Köln – „Das Foto habe ich in einer Kölner Zeitung gesehen“, sagt Werner Ritter (88), Schweizer Maler, der in Basel und Paris lebt und arbeitet. Die Nachtaufnahme eines Autounfalls auf der Zoobrücke. Fast monochromes Neonlicht, ein fast schon banales Alltagsmotiv, dass der Künstler aufbläst zu einem 130x162 Zentimeter großen Gemälde. Öl auf Leinwand, fotorealistisch gemalt und doch so reduziert, dass gesichtslose Menschen Teil einer bizarren Szenerie werden, die sich fokussiert auf gefaltetes, zerstörtes Blech.
Pop Art und Fetisch Auto
Das ist Pop Art, „Fetisch Auto“, wie eine Ausstellung im Basler Tinguely-Museum damals hieß, in der auch Ritter vertreten war, aber auch „Figuration critique“, wie er es heute nennt. „Neben dem Blech tauchen bald Stoffe, Karton, Papier, Plastik oder Folien in den Werken auf“, hat die Schweizer Kunstwissenschaftlerin Francoise Theis über seine Arbeit geschrieben. „Alltagsdinge, in einem Zustand zwischen Gebrauchtwerden und Verbrauchtsein, werden in ihrer matten und reflektierenden, weichen oder formbeständigen Materialität in Malerei-Collagen, ausschnittweise und überbelichtet scheinend, oft bläulich schimmernd in Großaufnahmen auf die Leinwand gebracht.“
Werner Ritter interessiert weniger der Unfall, mehr der Faltenwurf des Blechs. Ein Bild des Renaissance-Malers Konrad Witz aus dem 14. Jahrhundert wurde zur großen Inspiration: den Faltenreichtum der Gewänder von Katharina und Magdalena suchte er fortan für seine Malerei überall. Riesige Autoschrottplätze im Süden von Paris waren eine bevorzugte Anlaufstelle für ihn bei der Motivsuche. „Kaputte Autos sind für mich schöner als Neue“, sagt der Maler. Er orientierte sich an Fotovorlagen, brachte aber auch immer wieder erotische Frauendarstellungen in seinen Schrottbildern unter.
Erotische Frauendarstellungen auf dem Schrottplatz
Sex sells, das galt zumal in den wilden 70ern. Auch Bernd Bauer, der Ritters Arbeiten aktuell in seiner Galerie N18 zeigt, kaufte damals eines dieser Motive. Ritters Frau Brigitte Kretz, eine der bekanntesten Basler Laternenmalerinnen, musste für solche Bilder Modell stehen. „Ich habe sie geschminkt und entsprechend angekleidet. Sie hat das sehr gut gemacht“, sagt er rückblickend. Was seiner Frau nicht so gefiel, war die Tatsache, dass er einige der Bilder „Suide de Gesine“ nannte. Eines davon hat Modezar Pierre Cardin erstanden.
Die geheimnisvolle Gesina Liebe aus Köln
„Mein Frau war aber auch schöner als die Gesina“, sagt Ritter. Denn den Namen lieferte eine Kölnerin. Gesina Liebe. Bildhauerin. „Die müsste heute auch zwischen 80 und 90 Jahren alt sein. (lacht) Meine Frau war eifersüchtig, aber da ist nichts gelaufen“, sagt Ritter fast entschuldigend, „aber der Name war doch so schön. Ich habe ihr nur den Namen gestohlen.“
Ritter war damals öfter in Köln. 1973 – aus diesem Jahr könnte das Zoobrückenbild stammen – hatte er eine Ausstellung im Besteckladen von Bodo Glaub. „Eine Grüpfenausstellung wie so viele am Anfang“, lästert Werner Ritter heute – Kunst versteckt hinter Porzellankitsch oder im Nirgendwo auf dem Land in der Scheune eines reichen Anwalts. Das brauchte es zum Überleben, war aber „Grüpfen“. Er fuhr mit seiner Ente, einem Citröen 2CV, die Bilder nach Köln, hängte sie selbst auf. „Zur Vernissage kamen drei hübsche, junge Frauen, aber sonst niemand. Ich habe dann Bier gekauft und mit denen gequatscht. Um acht haben sie dann gesagt: Wir gehen jetzt nach Hause, wir sind nur von sechs bis acht bezahlt. Da saß ich dann alleine mit meinem Bier.“ Ritter lacht, „aber damals war es grauenhaft.“Werner Ritter, Ausstellung in der Galerie N18, Norbertstr.18, Innenstadt. Termine nach Vereinbarung, Tel 0172-527 7771. Die Ausstellung wird begleitet von zwei Konzertlesungen.