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Ärztemangel in KölnEin Jahr lang vakant – Hausarzt-Praxis in Porz-Wahn wieder besetzt

Lesezeit 4 Minuten
Masoud Takhsha übernahm vakante Kassenzulassung in Porz-Wahn. Auch in der Großstadt wird es schwierig, Arztpraxen neu zu besetzen.

Masoud Takhsha übernahm vakante Kassenzulassung in Porz-Wahn. Auch in der Großstadt wird es schwierig, Arztpraxen neu zu besetzen.

Die Wahner Hausarztpraxis war ein Jahr lang verwaist. Inzwischen wird die Nachfolge-Suche auch in der Großstadt zu einem Problem.

Ein neues Schild an der Praxistür erfreut seit Juli viele Wahner Patientinnen und Patienten, die seit einem Jahr zu spüren bekommen haben, was Ärztemangel bedeutet. Masoud Takhsha, Facharzt für Innere Medizin, hält jetzt an allen Wochentagen Sprechstunden an der Winkelsmaar und hat die Praxis dort übernommen.

Seit der bisherige Praxisinhaber Thomas Hillinger aus Krankheitsgründen im vorigen Sommer nach 35 Jahren seine Tätigkeit beenden musste, waren Hunderte Menschen gezwungen, sich ersatzweise eine Hausarzt-Versorgung zu suchen. Der Andrang brachte die Hausarztpraxen in Wahn und den umliegenden Stadtteilen an die Grenzen des Leistbaren. So sah sich Wolff Geisler, Hausarzt in der Nachbarschaft, zu einem Patienten-Aufnahmestopp gezwungen – etwas bis dahin Undenkbares.

Masoud Takhsha war zuvor in vielen Kliniken angestellt

Jetzt baut Facharzt Masoud Takhsha sich an vertrauter Stelle einen neuen Patientenstamm auf. Schon in den ersten Tagen hat der Arzt erfahren, wie froh viele Menschen über die Wiederöffnung der Praxis sind. Denn im Krankheitsfall sei es den meisten sehr wichtig, medizinische Versorgung in ihrer Wohn-Umgebung zu haben. Zudem würden sie es als Beruhigung empfinden, wenn zwischen Arzt und Patient ein Vertrauensverhältnis wächst und die Hilfesuchenden sich nicht nur als Krankheitsfall wahrgenommen fühlen, sondern als Mensch.

Dieser in Hausarztpraxen besonders ausgeprägte Aspekt ärztlicher Hilfe hat Masoud Takhsha dazu bewogen, nach vielen Jahren Erfahrung als angestellter Arzt vor allem in Kliniken jetzt eine eigene Praxis zu übernehmen. „Ich will mein ärztliches Können nutzen, um der Gemeinschaft etwas zurückzugeben“, sagt er. Takhsha betrachtet es „als meine Pflicht, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen“.

In Berlin und Köln Medizin studiert

Er sieht sich als Teil einer in Deutschland seit Bismarcks Zeiten aufgebauten Struktur, die für inzwischen 85 Millionen Menschen Gesundheits- und Sozialfürsorge sichere. „Bemerkenswert“ sei das, vor allem im Vergleich zur schwachen Versorgungsstruktur sogar in hoch entwickelten Staaten wie den USA.

Der Arzt, der seinen Berufswunsch schon als Kind verspürte, ist im Iran geboren, hat dort Umwelthygiene und später in Deutschland in Berlin und Köln Medizin studiert. In Köln hat er seinen Facharzt gemacht und danach in Kliniken bundesweit sowie zuletzt als angestellter Arzt in Kölner Praxen gearbeitet. Dabei habe er gesehen, wie sehr die Arbeit als niedergelassener Arzt seinem persönlichen Charakter entspricht.

Auf der Suche nach einer eigenen Praxis ist Takhsha mit Thomas Hillinger in Kontakt gekommen. Dessen Praxis zu übernehmen habe einfach gut gepasst, zumal das erfahrene Mitarbeiterinnen-Team weiterhin zur Verfügung steht und ihm eine große Stütze sei. Die viele Arbeit und große Verantwortung in der Selbstständigkeit habe ihn wegen seiner jahrzehntelangen Erfahrung nicht geschreckt. Nach den ersten Wochen könne er sagen: „Die Arbeit gefällt mir sogar noch viel besser als ich gedacht hätte.“

Hausärztemangel ist auch in der Stadt angekommen

Dass Hausarztpraxen wie die in Wahn ein Jahr und länger vakant sind, ist inzwischen auch in der Großstadt kein Einzelfall mehr. Während seit längerem über den Hausärztemangel auf dem Land geklagt wird, waren bis vor wenigen Jahren Praxis-Zulassungen in Köln noch sehr gefragt.

Das hat sich landesweit sehr verändert, „die Bewerber stehen nicht Schlange“, sagt Christoph Schneider, stellvertretender Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein. Die KV vergibt im Zusammenwirken mit Ärztevertretern und Krankenkassen solche Zulassungen an qualifizierte Bewerber. In Köln seien derzeit vier kassenärztliche Zulassungen für Hausärzte frei.

Schneider zufolge scheuen nicht wenige junge Ärztinnen und Ärzte unter anderem die hohen Verbindlichkeiten und Risiken sowie die langen Arbeitszeiten, die mit einer eigenen Praxis verbunden sind. Da wählten viele lieber den Angestelltenberuf. Die KV versuche, Medizinern die Übernahme einer eigenen Praxis schmackhaft zu machen, unter anderem durch finanzielle Förderprogramme. Doch werde sich das Problem in absehbarer Zeit eher verschärfen. Im Bereich der KV Nordrhein sei aktuell jeder dritte Hausarzt älter als 60 Jahre, für die Nachfolge müsse jetzt schon vorgesorgt werden.

Größere Praxen mit Ärzteteams könnten Zukunft sein

Was Hoffnung mache, ist die Abkehr der Gesundheitspolitik von der Budgetierung, die Ärzte jahrelang in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt hat. Das könne Einsteiger ermutigen.

Christoph Schneider geht aber davon aus, dass es künftig insgesamt weniger hausärztliche Einzelpraxen geben wird. Der Ausbau von Versorgungszentren mit Ärzteteams werde dagegen zunehmen. Es könne attraktiv für Mediziner sein, in einer größeren Praxis die Arbeit, die Ausstattung, das wirtschaftliche Engagement, die Logistik und nicht zuletzt das Personal zu teilen. Praxispersonal sei ja nicht leicht zu finden.

Auch der neue Wahner Hausarzt befasst sich mit Personalsuche, denn er kann sich vorstellen, künftig junge ärztliche Kollegen mit in die Praxis zu nehmen und sie beim beruflichen Einstieg zu unterstützen. Dazu werde aber weitere medizinisch-technische Assistenz benötigt, sagt Takhsha. Und dieser Beruf sei wegen geringer finanzieller Anreize nicht so gefragt, dass der Bedarf zu decken sei. Mittelfristig hat Takhsha eine weitere Herausforderung: Der Mietvertrag für seine Praxis läuft nächstes Jahr aus, er sucht in der Umgebung neue Räumlichkeiten.

Vorerst freut sich der Arzt aber auf die täglich neue Arbeit im Dienst der Gesundheit, auf die gute Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen im Porzer Süden und künftig mit der Kardiologie am Porzer Krankenhaus. Herzgesundheit liegt ihm nämlich besonders am Herzen.