Tempolimit, ja oder nein?„Autobahnen sind die sichersten Straßen – auch ohne“
- Ein Tempolimit gibt es fast überall auf der Welt. Zeit, auch in Deutschland, das Rasen zu beenden?
- Claudia Lehnen sagt: Langsamfahren schon damit nicht nur den Geldbeutel, sondern rettet auch die Welt.
- Thorsten Breitkopf hält dagegen: Wer langsamer fahren möchte, um das Klima zu retten, kann das ja auch ohne Tempolimit tun.
Köln – Dieses Pro könnte schneller zu Ende sein als ein Raser in seinem Porsche Cayenne von Null auf hundert hochtourt. Die Argumente sind hinreichend bekannt. Ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen vermeidet beispielsweise Unfallopfer. Als man in Brandenburg versuchsweise einen 62 Kilometer langen Autobahnabschnitt mit einem Tempolimit von 130 km/h versah, halbierte sich die Zahl der Unfälle anschließend.
Sie sank von 654 Unfällen in drei Jahren ohne Tempolimit auf 337 Unfälle in drei Jahren mit 130 km/h. Das geht aus einer Studie über die Auswirkungen eines generellen Tempolimits im Land Brandenburg hervor. Auch die Zahl der Toten halbierte sich. Seit der Beschränkung auf 130 km/h sank sie von 38 Toten auf 19 Tote.
Zeitersparnis ist marginal
Dazu kommt: Die Zeitersparnis desjenigen, der nach jeder Baustelle nervenaufreibend auf 250 Sachen beschleunigt statt die Strecke konstant mit 130 km/h runterzumeditieren, ist marginal, oder tendiert gar gegen Null, wenn man berechnet, dass der Raser mehr Benzin verbraucht und deshalb auf einer längeren Strecke häufiger tanken muss. Und während er sein durstiges Auto mittels Tankstutzen nachfüllt, zuckelt der Langsamfahrer in aller Ruhe an der Tankstelle vorbei und kann beim Überholen winken.
Apropos Benzin: Weniger Verbrauchen ist natürlich gerade in Anbetracht von Klimawandel und Krieg ein immer wichtiger werdendes Argument. Was auch noch sinkt: Der Schadstoffausstoß. Laut Umweltbundesamt würde eine Tempobeschränkung auf 130 km/h zu einem gut zwei Millionen Tonnen geringeren Kohlenstoffdioxidausstoß führen. Pro Jahr.
Kohlenstoffdioxideinsparung von zwei Millionen Tonnen im Jahr
Das ist immerhin so viel Kohlenstoffdioxid, wie alle Bewohnerinnen und Bewohner einer Stadt in der Größenordnung von Aachen gemeinsam verursachen. Langsamfahren schon damit nicht nur den Geldbeutel, sondern rettet auch die Welt. Ein bisschen zumindest. Und das ist, wie wir wissen, gerade nötiger denn je.
Damit wäre eigentlich schon alles gesagt. Schon lange. Die Argumente liegen alle auf dem Tisch. Wahnsinnig schnell fahren, ist wie man es dreht und wendet einfach keine besonders clevere Angelegenheit. Übrigens auch keine auf die man irgendwie stolz sein könnte.
Schnell fahren ist gar keine Kunst
Klar, Geschwindigkeitsneurotikern schwelt scheinbar ab Tempo 200 die Brust und es gibt nicht wenige, die damit prahlen, den Weg von Köln nach Frankfurt in ihrer Düsenjetkarre in gerade mal einer Stunde abgerissen zu haben (unangenehm wird es, wenn man sagt, dass die umweltfreundliche Alternative Zug auch nur 45 Minuten braucht). Und dennoch muss man all jenen Ich-geb-Gas-ich-hab-Spaß-Fans leider jetzt mitteilen: Schnell fahren ist gar keine Kunst. Das Gaspedal Richtung Asphalt treten, kann in der Tat jeder Autobahnneuling.
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Wer stolz sein will und hin und wieder einen Selbstbewusstseinsboost braucht, der sollte vielleicht eher aufs Rennrad steigen. Aufs Mountainbike. Ganz ohne Fahrzeug einen Sprint einlegen. Oder – falls Motorisierung Not tut – Serpentinen fahren, vielleicht sogar ein paar Runden auf der Kartbahn abkacheln.
Gefühlvoll kurven, ja, das muss man können. Geradeausballern dagegen ist nur was für schlichte Geister.
