Umgebautes Feuerwehr-AutoFilmemacher veranstalten Open-Air-Kino im Kölner Volksgarten
Köln – In der Orangerie im Volksgarten gehen die Blicke üblicherweise in Richtung Bühne, wenn ein Ensemble dort eine Performance oder ein Theaterstück aufführt. Am Montagabend findet im Innenhof der Orangerie allerdings eine außergewöhnliche Veranstaltung statt, bei der die Augen ausnahmsweise auf eine Leinwand gerichtet sind. Im Rahmen einer Open-Air-Kino-Tour machen die Filmemacher Dominik Hallerbach und Johannes Karl hier Halt, um ihren Film „Der Wagen“ zu präsentieren. Besagte Leinwand ist dabei auf einem umgebauten Feuerwehrauto befestigt.
Ganz ohne Theater geht es aber nicht: Der gezeigte Film ist laut den Machern ein „Theater-Roadmovie“. Dahinter verbirgt sich nicht nur die Geschichte eines Ensembles, das für seine Aufführungen eine Reise durch das halbe Land absolviert hat. Parallel seien auch ein Deutschland-Panorama und ein Blick auf Ost-West-Konflikte entstanden, so die Macher.
„Das war schon ein sehr utopisches Unterfangen“, sagt Johannes Karl und lacht. Damit meint er die rund dreiwöchige Theatertour des Ensembles „buehnendautenheims“, das 2019 eine Tournee durch Deutschland unternahm. Mit zwei je hundert Jahre alten Heuwagen reiste das 17-köpfige Team vom rheinhessischen Dautenheim bis nach Berlin.
Theater-Tour durch Deutschland
Alle 40 Kilometer machte das Ensemble Halt, um „Das große Welttheater“ von Pedro Calderón aufzuführen. Karl ist zwar schon seit längerem im Ensemble aktiv, die Tour war aber auch für ihn etwas völlig Neues. „Wir haben vorher quasi mit der Schnur über der Landkarte die Entfernungen ausgerechnet und uns dann die verschiedenen Ortschaften ausgesucht. Darunter waren kleine Örtchen wie Blankenau in Hessen, aber auch große Städte wie Frankfurt oder Halle“, so der 40-Jährige.
Angesichts der Besonderheit des Projekts hatte Karl von Anfang an die Idee, das Unterfangen filmisch festzuhalten. „Ich dachte, es wäre doch geil, wenn wir eine Dokumentation darüber machen. Da habe ich Dominik gefragt.“ Dominik Hallerbach, aufgewachsen in Köln-Klettenberg, und Johannes Karl kennen sich aus dem gemeinsamen Studium der Angewandten Theaterwissenschaften in Gießen. „Wir haben zwar schon damals einen Roadmovie zusammen gemacht“, erzählt Hallerbach. „Aber mit dem Ensemble zu touren war etwas ganz Neues für mich. Und auch eine große Herausforderung.“
Am Anfang erschien die Reise ihm ziemlich unmöglich, sagt er heute. Die alten Wagen, die zwischendurch einfach nicht weiter wollten, und ein eingeschworenes Ensemble, das sich an den Filmenden erst einmal gewöhnen musste.
Filmemacher musste selbst als Schauspieler einspringen
„Nach zehn Tagen waren wir dann aber so im Fluss, dass ich dachte: Jetzt können wir auch noch bis zum Nordkap fahren“, sagt Hallerbach und lacht. An den Schauspielerinnen und Schauspielern wollte er während der Tour so nah wie möglich dran sein. „Das sind intime Momente, in denen ich mit der Kamera daneben stehe. Ich habe selbst beim Essen gefilmt. Einmal hat eine Schauspielerin mich von der Bühne geworfen und gesagt – jetzt reicht es auch mal!“ Mit der Zeit bauten Ensemble und Hallerbach aber ein großes Vertrauen zueinander auf. Die endgültige Feuertaufe bestand der 35-jährige Kölner, als er auf einmal die Seiten wechseln musste.
„Nach zwölf Tagen hatten wir einen Ausfall. Ich musste in der Rolle des ‚Königs‘ einspringen. Da habe ich den Rückhalt des ganzen Ensembles gemerkt, das war toll.“ Rund 150 Stunden Material sammelten Hallerbach und Karl während der Theatertour. 2021 entstand daraus der Film „Der Wagen“. „Zum einen zeigt der Film natürlich das Leben ‚on the road‘. Zum anderen ist durch die Reise quer durch Deutschland auch ein Panorama über das Land entstanden“, sagt Hallerbach.
„Die Reaktionen auf uns sind an den verschiedenen Stationen total unterschiedlich gewesen. Wir haben Ost-West-Problematiken ebenso thematisiert wie Unterschiede zwischen dem ländlichen und dem städtischen Raum“, sagt Johannes Karl.
Kinobus ist umgebautes Feuerwehr-Auto
Der Name „Der Wagen“ ist für beide, ähnlich wie die Rollen im Theaterstück, eine Art der Allegorie - abstrakte Begriffe werden durch ein Bild oder eine Gestalt greifbar gemacht. Im „Welttheater“ repräsentiert jede Rolle einen bestimmten Aspekt des Lebens, so gibt es neben dem König auch die Weisheit, die Schönheit, den Reichen oder den Armen. „Der Titel ‚Der Wagen‘ ist ein ganz gutes Bild für Deutschland. Nicht nur, dass hier so viel auf das Auto ausgerichtet ist. Wie wir die alten Heuwagen durch das Land bewegen ist auch ein Symbol dafür, wie man dieses Vehikel, also dieses Land, zusammen angeschoben bekommt“, sagt Dominik Hallerbach.
Für die Kino-Tour haben die zwei sich noch einen zusätzlichen Wagen besorgt. Johannes Karl baute gemeinsam mit seinem Vater einen alten Feuerwehrwagen um, um diesen zu einem Kino-Bus zu machen. „Aus dem Heck heraus betreiben wir einen kleinen Kino-Shop, in dem es Popcorn und Getränke gibt“, sagt Karl. Dazu hat man sich einen hochwertigen Beamer geliehen, der selbst bei schwierigem Lichteinfall das Bild gut auf die Leinwand auf dem Busdach projizieren kann. Vor jeder Filmvorführung spielt ein lokaler musikalischer Act, in Köln ist das die Band „kless“, die Jazz und Klezmer spielt.
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Nachdem Hallerbach und Karl im vergangenen Jahr mit dem Kinobus die Stopps der Theater-Tour abgefahren sind, veranstalten sie gerade eine kleine NRW-Tour. „Wir haben uns total gefreut, als uns die Orangerie direkt zusagt hat. Das ist eine traumhafte Location“, sagt Dominik Hallerbach. Da das Projekt vom Land NRW gefördert ist, kostet der Abend keinen Eintritt. Spenden, die gesammelt werden, gehen an die Ukraine. „Im Anschluss an die Vorführung kann man dann am Kinotresen noch über den Film quatschen“, sagt Johannes Karl.
Das Freilichtspielhaus präsentiert: Der Wagen. Montag, 15.8., Orangerie Theater Köln, Volksgartenstraße 25, 50677 Köln. 20 Uhr Eröffnung Kinoshop, 20.30 Uhr Filmbeginn. Eintritt frei. www.derwagenfilm.de