Pro & ContraSind die strengen Kontrollen vom Kölner Ordnungsamt bei Wirten richtig?
- Die Regeln zur Gestaltung der Außengastronomie werden strenger umgesetzt: Jüngst hat die Stadt auch Blumenkübel verboten. Sind die Kontrollen bei Wirten richtig?
- Tim Attenberger findet ja: Jeder macht, was er will – das funktioniert in keiner Gemeinschaft.
- Maria Gambino sagt nein: Soll demnächst noch das Geschirr auf ästhetische Adäquatheit überprüft werden?
Köln – Pro von Tim Attenberger: Dass billige Plastikstühle aus der Stadt verbannt wurden, ist gut
Dass die Stadt Köln für die Gestaltung der Außengastronomie strenge Regeln entwickeln musste, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass sich ein Gutteil der Wirte jahrzehntelang nicht darum scherte, ob billige Stühle aus weißem Plastik und Sonnenschirme mit greller Werbefläche das Stadtbild verschandeln oder nicht. Genau das war der Grund dafür, ein Gestaltungshandbuch zu entwickeln, um dem allzu bunten Treiben Einhalt zu gebieten.
Mittlerweile hochwertigere Außengastro ist Verdienst der Stadt Köln
Köln kämpft ohnehin mit dem Image einer Partystadt – die früher schäbige Ausstattung der Außengastronomie dürfte ihren Teil dazu beigetragen haben. Jeder macht, was er will – das funktioniert in keiner Gemeinschaft und schon gar nicht in einer Millionenstadt wie Köln.
Mittlerweile verfügen die Lokale mit Außensitzbereich über eine deutlich hochwertigere Ausstattung, was Tische, Stühle, Schirme und Windschutzvorrichtungen anbelangt. Das ist ein Verdienst dessen, dass die Stadt Köln klare Regeln aufgestellt hat und dass die meisten Wirte diese erfreulicherweise auch befolgen.
Dennoch gibt es – wie in jeder Branche – schwarze Schafe, die aus der Reihe tanzen. Deshalb gehört zum Aufstellen von Regeln zwangsweise, dass die städtischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kontrollieren müssen, ob die Gastronomen sie auch einhalten.
Es kann und darf kein Argument sein, dass jemand nicht so genau Bescheid weiß, wie das Regelwerk funktioniert – fünf Jahre sind wahrlich genug, um das grundsätzlich verlangen zu können. Zumal es sicher auch einige wenige gibt, die ganz bewusst gegen bestimmte Auflagen verstoßen. Das darf die Stadt nicht hinnehmen, weshalb eine konsequente Kontrolle mit ebenso konsequenter Ahndung vollkommen angemessen ist.
Farbe der Sitzkissen hat keine Auswirkung auf Stadtbild
Sicher, Regeln sind nicht perfekt. Ob ein Sitzkissen nun rot oder grün ist, das hat auf gar keinen Fall Auswirkungen auf das Stadtbild. Und es mag auch durchaus sein, dass die eine oder andere Kontrolle vom Übereifer der Kontrolleure geprägt ist. Selbstverständlich darf es nicht passieren, dass sich Gastronomen der Willkür der Stadt ausgesetzt sehen. Das alles ändert aber nichts daran, dass das Gestaltungshandbuch von Grund auf seine Berechtigung hat und ein Garant dafür ist, dass die billigen weißen Plastikstühle nicht nach Köln zurückkehren werden.
Es ließe sich einwenden, dass die Stadtgestaltung in Köln ohnehin an vielen Stellen zu wünschen übrig lässt, was in erster Linie aber wohl kaum in der Verantwortung der Gastronomen liegt. An dieser Stelle sei gesagt, dass jeder Beitrag, die Stadt aufzuwerten, zählt – dass es an anderen Stellen auch nicht optimal funktioniert, darf kein Argument sein.
Kontrollen der Außengastronomien dienen der Sicherheit
Abseits der Gestaltungsfrage geht es bei den Kontrollen des städtischen Ordnungsdienstes zudem auch um das wichtige Thema Sicherheit. Ob ein Blumenkübel rund oder eckig ist, spielt keine Rolle. Aber wenn der Blumenkübel so positioniert wurde, dass er zur Stolperfalle wird, dann ist es völlig korrekt, wenn das Ordnungsamt eingreift und den drohenden Schaden vorzeitig abwendet. Dass manch ein Wirt selbst in solchen Fällen uneinsichtig bleibt, ist nicht nachvollziehbar. Auch hier gilt es natürlich, bei den Kontrollen Augenmaß zu bewahren, damit die Prüfung nicht zur Schikane wird.
