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Aggressiver Gehirntumor30-jähriger Kölner lacht den Tod lieber aus – Spendenaktion für teures Medikament

Lesezeit 6 Minuten
Der Kölner Johannes Olk liegt nach einer Gehirntumor-OP im Krankenbett, er ist mit Schläuchen verkabelt und streckt den Daumen aus.

Der Kölner Johannes Olk (30) leidet an einem aggressiven Gehirntumor. Ein sehr teures Medikament könnte sein Leben verlängern.

Der Kölner Johannes Olk hat einen aggressiven Gehirntumor. Ein in Deutschland nicht zugelassenes Medikament könnte ihm helfen.

Die Wochen nach der Operation sind im Nichts versackt. Johannes Olk, 30, weiß nicht mehr, wie er nach Hause gekommen ist, mit wem er telefoniert und wer ihn besucht hat, dass seine Freundin oft da war und seine Mutter, ob er gegessen hat, was ihm durch den Kopf gegangen ist, was er getan und gelassen hat, nachdem ihm ein mandarinengroßer Tumor aus dem Gehirn geschnitten worden war. Alles versackt.

Kölner mit Gehirntumor: Lachen statt Ehrfurcht vor dem Tod

Er erinnert sich nur, dass er nach der OP wachgeworden sei und eine Patientin geplappert habe, dass sie privat versichert sei und welche Rechte sie habe. Dass er so getan habe, als würde er schlafen, wenn Ärzte und Pfleger ins Zimmer kamen. „Irgendwie fand ich das lustig.“ Da sei die Angst gewesen, allein zu sein. „Deswegen habe ich sehr oft geklingelt.“ Nach der Entlassung ist die Szene geblieben, dass er mit seiner Mutter im Riehler Hof saß und ein Schnitzel aß. Der Rest: versackt. Er lacht, als er sich ans Schnitzelessen erinnert.

Auf einer Instagram-Seite mit dem Namen „spass.im.kopf“ erzählt Johannes Olk seine Geschichte. Er lacht immer mal wieder, wenn er sich an die vergangenen Monate erinnert. Die Chemotherapie, die Übelkeit, Müdigkeit und starke Kopfschmerzen verursacht. Den Haarausfall. Die große Narbe am Schädel. Seinen Besuch im Dellbrücker Tierheim kürzlich und seinen Wunsch, nochmal einen Hund zu haben. Einen Teil der Welt zu bereisen, statt wie bislang immer zu sparen.

Er lacht, weil er den Tod lieber auslacht, als ihm ehrfürchtig ins Gesicht zu starren. Wenn jeder Mensch manchmal verwirrt, einsam und beschädigt ist ob seines seltsamen Lebens, dann kennt Johannes Olk dieses Gefühl besser als die meisten. Schon, weil er als Jugendlicher unter depressiven Schüben litt und sich „mit viel Anstrengung und Therapien wieder herausgearbeitet hat“. Vor allem aber, seit er – gut zwei Wochen nach der Operation – die Nachricht erhielt, es mit einem Astrozytom ZNS WHO Grad 4 zu tun zu haben – einem so seltenen wie aggressiven Gehirntumor.

Ich bin nicht durchschnittlich. Ich bin keine Statistik. Und was heißt schon: erwartbare Lebenszeit?
Johannes Olk

Im Schnitt lebten Menschen mit solch einem Tumor noch zwei Jahre, hätten die Ärzte auf die Frage seiner Mutter zur erwartbaren Lebenszeit gesagt. Und im nächsten Atemzug, wie wichtig es sei, so schnell wie möglich mit Bestrahlung und Chemotherapie zu beginnen. „Ich habe dann erstmal Stopp gesagt. Nicht so schnell. Können Sie das alles nochmal wiederholen?“, erinnert sich Olk. Erwartbare Lebenszeit, durchschnittliche Lebenserwartung – mit solchen Begriffen habe er nichts zu tun haben wollen. „Ich bin nicht durchschnittlich. Ich bin keine Statistik. Und was heißt schon: erwartbare Lebenszeit?“

Porträt von Johannes Olk

Johannes Olk (30) stellt sich dem Kampf gegen den Krebs.

Die Ärzte, die er in der Folge fragte, in Heidelberg, Mannheim, Berlin, Köln, hätten keine Zahl genannt. Aber die Zahl blieb.

Weil ihm der Umgang mit Patienten manchmal zu kalt erschienen war, angesichts der existenziellen Schicksale, war Johannes Olk während seiner Ausbildung als Krankenpfleger irgendwann mental zusammengebrochen. Die tägliche Konfrontation mit schwerkranken Patienten, gepaart mit der kühlen Rationalität der Ärzte und Pfleger und den manchmal zynischen Witzen, um den täglichen Wahnsinn zu ertragen – „für mich war das zu viel“.

