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Olympia in KölnBeim 7er-Rugby im Grüngürtel soll sich niemand die Knochen brechen

Lesezeit 5 Minuten
04.07.2024, Köln: Am Ball und mitten drin Jan Lindert beim Training des Rugby Sport Verein Köln e. V.  Foto: Arton Krasniqi

Jan Lindert, der hier das Ei trägt, ist Teammanager des Rugby Sport Vereins (RSV) Köln

Das rasante 7er-Rugby-Variante ist seit 2016 olympisch – und kann in Köln beim RSV gespielt werden. Ein Besuch beim Training.

Jan Lindert steht auf einer Wiese im Kölner Grüngürtel in Klettenberg und blickt auf rund 20 Männer in kurzen Hosen und durchgeschwitzten Shirts. Sie rennen hin und her, halten einander fest, manchmal rangeln sie oder schubsen sich gegenseitig. Aber nicht aggressiv, eher freundschaftlich, mit Maß und Gefühl. Ziel ihrer Bemühungen ist ein eiförmiger Ball, der über eine mit bunten Plastikhütchen markierte Linie getragen werden soll. Die Männer sind zwischen 35 und 65 Jahre alt, sie nennen sich „Old Boys“, spielen Rugby in einer entschärften, dem Alter ihrer Knochen angepassten Version – und haben daran sichtlich Spaß.

Jan Lindert hat Knie, der Rücken zwickt

Lindert ist Teammanager dieser Mannschaft des Rugby Sport Vereins (RSV) Köln, normalerweise rennt er mitten im Gewühl, das ist Familientradition. Schon sein Vater und Großvater spielten Rugby, und auch der Sohn ist aktiv. Rugby in der vierten Generation, das gebe es nicht oft, sagt Lindert nicht ohne Stolz. An diesem Tag ist der 57-Jährige aber nur Zuschauer. Er hat Knie. Auch noch. Der Rücken zwickt ohnehin.

04.07.2024, Köln: Rugby beim Rugby Sport Verein Köln e. V. Foto: Arton Krasniqi

In Köln wird gerangelt und geschubst, aber freundschaftlich, mit Maß und Gefühl.

Seine Liebe zu diesem wilden, kraftvollen Sport kann das nicht schmälern. Schon gar nicht in einem olympischen Jahr mit Sommerspielen vor der Haustür. Am 25. Juli wird Lindert auf einen anderen Rasen blicken, zusammen mit rund 80.000 anderen Menschen – den Rasen im Stade de France. Es ist der Tag vor der Eröffnung der Olympischen Spiele von Paris, und der Tag, an dem bereits die Achtelfinals des olympischen Rugby-Wettbewerbs der Männer ausgetragen werden.

Seit 2016 olympisch

Dort wird 7er-Rugby gespielt. Die rasantere, kurzweiligere Variante des herkömmlichen Rugby Union oder 15er-Rugby. 7er-Rugby ist seit 2016 olympisch. Deutsche Rugby-Teams konnten sich bislang nicht für die Spiele qualifizieren, auch in Paris werden sie nicht dabei sein. „Rugby wird überall dort gespielt, wo man kein Deutsch spricht“, scherzt Philipp Hacker, ehemaliger Nationalspieler. „Ich kann es halt nicht lassen“, sagt der 50-Jährige über sein Engagement bei den „Old Boys“. Dort stehe aber der Spaß im Vordergrund: „Wir wollen nicht, dass sich hier jemand die Knochen bricht oder mit Herzinfarkt liegen bleibt.“


Rugby bei Olympia

Die Variante 7er-Rugby ist seit 2016 olympisch. Gold bei den Männern gewann sowohl in Rio als auch 2021 in Tokio die Mannschaft des Inselstaates Fidschi. Bei den Frauen holten sich 2016 die Australierinnen und 2021 die Neuseeländerinnen den Olympiasieg.

In Paris finden die Wettbewerbe der Männer am 24./25. und 27. Juli statt, die der Frauen vom 29. bis 31. Juli. Gespielt wird im Stade de France. Teilnehmer bei den Männern: Argentinien, Australien, Fidschi, Frankreich, Irland, Japan, Kenia, Neuseeland, Samoa, Südafrika, Uruguay, USA. Teilnehmer bei den Frauen: Australien, Brasilien, China, Fidschi, Frankreich, Großbritannien, Irland, Japan, Kanada, Neuseeland, Südafrika, USA.


