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Verdacht auf SabotageKaserne in Köln-Wahn abgeriegelt – „Abnormale Werte“ in Trinkwasser gefunden

Lesezeit 5 Minuten
14.08.2024 Köln. Vor der Luftwaffenkaserne in Wahn hat sich die Presse versammelt. Gab es hier einen Anschlag auf das Trinkwasser?

Vor der Luftwaffenkaserne in Wahn hat sich die Presse versammelt. Gab es hier einen Anschlag auf das Trinkwasser?

Die Kaserne in Köln-Wahn ist am Mittwoch abgeriegelt worden. Ein Sabotageakt ist möglich.

Ein Soldat reicht seinen Kameraden am Mittwochvormittag eine Essenslieferung durch den Zaun zur Bundeswehrkaserne in Wahn. Viel mehr Kontakt zur Außenwelt haben die Soldatinnen und Soldaten am Mittwochvormittag nicht. Nur durch das Südtor der Kaserne fahren noch vereinzelt Lastwagen der Bundeswehr auf das Gelände; um kurz vor 13 Uhr verlassen es dann zwei Sprinter der Polizei. Vor dem Tor haben sich Journalisten versammelt, die auf Informationen zu dem möglichen Sabotageakt auf die Bundeswehr warten.

Untersuchung des Trinkwassers ergibt „abnormale Werte“

Seit dem Morgen war die Kaserne abgeriegelt. Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ hatte zuerst berichtet. Demnach sollen die Behörden dem Verdacht einer Straftat nachgegangen sein. Möglicherweise wurde in die Kaserne eingebrochen und Leitungswasser des Bundeswehr-Standorts kontaminiert. Bei der Untersuchung des Trinkwassers sollen „abnormale Werte“ festgestellt worden sein, so erfuhr es der „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Redaktionsnetzwerk Deutschland) aus Sicherheitskreisen. Nun ermittelt die Polizei wegen Hausfriedensbruch gegen Unbekannt, wie eine Sprecherin erklärte. Man sei „natürlich sensibel“, die Kripo ermittle ebenfalls und auch der Staatsschutz sei eingeschaltet.

Um 13 Uhr trat Ulrich Fonrobert, Sprecher der Bundeswehr in Nordrhein-Westfalen vor die wartende Presse am Militärgelände. Er bestätigte, dass ein „Vorfall“ dafür gesorgt habe, „dass die Kaserne geschlossen werden musste.“ Es gehe um den Verdacht einer Straftat. „Wir nehmen diesen Vorfall sehr ernst. Feldjäger, Polizei, der Militärische Abschirmdienst und auch der Staatsschutz sind hier und ermitteln in der Sache.“

Kaserne in Köln-Wahn wichtiges Drehkreuz für Unterstützung der Ukraine

In der Kaserne sind mehrere Dienststellen untergebracht. Auch die Flugbereitschaft der Bundeswehr – zuständig für Reisen von Kabinettsmitgliedern und hohen Regierungsbeamten – hat dort ihren Sitz. Außerdem ist die Kaserne ein wichtiges Drehkreuz für die militärische Unterstützung der Ukraine. Ukrainische Soldaten, die in Deutschland ausgebildet wurden, treten regelmäßig von dort aus via Polen die Rückreise in das von Russland überfallene Land an.

Zwei Stunden später, als die Kaserne bereits wieder geöffnet ist, trat Fonrobert erneut vor die Journalisten und präzisierte: Tatsächlich sei ein Loch im Zaun, das zu einem Wasserwerk im Innenbereich der Kaserne führt, festgestellt worden. Zuvor habe ein Messgerät „abnormale Werte“ im Wasser entdeckt. „Das Wasser wird weiter untersucht. Es ist weiterhin nicht auszuschließen, dass es zu einer Verunreinigung kam“, so Fonrobert. Anwohnerinnen und Anwohner in Wahn mussten sich keine Sorgen um ihr Trinkwasser machen, da die Trinkwasserversorgung in der Kaserne über ein eigenes Wasserwerk läuft.

Bundeswehr und die hinzugezogenen Ermittler hatten den Verdacht, dass sich eine Person Zugang zur Kaserne verschafft hatte und sperrte alle Ausgänge ab. „Trotz intensiver Suche konnte die Person aber nicht gefunden werden.“

Berichte, wonach es mehrere Erkrankte gegeben haben soll, widersprach er. „Es stimmt, dass es heute Morgen zunächst solche Informationen gab, das hat sich allerdings nicht bestätigt.“ Lediglich gestern habe es eine Krankenmeldung wegen eines Magen-Darm-Infektes gegeben. Mit einer möglichen Verunreinigung des Wassers in der Kaserne könne das aber nicht zusammenhängen.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums wollte sich zu einer möglichen „Verletzung von Menschen“ nicht äußern. Das Territoriale Führungskommando erklärte zu dem Vorgang in Köln: „Bundeswehrangehörigen, die möglicherweise im Zusammenhang mit dem Vorfall zu Schaden gekommen sind, wünschen wir schnelle und vollständige Genesung.“ Mit den Ermittlungsbehörden werde zur Aufklärung „sehr eng und vertrauensvoll“ zusammengearbeitet.

