ObdachloseKölner Kältebus versorgt Wohnungslose mit Wärme
Köln – Tagsüber fügen sie sich beinahe unbemerkt ins Stadtbild ein, abends fallen die Wohnungs- und Obdachlosen der Stadt deutlicher auf – dann suchen sie sich Schlafplätze in den Eingängen von Geschäften oder Bankfilialen, um für ein paar Stunden die Kälte auf der Straße zu mildern. Wenn Arzu Mischkoff den Transporter ihres Hilfsvereins am Rand des Breslauer Platzes abstellt, wird sie regelmäßig von zahlreichen Menschen erwartet.
Die 37-Jährige ist Gründungsmitglied der „Freunde der Kölner Straßen und ihrer Bewohner“ (FDKS) und kommt in der kalten Jahreszeit mit ihren Helfern immer montags und mittwochs um 20 Uhr an die Rückseite des Hauptbahnhofs. Meistens haben sie Suppe dabei, manchmal kochen die Ehrenamtler auch andere Gerichte. „Hauptsache, es macht satt und ist heiß, damit sich die Leute aufwärmen können“, sagt Mischkoff.
„Die Leute“, das sind Wohnungs- und Obdachlose, die auf den Straßen der Stadt leben – auch im Herbst und Winter. „Für uns war heute Abend kein Platz mehr in der Schlafstelle an der Annostraße frei“, sagt Frank (Name geändert), der mit seinem Sohn am Breslauer Platz vor dem Vereinswagen, dem sogenannten „Kältebus“, ansteht. Seit Anfang des Jahres leben die beiden auf der Straße. Sie bemühen sich, aus der Obdachlosigkeit herauszukommen, doch das sei nicht einfach. „Wir hoffen, dass hier noch zwei Schlafsäcke und für uns übrig sind“, sagt Frank.
Die Kältebusse gibt es in anderen Städten schon seit Jahren
„In vielen anderen Städten in NRW gibt es seit Jahren Kältebusse“, sagt Arzu Mischkoff. „Wir finden, in Köln sollte es so ein Angebot auch geben.“ Neben den Mahlzeiten verteilen die 37-Jährige und ihre Unterstützer Getränke, warme Kleidung sowie Schlafsäcke und Isomatten. „Je nach dem, wie viel wir davon zur Verfügung haben“, sagt Mischkoff. Die Arbeit des Vereins wird zu 100 Prozent durch Spenden und das Engagement der Mitglieder ermöglicht – auch die Anschaffung des Transporters gelang erst in diesem Jahr. Am 12. Oktober ist der erste Kölner Kältebus zu seiner Jungfernfahrt aufgebrochen. „Davor sind wir mit vier oder fünf Leuten und zwei Bollerwagen losgezogen, um die Suppe aus Kochtöpfen auszugeben“, schildert Mischkoff die Anfänge des Vereins.
Die Freiwilligen machen ihre Arbeit gern und berichten von „fast ausschließlich positiven Erfahrungen“ im Umgang mit den Menschen. „Trotzdem ist es schade, dass in einer Stadt wie Köln ein solches Angebot nur durch Ehrenamtler ermöglicht wird. „Hier wird immer das Gefühl der Offenheit und Zusammengehörigkeit gepriesen“, sagt Mischkoff, „tatsächlich fristen viele Menschen aber ein Dasein am Rand der Gesellschaft, obwohl Obdachlosigkeit jeden treffen kann und oft nicht selbstverschuldet ist.“ Die Anzahl etwa der Notschlafplätze reiche bei weitem nicht aus, vor allem im Winter – das werde ihr immer wieder mitgeteilt. Viele Menschen fänden laut Mischkoff keinen Platz, „denn in den meisten Einrichtungen gilt das Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Die Erlebnisse auf den Straßen widersprächen daher der Selbstdarstellung der Stadt im Internet. Dort heißt es: „Niemand muss in Köln auf der Straße überwintern. Ganzjährig bieten wir ausreichend Unterkünfte und Notunterkünfte für Wohnungslose an.“
Trotz der Kritik hat die 37-Jährige auch Lob für das städtische Angebot übrig. „Die Infrastruktur in Köln ist eigentlich recht gut“, sagt sie. Ihrer Helfer und sie sehen ihre Zielgruppe aber eher bei den Menschen, die das nicht nutzen. Etwa, weil sie Angst vor Diebstahl, Drogenkonsum oder Übergriffen in den Unterkünften haben. Auch die Enge und fehlende Privatsphäre halte manchen von der Nutzung ab. Es gebe aber auch jene, die zu stolz seien, um Hilfe anzunehmen.
