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Neue MascheWie Werner S. und sein Enkel zwei falsche Polizisten in die Flucht trieben

Lesezeit 5 Minuten
Werner S. und Dominik

Enkel und Opa: Dominik wohnt derzeit bei seinem Großvater. Das war das Glück von Werner S.

  1. Die Polizei spricht von einer „absolut neuen“ Vorgehensweise: Mit einer kaum bekannten Dreistigkeit und hoher krimineller Energie haben sich zwei falsche Polizisten Zugang zur Wohnung des 92-jährigen Werner S. verschafft.
  2. Doch die beiden Männer hatten nicht mit Enkel Dominik gerechnet.

Köln – Die Täter haben ihn wohl zufällig auf der Straße erspäht, wahrscheinlich irgendwo auf seinem Weg von der Arztpraxis in Mülheim zur Apotheke. Ein alter Mann mit Rollator, leicht gebückte Haltung, humpelnder Gang – Werner S. muss den Männern in diesem Moment wie das perfekte Opfer erschienen sein.

Sie verfolgen den 92-Jährigen unbemerkt bis zu einem Mehrfamilienhaus an der Neustraße, eine ruhige Seitenstraße ein paar Meter vom Rhein entfernt. S. schließt die Haustür auf, er will seinen Rollator die zwei Stufen hoch in den Flur hieven, als die Täter zum Angriff übergehen. „Plötzlich kamen sie von hinten angerannt, schubsten mich an der Schulter und zeigten mir einen Polizeiausweis“, erinnert sich S. „Wir sind gerufen worden, hier ist was passiert“, ruft einer der beiden.

Polizei spricht von neuer Vorgehensweise

Am Mittwoch vergangener Woche war das, 10.45 Uhr. Nur ein paar Minuten später verlassen die Männer das Haus wieder – überstürzt und ohne Beute. Sie hatten nicht damit gerechnet, in der Wohnung auf Dominik (18) zu treffen, den Enkel von Werner S. Eine halbe Stunde später aber haben sie mit ihrer Masche in Porz-Eil Erfolg. Ihr Opfer: eine 86 Jahre alte Frau. Ihre Beute: ein Umschlag mit Erspartem.

Die Polizei spricht von einer „absolut neuen“ Vorgehensweise. „Die kannten wir so bisher nicht“, bestätigt Hauptkommissar Joachim Ludwig, bei der Kripo zuständig für Straftaten gegen Senioren. Dass Betrüger Rentner anrufen, sich als Polizisten ausgeben und ihre Opfer auf perfide Weise dazu bringen, tausende oder zehntausende Euro herauszugeben, ist schon länger bekannt – die Täter sind nach wie vor sehr erfolgreich mit dieser Masche. Dass falsche Polizisten aber mit List und Gewalt in Häuser und Wohnungen eindringen, ist bislang nur zweimal passiert: in Mülheim und in Porz-Eil. Die Polizei fürchtet nun, dass die Täter erneut zuschlagen könnten.

Werner S. 2

Die falschen Polizisten verfolgten den 92-Jährigen unbemerkt bis zu einem Mehrfamilienhaus.

Nachdem die angeblichen Zivilpolizisten an Werner S. vorbei ins Treppenhaus geeilt sind, verschwinden sie zunächst aus seinem Blickfeld. Der 92-Jährige stellt seinen Rollator hinter der Haustür ab und steigt die Stufen zu seiner Wohnung hinauf. Er zieht den Schlüssel aus der Tasche, da tauchen die Männer erneut auf. Einer nimmt ihm den Schlüssel ab. „Sie bleiben draußen!“, befiehlt der eher kleine Mann mit dem dunkelbeigen Mantel und der Schirmmütze auf dem Kopf. „Ich gehe zuerst rein.“

Während sein etwas größerer und korpulenterer Komplize neben Werner S. stehen bleibt, zückt der Kleinere eine Pistole und betritt den Flur der Wohnung. „Kommen Sie raus! Hier ist die Polizei!“ hört S. den Mann mehrfach rufen. Suchen die Polizisten etwa nach einem Einbrecher in seiner Wohnung?, fragt er sich. Viel Zeit nachzudenken, ob hier gerade alles mit rechten Dingen zugeht, hat Werner S. nicht. „Typisch für solche Delikte ist, dass die Täter ihre Opfer überrumpeln“, erklärt Hauptkommissar Ludwig.

