Die Personalnot in einer Kita in Bilderstöckchen hat sich so zugespitzt, dass täglich weniger als die Hälfte der Kinder betreut werden kann.
Rotation wegen PersonalnotKölner Kinder dürfen nicht mehr täglich in ihre Kita kommen
Personalengpässe bis hin zum Notstand gehören inzwischen in vielen Kölner Kindertagesstätten zum Alltag. Mal müssen Betreuungszeiten gekürzt werden, weil Erzieherinnen und Erzieher fehlen, mal bieten Einrichtungen den Eltern grundsätzlich nur noch 35 statt 45 Betreuungsstunden pro Woche an. Doch wie sich die Situation seit November 2022 in der städtischen Kita Escher Straße in Bilderstöckchen zuspitzt, empfinden die betroffenen Familien als Zumutung.
Bereits gegen Ende des vergangenen Jahres gab es regelmäßig Personalengpässe und Notbetreuung. Laut Stadt wurden die maximalen Betreuungszeiten daher von 45 auf 35 Stunden pro Woche reduziert. Doch die Personalsituation habe sich „durch Vakanzen und langzeiterkrankte Beschäftigte weiter verschlechtert, aktuell sind selten mehr als drei Beschäftigte vor Ort“. Das sind deutlich zu wenige Fachkräfte für 73 Kinder.
Kölner Kita führt Rotationssystem für die Betreuung ein
Und so wurde Ende Dezember ein Rotationsverfahren eingeführt: Jedem Kind wurde eine Nummer auf einer Liste zugewiesen. Die Eltern erfahren am Tag vorher, teilweise auch erst am jeweiligen Tag, welche Nummern auf der Liste die Kita besuchen können. Die Stadt bestätigt auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ die Situation der Kita Escher Straße sowie das eingeführte Rotationssystem. Bis zu 30 Kinder könnten demnach täglich betreut werden. Das bedeutet im Umkehrschluss: 43 Kinder, also mehr als die Hälfte der Kinder müssen zu Hause bleiben.
Was das für Familien und insbesondere berufstätige Eltern bedeutet, erlebt Jan Martens fast täglich: „Dadurch, dass die Betreuung meines Kindes nur noch sporadisch gewährleistet ist, kommen wir als Familie nach mehr als drei Monaten an unsere Belastungsgrenze.“ Martens und seine Frau sind beide berufstätig, wechseln sich dank flexibler Arbeitszeiten damit ab, ihren dreijährigen Sohn oft selbst zu betreuen. „Ich hole meine Arbeit, die ich tagsüber nicht schaffe, abends und nachts nach, meine Frau häufig am Wochenende. Ein normaler Familienalltag ist uns so nicht möglich.“
Anfang des Jahres hätte Martens‘ Sohn im Schnitt noch an drei Tagen in der Woche die Kita besuchen können. Inzwischen könne die Kita den Kindern oft nur an ein bis zwei Tagen pro Woche ein Betreuungsangebot machen – und dann mit verkürzten Öffnungszeiten. „Was die Stadt Köln uns und unseren Kindern seit mehr als drei Monaten zumutet, ist absolut nicht mehr tragbar“, findet der Familienvater. Er fordert, dass Personal von anderen Einrichtungen in die Kita Escher Straße versetzt wird, oder dass den betroffenen Kindern Plätze in anderen Kitas vermittelt werden.
Bei den von der Stadt genannten „Vakanzen“ handelt es sich unter anderem um den Kita-Leiter. Der hat im Januar die Leitung einer anderen Einrichtung übernommen. „Trotz diverser Bemühungen“ konnte die Leitungsstelle nach Aussage einer Stadtsprecherin noch nicht besetzt werden. Es seien aber inzwischen Bewerbungen eingegangen, die „umgehend auf ihre Eignung überprüft werden“. Zudem seien zwei Mitarbeiterinnen aus anderen Einrichtungen zur Kita Escher Straße abgeordnet worden. Einige Eltern hätten sich auch dazu entschieden, die Kita zu wechseln.
Kölner Familien geraten in Not, weil konstante Kita-Betreuung fehlt
Offenbar rechnet die Stadt selbst nicht damit, dass sich die Situation in der Kita angesichts des akuten Fachkräftemangels in absehbarer Zukunft verbessern wird. Zum neuen Kita-Jahr, das im August beginnt, will die Stadt den Eltern, die wechseln wollen, frei werdende Plätze in umliegenden Einrichtungen anbieten.
Die Situation in der Kita Escher Straße mag ein extremes Beispiel sein, ist aber kein Einzelfall. Viele Kölner Kitas müssen wegen Personalmangels ihre pädagogischen Angebote einschränken und Betreuungszeiten stark reduzieren. Laut Stadt müssen „einige“ städtische Kitas das Betreuungsangebot längerfristig reduzieren. Konkrete Zahlen nennt die Stadt auf Nachfrage nicht. Doch es ist kein Problem, das nur die städtischen Kitas betrifft. Auch andere Träger haben mit massiven Personalnöten zu kämpfen.
Viele betroffene Familien wenden sich an den Jugendamtselternbeirat (JAEB), die gewählte Elternvertretung von rund 700 Kitas aller Träger in Köln. „Die desolate Betreuungsinfrastruktur in Köln mit vielerorts eingeschränkten Betreuungszeiten führt dazu, dass viele Eltern nicht mehr wie gewohnt ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen können“, sagt Heike Riedmann vom JAEB Köln. Die Zahl der Anfragen nach Informationen über finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten wachse stetig. Daher hat der JAEB gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund einen Flyer mit Hilfsangeboten und Anlaufstellen veröffentlicht. Riedmann: „Immer mehr Familien geraten in Not.“