Die Rückkehr des Lebens nach der Pandemie ruft auch Straftäter auf den Plan. Die Kriminalität ist in Köln im vergangenen Jahr stark gestiegen.
„Da ist ordentlich Druck auf dem Kessel“Warum die Kriminalität in Köln so stark steigt
Die Lage sei vergleichbar mit einer Sektflasche. Der Druck, sagt Kripo-Chef Michael Esser, sei irgendwann so groß geworden, dass jetzt der Korken aus dem Flaschenhals geschossen sei. Das Gewaltpotenzial bei vielen Menschen habe in den Pandemie-Jahren derart stark zugenommen, dass „Probleme häufiger handgreiflich gelöst werden als früher“, stellt Esser fest. „Da ist offenbar ordentlich Druck auf dem Kessel“. Infolge von Körperverletzungen mussten im vergangenen Jahr 238 Menschen in Krankenhäuser gebracht werden, sagte Esser.
Was viele Einsatzkräfte im täglichen Dienst erfahren, bekommt mit der am Dienstag veröffentlichten polizeilichen Kriminalstatistik eine faktische Grundlage. Der deutliche Zuwachs von Körperverletzungen und anderen Delikten der Gewaltkriminalität ist einer der Treiber der im vergangenen Jahr insgesamt wieder deutlich gestiegenen Zahl von Straftaten in Köln. Gut 127.000 Straftaten erfasste die Polizei im vergangenen Jahr in Köln, eine Zunahme von etwa 18 Prozent im Vergleich zum Corona-Jahr 2021 und auch leicht mehr als in den beiden Vor-Corona-Jahren 2018 und 2019. „Nachdem das Leben wieder in die Stadt zurückgekehrt ist, waren diese teils massive Steigerungen zwar zu erwarten“, sagte Polizeipräsident Falk Schnabel am Dienstag. „Dennoch sind die Zahlen nicht zu beschönigen.“
Besonders stark sind neben Körperverletzungen (+ 28 Prozent gegenüber 2021) und anderen Delikten der Gewaltkriminalität wie Vergewaltigung und Raub (+ 20) auch die Zahlen der sogenannten „Straßenkriminalität“ gestiegen. In den beiden Corona-Jahren mit mehreren Lockdowns waren zwischenzeitlich keine bis wenige Menschen in die Innenstadt gegangen, größere Veranstaltungen wurden unmöglich. Resultat waren historisch niedrigere Zahlen etwa bei Taschen- und Ladendiebstählen.
Hier gab es 2022 eine klare Trendwende. Gut 7300 Fälle (+57 Prozent) registrierte die Polizei im vergangenen Jahr. Teils haben sich die Zahlen gegenüber 2021 mehr als verdoppelt und befinden sich nun wieder etwa auf dem Level von 2018. Die regionale Aufschlüsselung macht deutlich, dass Straftaten aus diesem Bereich vor allem in der Innenstadt stark zugenommen haben. Vollere Innenstädte, belebtere Partyzonen machen sich bemerkbar. „Taschendiebstahl hat Hochkonjunktur“, sagte Kripo-Chef Esser und kündigte eine baldige „konzertierte Aktion“ verschiedener Polizeidirektionen, der Bereitschaftspolizei und städtischer Ämter an.
Dabei sollen die Beamten sowohl uniformiert als auch zivil eingesetzt werden, um Täter zu erwischen und zu durchsuchen. Polizeipräsident Schnabel unterzeichnete dafür am Dienstag die Anordnung einer sogenannten „strategischen Fahndung“, durch die Verdächtige auch anlassunabhängig kontrolliert werden können. Von den bereits ermittelten Tätern oder Tatverdächtigen bei Taschendiebstählen sind etwa 90 Prozent nicht Deutsch. Über alle Delikte hinweg etwa 38 Prozent.
Die Polizei betonte aber, dass diese Zahlen nur die angezeigten und aufgeklärten Fälle einbeziehen. Auch die Verfolgung von Diebstählen aus Autos oder von Autoteilen wie teuren Katalysatoren macht den Ermittlern wieder deutlich mehr Arbeit. Hier sind die Zahlen um zwölf Prozent gestiegen.
Kripo-Chef Esser sieht seine Direktion angesichts der hohen Zahlen vor „besonderen Herausforderungen“. Die Ermittlungen der Missbrauchskomplexe Bergisch Gladbach und Wermelskirchen brächten die Kriminalpolizei an die Kapazitätsgrenzen, sagte Esser. Die zu untersuchenden Datenmengen überstiegen auf absehbare Zeit den Terrabyte-Bereich, sodass bald von Petabyte gesprochen werden müsse. „Hier kann uns in Zukunft Künstliche Intelligenz voranbringen“, sagte Esser.