Nach der FlutDas große Aufräumen in Köln und die Sorge vor der nächsten Welle
Köln – Die Fenster des „Kiosk 2“ sind von innen mit Zeitungspapier verhängt, manche stehen auf Kipp, durch den Spalt dringt an einem Vormittag dieser Woche Modergeruch ins Freie. Vor 31 Tagen stand der kleine Laden an der Ecke Subbelrather Straße/ Teichstraße in Bickendorf knapp einen Meter unter Wasser. Die matschige Brühe ist längst abgeflossen, aber der Kiosk hat seitdem nicht mehr geöffnet. Immer wieder bleiben Anwohner stehen und lesen den Zettel an der Eingangstür: „Wir hoffen, schnellstmöglich wieder für euch da sein zu können“.
Zwei Menschen starben wegen des Unwetters in Köln
Eine Stammkundin erspäht eine Mitarbeiterin des Lädchens auf der anderen Straßenseite. „Wann macht ihr wieder auf?“, ruft die Kundin. „Ich habe immer Süßigkeiten bei euch gekauft.“ Die Verkäuferin lächelt. „Dauert noch ein bisschen.“
Im Vergleich zu Nachbargemeinden im Erftkreis und an der Ahr hat das Unwetter Köln im Juli nahezu verschont. Aber auch hier kämpfen Menschen bis heute mit den Folgen. Familien und Freunde trauern um einen 54 Jahre alten Mann aus Longerich und um eine 72 Jahre alte Frau aus Bocklemünd, die an jenem Abend des 14. Juli in ihren Kellern gestorben sind. Der Mann hatte womöglich einen Herzinfarkt erlitten, die Rentnerin einen Stromschlag.
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Rund um die Teichstraße in Bickendorf liefen Keller und Parterrewohnungen voll, auf den Gehwegen stapelte sich in den Tagen danach durchnässter Hausrat, Möbel, kaputte Elektrogeräte. Tagelang war der Strom abgeschaltet. Der ist mittlerweile wieder da, den Schutt hat die AWB beseitigt, die vorerst letzte Fuhre sei diese Woche weggeschafft worden, berichtet Detlef Nitz. Er wohnt an der Subbelrather Straße, die in Höhe der Teichstraße in einer Senke verläuft.
Hier hatte sich in jener Nacht das Wasser gesammelt. Die Keller sind weitgehend gereinigt, wenn auch noch nicht vollständig getrocknet. Manche Anwohner warten noch auf Gutachter und schlagen sich mit ihren Versicherungen herum bei der Frage, wer welchen Schaden begleicht. Zwei zentrale Fragen treibt die Menschen hier um: Auf welchen Kosten bleiben wir sitzen? Und: Wie lässt sich vermeiden, dass sich so etwas wiederholt?
Anwohner in Bickendorf fühlen sich alleine gelassen
Man fühle sich auf verlorenem Posten, sagt Nitz. „Jeder bastelt sich gerade irgendwie etwas. Ein Betrieb um die Ecke hat sich Hochwasserschutz-Tore besorgt, wie man sie vom Rhein kennt, die haben die sich jetzt griffbereit in die Garage gestellt.“ Wichtiger wäre in seinen Augen etwas anderes: „Die Stadt muss einen Krisenstab einberufen, der sich um die Prävention kümmert“, fordert er. Der zum Beispiel den Einbau von zusätzlichen Drainagen im Kanalsystem beschließen könnte, vielleicht sogar eine Anhebung des Straßenniveaus. Mindestens aber eine regelmäßige und gründliche Reinigung der Abflüsse. Die, sagt Nitz, seien nämlich schon wieder oder immer noch stark verdreckt.
Mindestens ebenso hart wie die Bickendorfer hat es im Juli die etwa 50 Bewohner des Haus Haan in Höhenhaus getroffen. Die mitten in der Natur gelegene Anlage mit Wohnungen und Einfamilienhäusern an der Grenze zu Dünnwald ist eine Wasserburg und ein ehemaliges Rittergut aus dem 13. Jahrhundert.
Ganze Wohnanlage innerhalb von 15 Minuten geflutet
An diesem Morgen Mitte August schlängelt sich der Mutzbach in einem 20 Zentimeter breiten und kaum fünf Zentimeter tiefen Rinnsal durch den Wald und tröpfelt am Ende in den Wassergraben, der Haus Haan umgibt. Am Abend des 14. Juli trieb der Mutzbach Wassermassen in die Wohnanlage, zugleich strömte Grundwasser aus dem Kanal in die Erdgeschosswohnungen. „Wir wurden in 15 Minuten geflutet“, erzählt ein Anwohner, der nicht mit Namen in der Zeitung stehen möchte. „Es war eine große Welle. Wir hatten keine Chance.“
In seine Wohnung drängte das Wasser von drei Seiten: von unten aus dem Keller, von hinten aus dem Garten und mitten im Wohnzimmer aus dem Kamin. Der Mann, seine Frau und die kleine Tochter konnten sich unverletzt retten. Ihre Wohnung wird gerade kernsaniert, die Familie hofft, dass sie bis Weihnachten zurückkehren kann. Vorerst ist sie bei einem Nachbarn aus dem ersten Stock untergekommen, der dafür zu Freunden gezogen ist.
„Die gegenseitige Unterstützung und der Zusammenhalt hier ist unheimlich intensiv“, berichtet Walter Henning. Seine Parterrewohnung, in der er mit seiner Frau lebt, stand zwar nur knöchelhoch unter Wasser, weil die massive Eingangstür viel abgehalten hatte „ und weil wir den ganzen Abend lang Wasser mit Eimern abgeschöpft haben“. Aber auch Henning und seine Frau müssen die nächsten Monate woanders wohnen, bis ihre eigene Wohnung wieder hergerichtet ist.
Plötzliche Flutwelle in Höhenhaus gibt weiter Rätsel auf
Auch die Menschen im Haus Haan treibt neben den Renovierungen und den unklaren Kosten vor allem die Frage nach der Prävention um. Dass der Mutzbach die alleinige Ursache für die Überflutung war, glauben hier die wenigsten. Stattdessen geht das Gerücht um, irgendjemand habe das Regenrückhaltebecken bei Dellbrück geöffnet. „Wir werden es vielleicht nie erfahren“, sagt Henning. Bald steht ein Infoabend an, veranstaltet von der CDU im Ort. Ob es dort Aufschluss geben wird über die Ursache und Präventionsmaßnahmen für die Zukunft? Henning zieht wortlos die Schultern hoch. Das soll wohl bedeuten: Vielleicht. Eher nicht.