Am 7.Mai 1999 explodierte auf dem Rhein bei Worringen das niederländische Tankschiff Avanti beim Beladen mit einem Benzinprodukt.
Zwei Menschen starben, zehn wurden zum Teil schwer verletzt.
Lässt sich solch ein Unglück für die Zukunft ausschließen? Welche Vorsichts- und Sicherheitsmaßnahmen gibt es in Köln?
Köln – Von oben betrachtet, ist Köln eine der gefährlichsten Städte in Europa. Sie liegt inmitten eines Minenfeldes. Umgeben von einem vielstrahligen Pipeline-Gürtel mit Kerosin und anderen Kraftstoffen, durchpulst von Chemietransporten auf Schiene und Straße, fließt mitten durch die Stadt auch noch die europäische Wasserstraße Nummer eins, und darauf werden jährlich rund 48 Millionen Tonnen allein an Gefahrgütern transportiert: Explosives, Ätzendes, Giftiges, Selbstentzündliches.
Dazu kommt: Köln hat nach Duisburg den zweitgrößten Binnenhafen Deutschlands. Wie sicher ist der? Ist es möglich, dass in einem Lagerhauswinkel mal eben eine Partie von 2750 Tonnen Ammoniumnitrat in die Luft gehen?
In den Kölner Häfen wurden 2019 insgesamt 3795 Schiffe mit Gefahrgutladung registriert, teilen die Häfen und Güterverkehr Köln AG als Eigentümer und die Rheincargo als Betreiber der Kölner Häfen mit. Neben entzündlichen Stoffen werden in den Häfen Säuren, Laugen, chemische Erzeugnisse umgeschlagen. Auch Düngemittel. „Aber die werden hier nicht gelagert, sondern sofort weitertransportiert“, erklärt HGK-Sprecher Christian Lorenz. Dabei stelle die HGK selbst lediglich die Hafenlogistik zur Verfügung. „Wir können also nur Aussagen zum Transport und Umschlag in den Häfen treffen“, erklärt Lorenz. Die im Hafen ansässigen Unternehmen sind allerdings verpflichtet, detailliert Buch zu führen. Laut HGK sei aber die Lagerung von Gütern überhaupt nur für vereinzelte Unternehmen ein Thema.
Engmaschiges Kontrollnetz soll Köln schützen
Auf dem Papier bildet sich für die Häfen ein engmaschiges Sicherheits- und Kontrollnetz ab. Transport und Umschlag von Gefahrgütern würden regelmäßig durch Wasserschutzpolizei und Hafenbehörde kontrolliert, so die HGK, vom Zoll, von den Gefahrgutbeauftragten der HGK bzw. Rheincargo selbst und von den Gefahrgutbeauftragten der im Hafen ansässigen Unternehmen. Viele Kontrollen erfolgten stichprobenartig.
Robert Pyrkosch, Gefahrgutbeauftragter der Rheincargo, schätzt die Gefahr, dass in einem der Lager in den Häfen undeklarierte gefährliche, ja explosive Stoffe lagern, als äußerst gering ein. „Wir führen über ein engmaschiges Kontrollsystem genau Buch, was angeliefert wird und wann es auf welchem Wege die Häfen verlässt. Die Unternehmen, die auf dem Hafengelände niedergelassen sind, haben eigene Gefahrgutbeauftragte, die für die ordnungsgemäßen Abläufe zuständig sind. Dazu kommen stichprobenartige Kontrollen von Zoll und Eisenbahnbundesamt. Ich kann mich nicht an Fälle erinnern, an denen gefährliche Güter in unsere Häfen eingeschleust wurden oder Unfälle durch nicht deklarierte Güter verursacht wurden.“
Im Niehler Hafen I werden Gefahrgüter nur auf eigens ausgerüsteten Flächen „geparkt“, bevor sie auf Schiff oder Schiene umgeladen werden. Im Godorfer Hafen – der größte Chemiehafen Europas – werden in den drei Becken jährlich 4400 Schiffe abgefertigt. Bis zu 15 Tankschiffe können gleichzeitig anlegen. In Godorf werden die Flüssiggüter auch gar nicht gelagert, sondern direkt über Pipeline-Systeme zu den dort ansässigen Werken transportiert. Im Hafen Niehl II, der auch als Ölhafen bezeichnet wird, werden vor allem Flüssiggüter der Chemie umgeschlagen. Und was ist mit den abertausenden Containern? „Die dürfen höchstens 48 Stunden im Hafen bleiben“, sagt Marcel Lobeck vom Bundesverband Öffentlicher Binnenhäfen. „Und wir wissen genau, was in diesen Behältern ist, weil die Frachtpapiere darüber Auskunft geben müssen.“
Risiken und Unfälle auf dem Rhein
Kann es bei den vielen Containern nicht sein, dass etwas nicht deklariert wird? „Wir können das zu über 90 Prozent ausschließen“, so Lobeck. „Aber natürlich kann es sein, dass jemand mit krimineller Energie es schafft, durch sämtliche Kontrollen zu schlüpfen.“
Und doch gibt es Risiken und Unfälle mit gefährlichen Gütern auf dem Rhein. Laut Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt wurden 2019 immerhin 202 Unfälle in der Berufsschifffahrt auf dem Rhein registriert: 59 Schiffe fuhren sich fest, 20 Kollisionen gab es, auch mit Tanklastschiffen. Im Mai 2019 bei Dormagen flossen dabei 2000 Liter Öl aus; im Dezember eine Kollision bei Speyer, im Februar 2020 eine bei Biebesheim. Laut dem Vorsitzenden der Schadenverhütungskommission der Internationalen Vereinigung des Rheinschiffsregisters (IVR), Ronald Koops, geht aus den Statistiken der Versicherer hervor, dass 75 Prozent der Unfälle auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen sind.
Als in Köln ein Tankschiff explodierte
Welche Risiken Gefahrguttransporte bergen, zeigt die Nacht auf den 7. Mai 1999. Da explodierte auf dem Rhein bei Worringen das niederländische Tankschiff Avanti beim Beladen mit einem Benzinprodukt. Zwei Menschen starben, zehn wurden zum Teil schwer verletzt. Die gewaltige Detonation war selbst in der Kölner Innenstadt noch zu hören.
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Auch für den Laien sind Gefahrgutschiffe leicht zu erkennen. Im bundeseigenen Mülheimer Hafen liegen die Kegelschiffe. Christian Hellbach vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt in Köln erklärt das Reglement. Mit einem Kegel am Heck des Schiffes werden entzündbare Stoffe gekennzeichnet. Mit zwei Kegeln gesundheitsschädliche Stoffe; mit drei Kegeln: explosive Stoffe. Alle Schiffe, die auf dem Niederrhein unterwegs sind und Gefahrstoffe transportieren, so Hellbach, müssen beim Duisburger Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt ihr Gefahrgut und ihre Fahrtroute (Start-und Zielhafen) melden. Bei den meisten Gefahrgütern, so Hellbach, handelt es sich um Diesel (kein Kegel) oder Benzin (ein Kegel). Transporte mit drei Kegeln finden so gut wie nicht statt.
Deutschland ist nicht der Libanon, ist immer wieder zu hören. Allein die enormen Kosten für Lagerung würden verhindern, dass ein Posten jahrelang liegen bleibe. Dazu komme das umfangreiche europäische Regulierungswerk. Man möchte es gerne glauben. Und erinnert sich dann doch an 390.000 Liter Öl, die jahrelang aus einer Leitung der Shell-Raffinerie Köln-Godorf sickerten. Ein gewisses Restrisiko bleibt halt immer.