Vor 60 Jahren stellte die Kleinbahn Siegburg-Zündorf den Betrieb ein. Heute wäre eine solche Verbindung der Traum vieler Pendler.
Der „Rhabarberschlitten“Traum für Pendler – Vor 60 Jahren fuhr die letzte Bahn zwischen Siegburg und Zündorf
Eine Bahn startet nördlich der Wahner Straße in Richtung Kölner Innenstadt, eine andere fährt gen Siegburg auf den Schienen, die jenseits der Straße in Richtung Süden verliefen. Das war in Zündorf ganz alltäglich – bis vor 60 Jahren. Was heute wie ein Märchen klingt, war zu Zeiten der Kleinbahn Siegburg- Zündorf Realität.
Vom Vertrag bis zum Personentransport in vier Jahren
Die Geschichte geht so: Weil immer mehr Personen und Güter einen Transportweg zwischen dem damaligen Siegkreis, seinen Dörfern und der Stadt Köln brauchten, wurde der Bau einer Kleinbahn angestrebt. Kreis und Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke (RWE) schlossen einen Vertrag, gleich wurde mit dem Bau begonnen, und vier Jahre später wurden die ersten Passagiere befördert.
Was angesichts heutiger Planungs-, Genehmigungs- und Bauverfahren unglaublich anmutet, ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts so geschehen. Die einspurige Kleinbahn Siegburg - Zündorf, im Volksmund wegen der Streckenführung durch die Felder auch „Rhabarberschlitten“ genannt, wurde 1910 politisch beschlossen und nahm den ersten Streckenabschnitt zwischen Siegburg, Sieglar und Lülsdorf schon im Mai 1914 in Betrieb.
85 Minuten Fahrzeit von Siegburg bis Zündorf
Noch während des Ersten Weltkriegs wurde 1917 der Personenverkehr von Sieglar nach Lind eröffnet; dort gab es über die Wahner Straßenbahn Anschluss zum Wahner Bahnhof und damit zur Reichsbahn. Der Ausbau zwischen Lülsdorfer und Langel war 1920 geschafft. Und ein Jahr später konnten Fahrgäste die Kleinbahn bis zur Endhaltestelle Zündorf nutzen. Wobei laut Genehmigung des Regierungspräsidenten eine direkte Gleisverbindung zwischen der Kleinbahn und der Vorortbahn von Zündorf nach Köln ausgeschlossen war– das wäre wohl schon damals zu viel der Harmonie gewesen.
Zwar dauerte die Fahrt von Siegburg bis Zündorf 85 Minuten. Doch viele Fahrgäste wussten das Angebot sehr zu schätzen, die Auslastung war offenbar gut. Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten zahlreiche Brücken und Streckenabschnitte wiederhergestellt werden, die Kleinbahn wurde wieder rege genutzt. Doch in den 1960er Jahren nahte das Ende. Der Individualverkehr hatte erheblich zugenommen, RWE trennte sich von allen Pachtbahnen, und der Siegkreis, der die Bahn als Eigenbetrieb übernahm, wollte die von Material und Fahrzeugbestand her nicht mehr zeitgemäße Kleinbahn stilllegen.
Am 5. September 1964 fuhr die letzte Bahn auf der Strecke
Als Erstes wurde im Oktober 1963 der Personenverkehr auf dem Abschnitt zwischen Siegburg und Sieglar eingestellt. Am 5. September 1964, vor jetzt 60 Jahren, fuhr die letzte Bahn zwischen Sieglar und Zündorf. Ein Jahr später war dann mit dem Abschied von der Stichstrecke Sieglar-Wahn auch der Rest der Personenbeförderung per Kleinbahn Geschichte. Der Güterverkehr indes wird auf einigen Abschnitten der alten Trasse im heutigen Rhein-Sieg-Kreis noch weitergeführt.
Heute erschiene eine ÖPNV-Verbindung auf der damaligen Trasse vom Kölner Stadtrand in den Rhein-Sieg-Kreis vielen Pendlern als sehr erstrebenswert. Doch nach Stilllegung der Strecke blieben alle Bemühungen um eine Wiederbelebung vergeblich. Der Verein „Freunde der Kleinbahn Siegburg-Zündorf“ sowie eine später gegründete Interessengemeinschaft konnten nichts ausrichten, bedauert Klaus Schönenkorb vom Kleinbahnfreunde-Verein mit Blick auf das betrübliche Jubiläum der Stilllegung.
Auch die über Jahrzehnte immer wieder geschmiedeten Pläne zu einer Verlängerung der damaligen Vorort-Bahnlinie P (heute Linie 7) bis Langel beziehungsweise Lülsdorf scheiterten ohne Aussicht auf ein glückliches Ende.
Immerhin gebe es inzwischen Pläne zu einer Stadtbahn, die von Köln-Sürth über den Rhein nach Niederkassel, Mondorf, Beuel und Bonn führen soll und die eine Verknüpfung mit der Kölner Stadtbahnlinie 7 erhalten soll, sagt Schönenkorb. Ob oder wann sich indes in Zündorf dies- und jenseits der Wahner Straße wieder Bahnen gegenüberstehen könnten, ist ungewiss. Fest steht wohl nur: Innerhalb von vier Jahren vom Baubeschluss bis zur ersten Fahrt dürfte es nicht mehr gehen.