Nacht zum 12. April veränderte sein Leben

Er machte Therapien, studierte Musik- und Medienmanagement. Lernte, das Leben wieder zu lieben. Seit Dezember ist er mit seiner Freundin zusammen. Kurze Zeit später starb sein Opa. Seine Oma kam auf die Intensivstation. Er selbst auch ins Krankenhaus – mit Nierenversagen. Dann diese Nacht zum 12. April 2023. Die OP. Die Diagnose. Die Zahl. Manchmal ist das Leben ein Arschloch.

Einige seiner Prinzipien hat Johannes Olk sich in die Haut stechen lassen: Ein großes Herz steht für seine Liebsten, „für die es sich lohnt, jeden Tag aufzustehen“. Neben einem Mann, der sich einen Nagel in die Hand schlägt, prangen auf Englisch die Lettern: „Du selbst bist Dein größter Feind.“ Als seine Mutter ihm gesagt habe, „du wirst nicht immer so können, wie Du willst, stell dir vor, du hast einen Rollstuhl im Kopf“, ließ er sich den Umriss eines Kopfes mit Rollstuhl tätowieren. Und eine weiße Rose, in Erinnerung an Sophie Scholl und ihre Widerstandsgruppe gegen die Nazis. Das Herz helfe ihm jeden Tag. Über den Rollstuhl im Kopf muss Olk jetzt lachen.

Eine Querschnittsaufnahme des Gehirns zeigt den mandarinengroßen Tumor (rechts, weiß)

Eine Querschnittsaufnahme des Gehirns zeigt den mandarinengroßen Tumor (rechts, weiß)

An die Tage vor der Operation erinnert er sich sehr gut. In der Nacht zum 12. April habe er die Kontrolle über seinen Körper verloren, ahnte aber nicht, dass es ein epileptischer Anfall war. Er habe später rote Striemen am Rücken entdeckt und auf eine Gürtelrose getippt, verbunden mit einem schweren Magen-Darm-Infekt. Im Taxi zum Krankenhaus der zweite Krampfanfall – „jetzt war klar, dass es etwas Neurologisches ist.“ CT und MRT bringen die Gewissheit: ein Tumor. „Gut zu operieren, weil im Frontallappen“, habe es geheißen, und: „Zu 90 Prozent gutartig.“ 90 Prozent, wieder so eine dumme Zahl. Für den Arsch.

Seit ich mich selbst aus schweren Depressionen herausgearbeitet hatte, wollte ich vor allem eins nicht mehr werden: abhängig sein von anderen
Johannes Olk

Vor der Operation sei er vor allem besorgt gewesen, „mit einer Behinderung aufzuwachen, nicht mehr autonom zu sein“. Denn: „Seit ich mich selbst aus schweren Depressionen herausgearbeitet hatte, wollte ich vor allem eins nicht mehr werden: abhängig sein von anderen.“

Eine Tätowierung zeigt den Umriss eines Kopfes und darin einen Rollstuhl.

Rollstuhl im Kopf - Ein Tattoo, das Olk daran erinnert, dass nicht immer alles geht, was er sich vorstellt.

Er habe in den vergangenen elf Jahren keinen längeren Urlaub mehr gemacht, immer sehr viel gearbeitet, als Experte für Online-Werbung in einer Kölner Agentur, „um möglichst unabhängig zu sein und auch mal anderen helfen zu können“. Die Bande mit seiner Mutter, die ihn allein erzog, sind eng.

Das teure Medikament könnte seine Lebenszeit verlängern

Dass er sich jetzt doch wünscht, dass andere Menschen ihm helfen, liegt an dieser Zahl, die sich nicht mehr löschen lässt: Zwei Jahre. 24 Monate. Im Schnitt. Die Zeit läuft. Nach der Gewebediagnose hat Johannes Olk angefangen, zu recherchieren. Er ist auf ein sehr teures Medikament gestoßen, das in den USA schon zugelassen ist und in Europa nicht. Es kostet schnell einen sechsstelligen Betrag. „Funktioniert wie eine Autoimmuntherapie. Leider ist es verdammt teuer. Und wenn ich dafür in die USA muss, wird es noch teurer.“ Es könnte seine Lebenszeit verlängern, um ein, zwei, drei Jahre, wer weiß das schon. Es gibt Zahlen dazu, „aber mir geht es erstmal nur um eine Verlängerung“.

Auf der Plattform gofundme haben Menschen binnen weniger Tage 86.000 Euro für die Therapie gespendet, viele haben tröstende und mutmachende Worte gefunden. „Jeder Einzelne hilft mir, zu glauben, dass es nicht das Ende ist“, sagt Johannes Olk. Und die Zahl nur eine Zahl ist.