Über das olympische 7er-Rugby sagt Hacker: „Das ist nichts für die langsamen Jungs.“ Beim 15er-Rugby werden sie als Rammböcke gebraucht, nicht so schnell, dafür um so stabiler. Stehen nun aber weniger Spieler auf einem gleich großen Feld, ergeben sich mehr Freiräume für rasante Antritte. Da brauchen auch die Rammböcke eine gewisse Schnelligkeit. Für Olympia attraktiv ist das 7er-Rugby wegen der kürzeren Spielzeit, zweimal sieben statt zweimal 40 Minuten: Eine Weltmeisterschaft im 15er-Rugby dauert gern acht Wochen, die Spieler brauchen nach jeder Partie viel Pause. Ein Turnier im 7er-Rugby dagegen wird in wenigen Tagen durchgezogen. Für die zwölf Frauen- und zwölf Männerteams sind in Paris jeweils drei Spieltage angesetzt.

Die dritte Halbzeit ist genauso wichtig wie das Training

Die „Old Boys“ des RSV Köln sind eine bunt gemischte Truppe, dem Team gehören ehemalige Rugbyspieler an, aber auch Quer- oder Späteinsteiger. Frauen sind aktuell nicht dabei, werden aber genauso gern aufgenommen. „Da ist ja nichts schwer dran“, sagt Lindert über das Spiel. Wer Lust habe auf Bewegung und Geselligkeit, sei herzlich willkommen. Genauso wichtig wie das Training: die dritte Halbzeit beim kühlen Getränk auf der Terrasse. Sie liegt malerisch neben dem eigentlichen Rugby-Platz des Vereins, dessen Rasen gerade saniert wurde und der deshalb noch gesperrt ist.

Viele Rugby-Klubs verlören zunehmend Mitglieder, erzählt Lindert. Aber nicht so in Köln, das Interesse steige stetig. Die Topmannschaften des Vereins spielen bei Männern und Frauen in der Bundesliga. Um den Nachwuchs wird sich ebenfalls gekümmert: Mehr als 100 Kinder und Jugendliche gehörten zum Klub, sagt Lindert. Besonders beliebt sei das Feriencamp, immer in der ersten Woche der Sommerferien, mit Rugby, Zelten und Grillen.

04.07.2024, Köln: Sarel Steyn aus Südafrika beim Training des Rugby Sport Verein Köln e. V.  Foto: Arton Krasniqi

Sarel Steyn stammt aus Südafrika, einer der Hochburgen des Sports.

Bei den „Old Boys“ spielt auch Sarel Steyn. Der 49-Jährige stammt aus Südafrika, einer der Hochburgen des Rugby-Sports. Dort müssen die Vereine nicht um Nachwuchs buhlen und Rugby in der xten Generation ist Normalität. „Rugby ist in Südafrika eine Religion, es gehört zum Aufwachsen dazu“, sagt Steyn. Die „Springboks“, wie die südafrikanische Rugby-Union-Nationalmannschaft genannt wird, sind amtierender Weltmeister. Sie gewannen das letzte Turnier 2023 in Frankreich. Weltmeisterschaften werden alle vier Jahre ausgetragen. Und auch wenn davon in Deutschland kaum jemand etwas mitbekommt – sie gelten als das weltweit drittgrößte Sportereignis nach Fußball-Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen.


So geht Rugby

Ziel des Spiels ist es, einen eiförmigen Ball durch Tragen oder Kicken in das gegnerische Malfeld zu bringen und abzulegen. Dabei darf der Ball nicht nach vorn geworfen werden. Tackles, also körperliche Angriffe auf Gegenspieler, um sie am Lauf zu hindern, sind nur unterhalb der Schulter erlaubt. Das Spielfeld ist ein etwa 70 Mal 100 Meter großer Rasenplatz, an jedem Ende gibt es ein Malfeld und zwei Malstangen samt Querlatte.

04.07.2024, Köln: Rugby beim Rugby Sport Verein Köln e. V. Foto: Arton Krasniqi

Das Interesse am Rugby steigt in Köln stetig.

Für das Ablegen des Balls (Versuch/Try) in der Endzone gibt es fünf Punkte. Anschließend gibt es zwei weitere Punkte, wenn der Ball aus dem Feld heraus über die Querlatte zwischen den beiden Malstangen gekickt wird (Erhöhung). Der Abschusspunkt muss dabei auf einer parallel zur Seitenauslinie gedachten Linie zum vorherigen Ablegepunkt erfolgen. Jeweils drei Punkte gibt es für einen Strafkick (bei schweren Regelverstößen) oder ein Dropgoal (Schuss über die Querlatte aus dem laufenden Spiel heraus). Bei kleineren Regelverstößen wird ein Gedränge angeordnet: Die Spieler beider Mannschaften stellen sich dicht gegenüber, der Ball kommt in die Mitte. Dann wird gedrückt und geschoben, bis ein Team den Ball hinter sich gebracht hat und ihn aufnehmen kann.

Die wichtigsten Unterschiede beim olympischen 7er-Rugby: sieben statt 15 Spieler pro Team und eine Spielzeit von zweimal sieben statt zweimal 40 Minuten.