Werner S. hat nie Wertsachen in der Wohnung

In Windeseile durchsucht der falsche Polizist mit der Schirmmütze die Wohnung nach Beute. Im Wohnzimmer zieht er mehrere Schubladen aus einem Schrank und verteilt den Inhalt auf dem Boden. Für S. soll gleich alles so aussehen, als hätte hier tatsächlich ein Einbrecher gewütet. Und wenn S. nachschauen will, ob seine Wertsachen noch da sind, führt er die Täter damit nichtsahnend zur Beute – das ist der Plan.

Dominik

Enkel Dominik schlief noch, als sich die falschen Polizisten Zugang zur Wohnung verschafften.

Aber S. hat nie Wertsachen in der Wohnung. „Die hätten hier gar nichts finden können“, erzählt er Tage später in seiner Küche. Während die Reporter am Tisch Platz nehmen, will der 92-Jährige lieber stehen bleiben. „Besser so“, sagt er, „ich muss mich bewegen.“ Seit 1947 lebt er in Köln, hat zehn Jahre als Maurer gearbeitet und war dann 34 Jahre Busfahrer bei den Kölner Verkehrs-Betrieben. Im Zweiten Weltkrieg geriet er in Gefangenschaft. „Ich habe so viel erlebt“, sagt er und winkt ab, „vor den beiden Betrügern hatte ich keine Angst. Denen hätte ich mal besser ein Beinchen gestellt, als sie abgehauen sind.“

Dann ergriff der falsche Polizist die Flucht

Dennoch sei er froh gewesen, dass sein Enkel Dominik in der Wohnung war. Der 18-Jährige wohnt zurzeit bei seinem Großvater. Er schlief in einem hinteren Zimmer im Bett, als der Betrüger die Tür öffnete. Dominik schreckte hoch. Geistesgegenwärtig rief der Täter: „Polizei, alles okay bei Ihnen?“ – dann ergriff er die Flucht.

Die Polizei fahndet jetzt nach den beiden Männern. Hauptkommissar Joachim Ludwig hält es für wahrscheinlich, dass sie nicht aus Köln stammen und ihre nächsten Taten womöglich anderswo begehen könnten. „Bei Straftaten gegen Senioren haben wir es meistens mit mobilen Tätern zu tun, die bundesweit agieren.“

Dominik S., der Mittwoch um 10.45 Uhr für gewöhnlich in der Schule sitzt, ist im Nachhinein froh, dass er ausgerechnet an jenem Tag verschlafen hatte. „Es war ja der Tag nach Karneval“, sagt er und hebt lächelnd die Schultern. „Ich war noch ein bisschen müde.“

Wie sie sich schützen können

Die falschen Polizisten in Porz und Mülheim haben ihre Opfer bewusst überrumpelt und bei der Tat Hektik vorgetäuscht, um den Rentnern keine Zeit zum Nachdenken zu lassen. Die Polizei empfiehlt, in solchen Situationen beim leisesten Zweifel den Notruf 110 zu wählen, seinen Namen und die Adresse zu nennen und zu fragen, ob unter der Anschrift gerade ein Einsatz läuft. „Wenn Sie richtige Polizisten vor sich haben, werden die Kollegen abwarten, bis Sie den Anruf gemacht haben. Betrüger werden eher die Flucht ergreifen“, sagt ein Polizeisprecher. Zeigen die Täter einen gefälschten Dienstausweis, sollte man sich den Ausweis gründlich ansehen und im Zweifel unter der 110 die Namen der angeblichen Polizisten überprüfen lassen. (ts)