Olympia ist jetzt verdammt nah, die Spiele in Paris starten für die professionelle Radfahrerin Mieke Kröger am 27. Juli.
Mieke KrögerHürther Olympia-Siegerin erfüllt sich in Paris einen besonderen Traum
Das Gelb gefällt Mieke Kröger besonders gut. Die Bahnrad-Olympiasiegerin sieht sich schon in gelber Hose, gelbem T-Shirt und mit gelber Kappe durch Paris marschieren. „Klar, das ist ein bisschen drüber, aber ich gebe viel für Lacher“, sagt die 30-Jährige schmunzelnd. Gerade hat sie in Düsseldorf ihre Team-Deutschland-Ausstattung für die Olympischen Spiele in Paris erhalten, die Kleidung ist in den Farben Gelb, Rot und Grau gehalten. Sie zu bekommen, sei einer ihrer Lieblingstermine rund um Olympia, sagt Kröger: „Freude pur, wie Weihnachten.“
Sitzt Mieke Kröger auf dem Rad, sollte man sie ernst nehmen, egal was die 1,83 Meter hoch gewachsene Athletin dabei trägt. Denn sie ist gut drauf im Vorfeld ihrer dritten Olympiateilnahme, möglicherweise besser denn je. Das hat sie zuletzt bei den Deutschen Straßen-Meisterschaften im Einzelzeitfahren eindrucksvoll bewiesen.
Vor Paris hat Kröger alles ein bisschen anders gemacht
Kröger kam mit 17 Sekunden Vorsprung auf U-23-Weltmeisterin Antonia Niedermaier ins Ziel, die im Vorjahr im Nachwuchs-Rennen noch 34 Sekunden schneller gewesen war als die ältere Kollegin. So sicherte Kröger sich neben ihrer Fahrkarte für die olympischen Bahnrennen auch eines der zwei deutschen Tickets für das olympische Einzelzeitfahren – und erfüllte sich damit einen Traum.
„Ich wollte schon immer das Zeitfahren bei Olympia mitmachen, aber es waren jedes Mal andere besser als ich“, sagt Kröger. Vor Paris hat sie nun alles ein bisschen anders gemacht, hat auf sich selbst gehört, ihr Ding durchgezogen. Kröger ist nicht mehr Teil eines Profiteams, sie hat sich ganz auf ihr Training konzentriert, hat an Gewicht verloren und am Selbstbewusstsein gewonnen. Der Lohn: Sie darf in Paris endlich auch in ihrer Lieblingsdisziplin ran.
Wenn Kröger einmal rollt, dann rollt sie. Auf der Bahn übernimmt sie an Position drei eine besonders lange Führung, anstatt wie die Kolleginnen zweimal kürzer das Tempo zu machen. Kröger sieht sich deshalb eher als „Zeitfahrerin mit ein paar schnellen Fasern“ denn als klassische Bahnsprinterin. Sie ist bereits Olympiasiegerin – und doch erfüllt sich für Kröger erst in Paris ihre eigentliche Bestimmung.
Der olympische Zeitfahr-Kurs dürfte ihr liegen, er geht über sehr flache 32,4 Kilometer. Vollgas ohne größere Steigungen, das ist in Krögers Sinne. Ein Ziel für eine Platzierung gibt sie dennoch nicht aus. Dazu habe sie in diesem Jahr, in dem sie nicht auf der World-Tour unterwegs war, zu wenig internationale Vergleiche. „Ich fahre einfach so schnell ich kann, wie immer“, sagt Kröger. Hinter der Ziellinie müsse sie das Gefühl haben, „nur noch am Boden liegen zu wollen“, erzählt sie: „Wenn man das nicht schafft, ist das nicht sonderlich erfüllend.“
Kröger hat eine Medaille als Ziel
Olympia ist jetzt verdammt nah. Nach einer Woche zu Hause in Hürth geht es für die gebürtige Bielefelderin am 19. Juli zum abschließenden Bahnrad-Trainingslager in Frankfurt/Oder. Von dort macht sie am 23. Juli einen ersten Abstecher nach Paris, kommt also rechtzeitig zur Eröffnungsfeier am 26. Juli dort an. Ob sie dabei sein wird, ist aber fraglich, denn schon am Tag darauf steht für Kröger das Zeitfahren auf dem Programm. Danach geht es für drei Tage nach Hause. Durchatmen. Und am 31. Juli reist sie zusammen mit den Bahnrad-Kolleginnen zurück nach Paris zur Mission Titelverteidigung im Mannschaftszeitfahren.
Da hat Kröger eine klare Zielvorgabe: „Wir wollen eine Medaille.“ Kann es nochmal mit dem ultimativen Erfolg klappen? Mit olympischem Gold? Zuletzt habe die Mannschaft auf der Radrennbahn in Büttgen trainiert, erzählt Kröger. Die sei „rumpelig“ und habe „eine komische Geometrie, kurze Kurven und lange Geraden“. Die Bedingungen seien also schwierig gewesen. „Trotzdem sind wir sehr harmonisch gefahren und immer schneller geworden.“ Heißt? „Das ist für mich ein gutes Zeichen, aber es wird nicht leicht, die Konkurrenz an der Spitze ist eng.“
Helfen könnten die neuen Schuhe, die Kröger unter ihren aerodynamischen Gamaschen tragen wird. Es sind ihre ganz persönlichen Glücksschuhe. Das ist noch so eine Sache, die sie vom Gros der Radrennfahrerinnen abhebt: Kröger bemalt Schuhe, sie macht kleine Kunstwerke aus ihnen. Ihr neuestes Modell ziert eine verträumte Landschaft, angelehnt an das Cover des neuen Albums „Ghosteen“ von Nick Cave. Zu sehen sind bunte Blumen in sanften Farben und dazwischen Tiere an einem verwunschenen Teich: Pfau, Löwe, Schwan, Lamm und Pferd.
Sie male gern am Abend in Trainingslagern, sagt Kröger, das sei „ultra-entspannend“. Einige Modelle hat sie bereits verkauft, weitere Aufträge warten auf Fertigstellung. Wer mag, kann sich ihre Arbeiten auf Instagram (@shoemiekicks) ansehen. Beim ehemaligen Tour-de-France-Sieger Bradley Wiggings habe sie vor rund zehn Jahren zum ersten Mal bemalte Schuhe gesehen, erzählt Kröger. Sie war fasziniert, probierte Farben und Techniken aus – und stellte fest, dass sie ein künstlerisches Talent besitzt. Auch noch. Neben dem sportlichen. Aber in den nächsten drei Wochen wird nicht viel Zeit bleiben zum Malen. Jetzt ist Olympia dran. Und das gleich zweimal für Kröger.