Contra von Maria Gambino: Regeln dürfen kein Selbstzweck sein
Meterbreite Plastikplanen, zerlöcherte Holzpaletten oder vertrocknete Pflanzen in der Außengastronomie empfindet vermutlich niemand als ästhetischen Zugewinn für das Stadtbild. Das sollte Konsens sein. Doch jüngst sind Außenkontrollen des städtischen Ordnungsdienstes in eine regelrechte Regulierungswut umgeschlagen: Wirtinnen und Wirte berichten uns von schikanösem Vorgehen etwa an Samstagabenden – bei vollem Betrieb eine Unzeit für Grundsatzdiskussionen. Strafen werden verteilt, wenn Blumenkübel im Antrag fälschlicherweise als rund statt eckig angegeben werden, und nicht nur Schirme, Tische und Stühle sollen in gedeckten Farben Standard sein, sondern auch bunte Kissen müssen weichen.
Blumenkübel in der Gastro: Sicherheit ist wichtig, aber Vorgänge werden zu stark bürokratisiert
Niemand bestreitet ernsthaft, dass es gewisser Regeln zur Außengestaltung bedarf. Natürlich dürfen Tische nicht quer auf dem Gehweg geparkt werden und selbstverständlich darf eine Terrasse – gerade wenn sie Parkflächen miteinbezieht – auch nicht Fußgängerinnen, Menschen mit Kinderwagen oder im Rollstuhl in ihrer Bewegung einschränken. Die kürzlich verbotenen Blumenkübel zeugen jedoch davon, wie überbürokratisiert einfachste Sachverhalte mittlerweile sind.
Wenn man erst etliche Zettel ausfüllen muss, um eine schöne mediterrane Pflanze aufzustellen – wo soll denn das noch hinführen? Wird demnächst das Geschirr auf ästhetische Adäquatheit überprüft? Sollen Servicekräfte bald nur noch mit schwarzer oder beiger Kleidung auf der Terrasse herumlaufen, um das Stadtbild nicht zu verschandeln? Muss Blumenschmuck auf den Tischen demnächst auch verschwinden? Das geht definitiv zu weit. Es muss mehr Spielraum gewährt werden.
Es ist gemeinhin bekannt, dass das Ordnungsamt zu wenig Personal hat. Sollen sich die wenigen Beamtinnen und Beamten wirklich mit der Überprüfung von nicht genehmigten Pflanzentöpfen herumschlagen? Mit Sicherheit gibt es drängendere Anliegen. Auf kritische Nachfragen hin beruft sich die Stadtverwaltung auf das Gestaltungshandbuch, das 2017 vom Rat beschlossen wurde. Das werde nun einfach rigider umgesetzt.
Zu strenge Gastro-Regeln vermiesen öffentliche Stimmung in Köln
Doch ein Regelwerk, das die öffentliche Stimmung in der Stadt so vermiest, sollte schlichtweg überdacht werden. Zumal das Timing ungünstig ist: Nach zwei schweren Corona-Jahren können Wirte nun erstmals wieder aufatmen. Das Leben ist zurück auf den Straßen. Viele Gastronomen haben während der Pandemie in aufwendige Außengastro-Bauten investiert, um coronakonformer arbeiten zu können, auch auf Anraten der Stadt hin – wer weiß, wie der kommende Winter wird. Corona ist vermutlich noch nicht ganz durch. Und dass schließlich einzelne Anwohner, mittlerweile die Lockdown-Ruhe gewöhnt, weiter den Anspruch auf totale Stille mitten in der pulsierenden Südstadt erheben, sollte auch nicht der Grund für unverhältnismäßige Einsätze sein.
Was ich als Journalistin besonders problematisch empfinde, ist, dass gefühlt täglich Wirte und auch Veranstalter von machthaberischen Auftritten von Beamten oder von der völligen Vernachlässigung durch das Bauamt berichten – aber nur anonym. Ist das Bürgernähe oder städtische Servicementalität? Wohl kaum. Das wirft ein schlechtes Licht auf die Verwaltung und schließlich auf ganz Köln.