Auf "Kältegängen" suchen Zweier-Teams Schlafstellen und bieten Hilfe
Dieses Phänomen kennt auch Margarete July, die seit 14 Jahren die sogenannten Reso-Dienste der Stadtverwaltung leitet. „Das ist die Abkürzung für den alten Begriff der Resozialisierung“, erläutert sie. Der sei nicht mehr gebräuchlich. „Wir versuchen, die Winterhilfe für obdach- und wohnungslose Menschen in Köln von Jahr zu Jahr neu dem Bedarf anzupassen“, beschreibt July die Zielsetzung der Arbeit ihrer Abteilung mit Sitz am Ottmar-Pohl-Platz in Kalk.
Die Winterhilfe der Stadt Köln gibt es seit 20 Jahren. 44 hauptamtliche Mitarbeiter organisieren seit sechs Jahren an fünf Werktagen der Woche die „Kältegänge“, bei denen Zweier-Teams die Obdachlosen im Stadtgebiet aufsuchen. „Die Routen ergeben sich durch Hinweise, die wir von den Bürgern über unsere Hotline erhalten“, sagt July. Das sei wichtig, denn häufig entdeckten sie Schlafstellen, die abseits der bekannten Anlaufstationen rund um Dom und Hauptbahnhof entstünden. „Wir bieten dann freie Plätze an oder leisten konkret Hilfe. Dabei arbeiten wir mit Polizei und Ordnungsdienst zusammen“, so July.
Aber auch die Zusammenarbeit mit den Trägern der Anlaufstellen funktioniere gut: Neben den Notschlafstellen gibt es Beratungseinrichtungen oder solche, die Tagesaufenthalte anbieten. Margarete July bezeichnet das als „Hilfesystem im Verbund“. Besonders hebt sie die Möglichkeit der sogenannten „ordnungsbehördlichen Unterbringung“ für Menschen hervor, die weder eigenes Einkommen noch Anspruch auf Sozialleistungen haben. Im Rahmen des Ordnungsbehördengesetzes halte die Stadt aus humanitären Gründen neben den ganzjährig angebotenen Plätzen insgesamt 93 zusätzliche Unterbringungs-Kapazitäten bereit.
"Wir können niemanden zwingen"
Bis zum vergangenen Jahr wurden die Plätze an der Straße Am Blaubach angeboten, inzwischen hat die Stadt die Unterkunft in Trägerschaft des Sozialdienstes Katholischer Männer in ein Haus an der Thieboldsgasse verlegt. „Derzeit werden die letzten Umbauarbeiten durchgeführt“, sagt July. Ab 1. Dezember bis Ende März 2017 stehen dort Plätze für Männer und Frauen zur Verfügung. „Es ist ein niedrigschwelliges Angebot, das ausschließlich zur Übernachtung genutzt werden kann“, erläutert die Leiterin der Reso-Dienste. Sie bedauert, dass einige Bedürftige auch bei harten Witterungsverhältnissen diese Optionen nicht nutzten. „Wir können niemanden zwingen“, sagt July, „nur Angebote machen.“
Das ist auch das Prinzip von Arzu Mischkoff und dem FDKS-Verein. Neben den Mahlzeiten sei für die meisten Menschen, die am Breslauer Platz auf den Kältebus warten, aber vor allem eins wichtig: „Wir hören ihnen zu, nehmen die Sorgen ernst. Bei uns finden die Obdachlosen einen Moment der Ruhe, hier fühlen sie sich nicht ausgeschlossen.“
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