In der insgesamt angespannten Lage wurden auch am Rande des Nato-Flugplatzes Geilenkirchen – von dort starten und landen Aufklärungsflüge – verdächtige Beobachtungen gemacht. Berichten über eine Abriegelung des Militärflugplatzes wurde jedoch widersprochen. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wurde aber zwischenzeitlich ein Mensch im Umfeld des Flughafens für Befragungen in Gewahrsam genommen. Der Verdacht erhärte sich demnach aber nicht. Eine Sicherheitsbehörde ordnete jedoch an, auch dort das Trinkwasser zu untersuchen. Es wurden aber keine Auffälligkeiten festgestellt.

Konstantin von Notz spricht von „realen Gefahren des hybriden Kriegs“

Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, Konstantin von Notz (Grüne), hat angesichts des sich erhärtenden Sabotage-Verdachts am Bundeswehr-Fliegerhorst Köln-Wahn vor hybrider Kriegführung Russlands gewarnt. „Sollten sich die Verdachtsmomente bestätigen, zeigen sich erneut die realen Gefahren des hybriden Krieges, den Putins Russland gegen die westlichen Demokratien führt, für unsere Gesellschaft“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Von Notz betonte: „Es gibt fast täglich Cyberangriffe, breiteste Desinformationskampagnen, die antidemokratische Parteien und Personen in Deutschland, Europa und den USA fördern und unsere Gesellschaft spalten sollen, aber es gibt eben auch Spionage und Sabotage.“ Er fügte hinzu: „Die Ermittlung am Bundeswehr Fliegerhorst in Köln-Wahn müssen entschlossen vorangebracht werden. Der Schutz der Soldatinnen und Soldaten auf und in den Liegenschaften der Bundeswehr ist essenzielle Grundlage für die wichtigen Aufgaben unserer Armee zum Schutz unseres Landes und seiner Menschen.“

NRW-Verfassungsschutz: Nachrichtendienste gehen deutlich robuster vor

Das Thema Spionage ist nicht neu, und es entwickelt sich weiter. Nach Angaben einer Sprecherin des NRW-Verfassungsschutzes nehmen die Sicherheitsbehörden wahr, dass feindliche Nachrichtendienste „deutlich robuster vorgehen als in der Vergangenheit, vor allem Russland“. Die Gefahr durch „Sabotage, Cyberangriffe oder staatsterroristische Aktionen“ habe sich erhöht. Diese richteten sich „nicht nur gegen staatliche Institutionen, sondern auch gegen kritische Infrastruktur, Privatwirtschaft und einzelne Personen“.

Insbesondere NRW als Standort „einflussreicher politischer Stiftungen und Parteien, zahlreicher hervorragend vernetzter Universitäten sowie wichtiger Unternehmen der Rüstungsindustrie“ stehe im „besonderen Aufklärungsmodus“ russischer Agenten. In Sicherheitskreisen heißt es schon lange, russische Dienste stießen mit Spionage, Sabotage und Cyberangriffen „in eine neue Dimension“ vor.

In einem Interview Ende Mai hatte der Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, Generalleutnant André Bodemann, die steigende Gefahr von Anschlägen und Sabotage betont. Im Juli wurde bekannt, dass von Moskau gesteuerte Agenten ein Attentat auf den CEO des Rüstungskonzerns Rheinmetall, Armin Papperger, geplant haben soll. Der Anschlag sei durch deutsche und US-amerikanische Geheimdienste vereitelt worden, hieß es.

Im April wurden zwei mutmaßliche Saboteure in Bayern festgenommen. Die Deutschrussen sollen Militäranlagen ausgespäht haben – für mögliche Bombenanschläge. Ziel war es nach Überzeugung des Generalbundesanwalts, die deutsche Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland zu sabotieren. Die Verdächtigen sollen es unter anderem auf Einrichtungen der US-Armee in Grafenwöhr in der Oberpfalz abgesehen haben, wo die USA ukrainische Soldaten ausbilden.

Der russische Geheimdienst setze überdies „weitere illegitime oder auch illegale Methoden und Mittel“ ein, um „von ihm als Gegner eingestufte und im Ausland lebende Personen zu überwachen oder verfolgen“, heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht. Russland arbeite daran, den Aderlass in den Geheimdiensten zu kompensieren, der seit 2023 durch die Ausweisung von mehr als 600 russischen Spionen mit Diplomaten-Status aus Europa entstanden war. (mit dpa und afp)