Joachim Brokmeier hat sich mehr als 40 Jahre intensiv mit der Geschichte Riehls beschäftigt und dabei mehr als 2000 Postkarten gesammelt.
40-jähriger EinsatzJoachim Brokmeier übergibt sein riesiges Archiv zur Geschichte Riehls
Die Regale lichten sich, etliche alte Adressbücher und Fachbücher hat Joachim Brokmeier bereits weggegeben. Anfang November wird er sich auch von seinen 2300 Postkarten trennen, die den Stadtteil Riehl zeigen, wie es ihn zum größten Teil nicht mehr gibt. Mitarbeiter des Kölnischen Stadtmuseums werden die dicken Ordner abholen und damit ihr Archiv füttern. Hinzu kommen 23 Ordner, die Joachim Brokmeier mit Zeitungsartikeln, Orden oder Münzen aus der Riehler Vergangenheit bestückt hat.
Abschied von einem historischen Hobby
Mehr als 40 Jahre lang hat sich der Bergisch Gladbacher ehrenamtlich mit der Geschichte des Stadtteils befasst, in dem er einen Großteil seines Lebens verbracht hat. Fast täglich ist er in das Dachgeschoss seiner Doppelhaushälfte gestiegen, um in seinem Arbeitszimmer Postkarten mit erklärenden Texten zu versehen oder Artikel über die Riehler Schullandschaft, die Mülheimer Brücke oder die einst so vielfältige gastronomische Landschaft rund um den Zoo und die Flora zu schreiben.
Doch damit ist jetzt Schluss. Brokmeier, fast 80 Jahre alt, gibt sein großes Hobby aus Altersgründen auf. Die Gesundheit spiele nicht mehr mit, sagt er: „Irgendwann muss man sagen, es ist gut, auch Joe Biden hat kapiert, dass man aufhören muss.“
Joachim Brokmeier wuchs auf dem Gelände der Riehler Heimstätten auf, wo seine Eltern arbeiteten. Ab den späten 1960-er Jahren war auch er dort als Sozialarbeiter beschäftigt und übernahm bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2008 die Leitung verschiedener Bereiche.
Joachim Brokmeier und seine Leidenschaft für Riehler Historie
Ersten Kontakt zur Riehler Historie bekam er 1977, als er mithilfe von Bewohnern und Mitarbeitern eine Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der Heimstätten schreiben sollte. „Da habe ich Blut geleckt“, sagt Joachim Brokmeier. Es faszinierte ihn, Veränderungen aufzuzeigen und Dinge vor dem Vergessen zu bewahren.
Er begann, alte Ansichtskarten zu kaufen. Erst auf speziellen Börsen, später auf Online-Portalen. Im Schnitt zahlte er acht bis neun Euro pro Exemplar, manche kosteten jedoch 50 Euro. Sie zeigten die preußische Kasernenstadt an der Boltensternstraße, aus der 1927 die Riehler Heimstätten entstanden.
Vergangene Party-Hotspots und historische Bauten in Riehl
Sie zeigten die Buden, Tanzsäle und teils skurrilen Attraktionen des „Amerikanischen Vergnügungsparks“, der ab 1909 an der Riehler Straße die Massen begeisterte und in den 1920-er Jahren unter dem Namen „Luna-Park“ wieder abgebrochen wurde.
Sie zeigten aber auch die vielen Lokale der „Goldenen Ecke“, die Riehl einst zum Party-Hotspot Kölns machten. „Riehl hatte mal über 70 Kneipen, davon sind nicht mehr allzu viele übrig geblieben“, so Joachim Brokmeier.
Erhalten sind jedoch mehrere Villen, die einst für höhere Dienstgrade der englischen Besatzungstruppen nach dem Ersten Weltkrieg gebaut wurden. Mit der Eingemeindung zu Köln 1888 prosperierte der Stadtteil gewaltig, der schon zuvor mit Zoo und Flora starke Besuchermagnete zu bieten hatte.
Engagement für die öffentliche Geschichtsdokumentation
Vor allem zwei Aspekte waren dem Geschichtsforscher in all den Jahren wichtig. Erstens: Nicht für sich „im stillen Kämmerlein“ wollte er arbeiten, sondern für die Öffentlichkeit. Deshalb schrieb Joachim Brokmeier Bücher und Artikel, bot Führungen an, organisierte Ausstellungen und hielt Vorträge. Dazu kamen zwei Internetseiten mit historischen Riehl-Ansichten.
Zweitens wollte er nicht einfach nur Bilder zeigen, sondern auch die Geschichte dahinter dokumentieren. Keine Karte wanderte ohne genauere Beschriftung in sein Archiv. Viele dieser Informationen kann er jederzeit abrufen. Um einen Spontanvortrag zur Riehler Geschichte ist Joachim Brokmeier niemals verlegen. „Manchmal war ich vielleicht ein bisschen lehrmeisterhaft, aber das passiert, wenn man Sachkenntnis hat“, sagt er und lacht.
Einen Nachfolger für seine Forschungen konnte der 79-Jährige nicht finden. Ein Problem, das viele historisch engagierte Sammler umtreibt. Er sei aber heilfroh, dass seine Objekte in gute Hände kämen und nicht verloren gingen. Ein Buch werde er im November noch veröffentlichen, auch seine beiden Homepages will er vorerst weiter betreiben. Die übrigen Aktivitäten werden eingestellt. An Langeweile werde er trotzdem nicht leiden, zu tun gebe es ja immer irgendwas, sagt Joachim Brokmeier: „Ich falle nicht ins große Loch.“