Claudia Lehnen ist Ressortleiterin Story/NRW und hat ein Auto, das schon bei 130 km/h wie ein Rennauto dröhnt. Sie selbst fühlt sich am wohlsten bei niedrigen Geschwindigkeiten, weshalb sie am liebsten alle Strecken wandernd zurücklegen würde.
Generelles Tempolimit durch die Hintertür
Der derzeitige Energienotstand als eine der Folgen des Krieges gegen die Ukraine wird ausgenutzt, um quasi durch die Hintertüre ein generelles Tempolimit auf Autobahnen in Deutschland einzuführen. Es wird argumentiert, mit diesem einfachen Schritt ließen sich auf einen Streich Probleme wie hohe Spritpreise, CO2-Ausstoß und die Zahl der Unfälle lösen.De facto aber ist der Einfluss auf den gesamten Kraftstoffverbrauch äußerst gering. Denn: Auf rund einem Drittel der deutschen Autobahnkilometer gibt es bereits heute ein Tempolimit, hinzu kommen die zahlreichen Baustellen, die da noch nicht mitgerechnet sind.
Außerdem fährt ja auch heute nur ein Bruchteil der Autofahrer auf den Fernstraßen deutlich schneller als 130 Kilometer pro Stunde, und selbst das oft nur auf kürzeren Strecken. Das Umweltbundesamt hat errechnet: Eine Beschränkung auf 130 km/h würde zu einem um zwei Millionen Tonnen geringeren CO₂-Ausstoß führen beziehungsweise zu einer Einsparung von rund 600 Millionen Litern Kraftstoff pro Jahr. Großen Zahlen klingen nach viel, tatsächlich entspräche diese Einsparung gerade einmal zwei Prozent bezogen auf den Kraftstoffverbrauch von Autos und Kombis in Deutschland.
Dicke Autos gäbe es auch mit Tempolimit
Aber wenn es ein Tempolimit gäbe, würden die Deutschen kleinere Autos fahren, die weniger verbräuchten, argumentieren Befürworter. Dem aber ist nicht so, was der Vergleich mit den Nachbarländern zeigt. In Österreich mit seinem Tempolimit von 130 ist der Anteil an leistungsstarken Fahrzeugen nur sehr geringfügig niedriger, in der Schweiz, wo sogar eine Höchstgeschwindigkeit von 120 gilt, ist der Anteil PS-starker Autos dagegen signifikant höher.
In Italien freilich, dort gibt es ein Tempolimit und viel mehr kleine Autos. Das aber liegt daran, dass es dort eine Hubraum-abhängige Luxussteuer gibt, die große Autos teuer machen.
Aber Tempolimits haben doch Auswirkungen auf den Verkehrsfluss? Das Argument stimmt, aber nur auf Strecken mit hoher Verkehrsdichte, etwa dem Kölner Autobahnring. Aber auf solchen Strecken rund um Ballungsräumen gilt ohnehin meist schon heute eine enge Geschwindigkeitsbegrenzung, oder es gibt elektronische Anzeigen mit flexiblen Höchstgeschwindigkeiten je nach Verkehrslage. Und das ist ja faktisch dasselbe wie ein Tempolimit, nur eben auf die Anzahl der Fahrzeuge abgestimmt.
Autobahnen sind die sichersten Straßen Deutschlands
Und die Sache mit den Unfällen? Autobahnen sind die sichersten Straßen Deutschlands. Dort werden pro Jahr etwa ein Drittel aller Kraftfahrzeugkilometer gefahren. Der Anteil der Verkehrstoten aber ist im Vergleich dazu mit rund zwölf Prozent unterdurchschnittlich: Pro einer Milliarde Fahrzeugkilometer sterben dort derzeit 1,5 Menschen. Im Vergleich dazu liegt die Zahl außerorts auf Bundesstraßen bei 4,7. Laut ADAC lassen sich auch beim innerdeutschen Vergleich auf Abschnitten ohne Geschwindigkeitsbeschränkung anteilig nicht mehr Unfälle feststellen als auf Strecken mit Tempolimits von 120 oder 130.
Obendrein muss ja nicht immer alles gesetzlich geregelt werden. Wer langsamer fahren möchte, um das Klima zu retten, kann das ja auch ohne Tempolimit tun. Die deutschen Autobahnen sind breit genug, damit schneller fahrende Fahrzeuge gefahrlos überholen können.
Thorsten Breitkopf ist Leiter des Wirtschaftsressorts und ein Freund des Autos. Er sagt: „Der Staat sollte nicht alles regulieren. Wer heute langsamer fahren will, kann das auch ohne Tempolimit tun. Die Autobahnen sind breit genug.“