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Neujahrsbrunch für Wohnungslose in Köln„Dadurch, dass wir ‚wilde Menschen‘ sind, werden wir auch als solche wahrgenommen“

Lesezeit 4 Minuten
Der 30-jährige Eric posiert für das Foto.

Der 30-jährige Eric, Straßenname 'Eazy', ist wohnungslos. Er ist auf Hilfsangebote wie den Neujahrsbrunch des Vereins 'Heimatlos in Köln' in der Stadthalle Köln-Mülheim am Dienstag angewiesen.

Der Neujahrsbrunch des Vereins „Heimatlos in Köln“ in Köln-Mülheim hat ein Stück Normalität für wohnungslose Menschen ermöglicht. Abseits von vielen alten und neuen Problemen.

In der Stadthalle Köln-Mülheim wurde am Dienstagmittag ordentlich aufgetischt: Am Buffet stehen unter anderem Entenragout, Drillingskartoffeln, Bratwürstchen, Mettbrötchen, Softdrinks, Malzbier, Kaffee und Kuchen zur Auswahl. Bezahlen müssen die Gäste nichts.

Denn der Neujahrsbrunch, zu dem der gemeinnützige Verein „Heimatlos in Köln“ geladen hatte, ist ein Angebot für Menschen, die nichts oder nicht viel haben. Obdachlose. Wohnungslose. Arme.

Beim Neujahrsbrunch gab es Entenragout mit Kartoffeln für wohnungslose und arme Menschen.

Beim Neujahrsbrunch gab es Entenragout mit Kartoffeln für wohnungslose und arme Menschen.

Menschen wie den 30-jährigen Eric, der auf der Straße Eazy genannt wird. Bis zum Jahreswechsel hat er „Platte gemacht“, auf der Straße geschlafen, erzählt er. Inzwischen kann er bei einer Freundin übernachten. Eigene vier Wände hat er aber noch nicht.

Angebote wie der Neujahrsbrunch in der Stadthalle bedeuten Eazy deshalb viel. Es ist ein Stückchen Normalität in dem schwierigen Leben auf der Straße. Ein warmes Essen mit netten Leuten. Auf Augenhöhe.

Wie die Gesellschaft mit wohnungslosen und obdachlosen Menschen umgeht, ist Eazy ein Dorn im Auge. Er vergleicht es mit Haustieren: „Zu einem Hund, der ein Zuhause hat, der ein Herrchen hat, der erzogen ist, hat man eine andere Beziehung als zu einem Streuner.“

Einstellung gegenüber Wohnungslosen muss sich ändern

„Dadurch, dass wir ‚wilde Menschen‘ sind, werden wir auch als solche wahrgenommen“, findet Eazy. Für den 30-Jährigen ist diese Unterscheidung „sehr verachtenswert“, denn wohnungslose Menschen hätten genauso Respekt wie andere verdient.

Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer haben sich beim Neujahrsbrunch um die Essens- und Spendenausgabe gekümmert.

Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer haben sich beim Neujahrsbrunch um die Essens- und Spendenausgabe gekümmert.

Die Einstellung der Menschen zu Obdachlosen müsste sich ändern, Vorurteile müssten abgelegt werden. „Wir sind immer diejenigen, die mit Drogensucht oder Alkoholsucht in Verbindung gebracht werden“, so Eazy. Viele konsumieren die Suchtmittel aber nicht zum Genuss, sondern um überhaupt ein Auge zubekommen zu können.

Vorurteile und fehlender Respekt sind aber nur ein Teil der vielen Probleme, mit denen die wohnungslosen und armen Menschen in Köln konfrontiert werden. Auch sie trifft die durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgelöste Inflation. Und das nach zwei Jahren Coronapandemie, die Hilfsangebote für Wohnungslose wie den Neujahrsbrunch gar nicht oder wenn nur stark eingeschränkt möglich machte.

Der 58-jährige Günter, der gemeinsam mit seinem Freund Friedrich Körner bei Eazy am Tisch sitzt, lebt zwar nicht auf der Straße, ist aber auf Unterstützung von Initiativen wie Heimatlos in Köln angewiesen. „Ich weiß nicht, wie ich einkaufen soll“, sagt er. Umso dankbarer ist er für die Portion Entenragout mit Kartoffeln. Trotzdem würde er sich mehr Unterstützung für arme und wohnungslose Menschen von der Politik wünschen.

Heinz-Günter Kayser, Friedrich Körner und Ulli (v. l.) beim Neujahrsbrunch von Heimatlos in Köln.

Heinz-Günter Kayser, Friedrich Körner und Ulli (v. l.) beim Neujahrsbrunch von Heimatlos in Köln.

Die 42-jährige Ulli ist in einer ähnlichen prekären Situation wie ihre Tischnachbarn. Sie lebt zwar ebenfalls gerade noch in einer Wohnung. Aber wie lang das sein wird, ist unklar. Sie hat dort mit ihrem Freund zusammengewohnt – der ist jedoch Ende August 2022 verstorben. Nun übersteigt ihre Wohnung ihr Budget. Bezahlbaren Wohnraum in Köln zu finden, ist aber nicht so leicht. Ulli nimmt es auf die leichte Schulter. „Wird schon – muss ja!“, sagt sie.

Aber auch die 42-Jährige spürt die Folgen der Inflation – auch indirekt: „Die Leute können ja nicht mehr so viel spenden, alle haben Angst, dass sie ihre Stromrechnung, ihre Gasrechnung, nicht mehr bezahlen können. Du merkst das auch, wenn du auf der Straße schnorrst, das ist schon ein großer Unterschied“.

Weniger Spenden durch Inflation

Etwas, was Linda Rennings ebenfalls bemerkt. Sie ist die Gründerin von Heimatlos in Köln und mit ihrem Team verantwortlich für den Neujahrsbrunch an diesem Dienstag. Sie beobachtet einen „erheblichen Spendenrückgang“. Geld- und Sachspenden sind weniger geworden, aber auch Spendenaufrufe in den sozialen Medien werden nicht mehr so viel geteilt. Rennings befürchtet, dass die Zahl der Wohnungslosen zunehmen und die Armut sichtbarer werden wird.

Linda Rennings (l.) und Franco Clemens engagieren sich mit dem Verein Heimatlos in Köln für Wohnungslose.

Linda Rennings (l.) und Franco Clemens engagieren sich mit dem Verein Heimatlos in Köln für Wohnungslose.

Franco Clemens, Streetworker und Mitarbeiter im Verein von Linda Rennings, glaubt, dass dadurch Armutskonkurrenz entstehen könnte – arme Menschen hätten Sorge, dass andere arme Menschen ihnen die Unterstützung „wegnehmen“. Die Zahl der Bedürftigen hätte auch schon spürbar zugenommen. „Armut und Not müssen weiter politisch priorisiert werden“, ist sich Clemens sicher.

Linda Rennings freut es trotz der eher negativen Aussichten umso mehr, dass rund 80 Menschen am Dienstag zum Neujahrsbrunch gekommen sind. „Es geht darum, den Leuten ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern“, sagt Linda Rennings. Und das fängt mit einem respektvollen Umgang auf Augenhöhe an.