage: Was ist in dem Paket?
Buch mit herausgeschnittenen Seiten
Als Christian Schüler den Karton öffnete, fand er in diesem einen Roman - ausgerechnet über die reale Geschichte eines Auftragskillers, der für die kalabrische Mafia, die berüchtigte 'Ndrangheta getötet hatte: „Das Engelsgesicht” des Autors Andreas Ulrich. Ein Krimi in einer Buchhandlung - soweit, so normal. Allerdings zählt der am 7. September 2005 erschienene Roman nicht mehr zum aktuellen Bestand des Buchsalons, erhältlich ist der Titel meist nur noch als E-Book: „Ich habe mir schon vorher gedacht, dass da etwas nicht stimmt”, so Schüler, „aber als ich dann das Buch aufschlug, sah ich mich in dieser Annahme bestätigt.”
Wie einem alten Gangster- oder Spionagefilm waren nämlich einige der 272 Buchseiten mit einem Messer aufgeschnitten worden, sodass ein Hohlraum in dem Buch entstanden war. Perfekt, um etwas darin zu schmuggeln - Dokumente, Hehlerware, ein Handy oder Drogen. Auf der nächsten intakten Seite des Buches ist von einem Geschäft mit Kokain die Rede - purer Zufall oder der versteckte Hinweis eines Täters, der den Behörden eine lange Nase machte? Schließlich würde auch die Wahl des Titels von einem gewissen Humor und einer schelmischen Begabung für Ironie zeugen. Oder ist die Ironie noch düsterer Natur? Immerhin handelt der Tatsachenroman von einem Mafia-Killer, der vor Gericht sein Schweigen brach, damit gegen die Omertà, die Schweigepflicht der Mafiosi verstieß und seitdem als „Pentito” - Geständiger - auf der Abschussliste steht. Für die meisten Handfeuerwaffen wäre der Hohlraum im Buch zwar zu klein, aber mit dem richtigen Kaliber, könnte das schon passen...
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Zurück zu den Fakten: Nachdem Christian Schüler das Buch mit einem Schmunzeln inspiziert hatte, wandte er sich an das Ehrenfelder Polizeistation. Er schilderte den Beamten, was passiert war und was er vermutete. Die Polizisten aber nahmen keine Ermittlungen auf - da das Buch leer war, lag kein Straftatbestand vor, das „Corpus delicti” könne entsorgt werden: „Dabei wäre es aber sicherlich spannend gewesen, den Weg des Buches zurückzuverfolgen”, sagt Schüler, der mit seinen Kollegen inzwischen eine eigene Theorie zum Geschehen entwickelt hat: „Wir gehen davon aus, dass der Absender Drogen oder Hehlerware in dem Päckchen geschmuggelt hat und sein Komplize bei der Griechischen Post arbeitet. Dadurch konnte der Komplize das Paket abfangen, den Inhalt herausnehmen und es weiter- beziehungsweise zurückschicken.”
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Ein Buch in einem Paket, bei dessen Absender es sich vorgeblich um eine Buchhandlung handelt, wäre für ein derartiges Unterfangen schließlich die perfekte Tarnung. Warum dann aber der Buchsalon Ehrenfeld für das zwielichtige Geschäft herhalten musste, bleibt offen. Generell sind noch viele Fragen unbeantwortet: Was wurde in dem Buch transportiert, steckt vielleicht sogar die Mafia selbst dahinter und warum wählte der Täter einen Titel, der nicht mehr regulär erhältlich ist? Das fragt sich auch Christian Schüler: „Beim nächsten Mal kann der Schmuggler gerne zu uns kommen und sich ein Buch empfehlen lassen”, sagt der 39-Jährige lachend, „dann könnten wir den Titel wenigstens entsprechend bewerben.”