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Stinkende Spuren in ParksWildgänse werden in Köln zur Plage

Lesezeit 5 Minuten

Im Rheinpark suchen Kanadagänse nach Nahrung.

Köln – Der Vingster See steht für das Gefühl von Urlaub mitten in der Stadt, wenn man seine Bahnen im See zieht und die Kinder am Sandstrand Burgen bauen. Wenn da nicht das Problem mit den Tretminen wäre: Kanadagänse haben das Areal in Scharen geentert und zur ganzjährigen Heimstatt erkoren und hinterlassen ihre Spuren. Nach Angaben der Stadt ist der Vingster See ebenso wie der Rheinpark zum Kölner Hotspot für die eingewanderten Tiere geworden. Auch am Fühlinger See suchen die Tiere laut Grünflächenamt auf den Liegewiesen nach Nahrung.

Wildgänse sind für die Stadt zum Problem geworden. Und zwar zu einem, das immer weiter wächst, wie der Leiter des Grünflächenamtes der Stadt Köln, Manfred Kaune, konstatiert. Denn die Tiere haben vor allem eines: Hunger. Die Gänse fressen ständig und picken bis zu 100 Mal pro Minute. Das Ergebnis sind etwa 40 Kothaufen pro Stunde pro Gans, die wahlweise auf Wiesen oder im Wasser landen.

Gänse bedrohen irgendwann auch das ökologische Gleichgewicht des Sees

Damit die Badenden ihre Handtücher unfallfrei platzieren können, müssen die Mitarbeiter der Köln-Bäder einen immensen, vor allem nie nachlassenden Reinigungsaufwand betreiben. Die Pächter hätten schon angefragt, ob sie die Tiere nicht schießen könnten, so Kaune. Denn die stinkenden ätzenden Spuren, die die Vögel auch im Wasser hinterlassen, vertreiben nicht nur Menschen, sie bedrohen irgendwann auch das ökologische Gleichgewicht des Sees.

Mit der Problematik durch eingewanderte Wildgänse, in der Mehrzahl Kanadagänse und Nilgänse, steht Köln nicht alleine da. Gemeinsam suchen die Kommunen nach Lösungen. Denn auch in anderen NRW-Städten wie Dortmund, Düsseldorf, Mülheim oder Essen kämpft man mit den Hinterlassenschaften der immer zahlreicher werdenden Tiere, die diese in Parks, auf Spielplätzen und Liegewiesen hinterlassen und damit die Menschen vertreiben. Graugänse, Nilgänse und Kanadagänse sind eingewanderte und hier ursprünglich nicht heimische Arten, die die Kulturlandschaft in den Großstädten lieben: Grüne Wiesen und Wasser. Da sie außer dem in der Stadt eher selten anzutreffenden Fuchs keine Feinde haben, können sie sich immer weiter ausbreiten.

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Essen hat sogar mit Hilfe der renommierten Gänseexpertin Susanne Homma einen Masterplan entwickelt, um der Plage im dortigen Gruga-Park Herr zu werden. Im Jahr zuvor hatte man beschlossen, einen Teil der Tiere kontrolliert zum Abschuss freizugeben und allein mit der Ankündigung einen wahren Proteststurm provoziert. Die Gänsejagd stößt laut Kölner Jägerschaft im urbanen Raum auf wenig Akzeptanz, weil viele Menschen eine besondere Beziehung zu Gänsen hätten. In Krefeld musste eine zur Eindämmung der Population von der Stadt angeordnete Jagd sogar von der Polizei eskortiert werden, um die Jäger vor den Tierschützern zu schützen. Gänseexpertin Homma lehrte die Essener, dass es gar nichts bringt, die Tiere abzuschießen, da sie diese dann in einer Art Kompensationsreaktion einfach umso mehr Nachkommen zeugen.

Neuss versucht es mit der Schütteltechnik

In Neuss versuchte es die Stadt mit einer anderen Methode als das „Jröne Meerke“ (grünes Meerchen), ein renaturierter See mit klarem Badewasser und Liegewiesen, von Schneegänsen, Graugänsen und Kanadagänsen heimgesucht wurde. In der Folge wurde der See vor lauter Kot zur Sickergrube, der Kinderspielplatz musste wegen Infektionsgefahr durch Kolibakterien gesperrt werden. Mit der sogenannten Schütteltechnik wurde der Bestand reduziert: Dabei wird ein Teil der Eier im Nest durch Schütteln unfruchtbar gemacht. Wenn man sie dagegen wegnimmt oder zerstört, legt die Gans neue.

Andere Kommunen kommen auf andere kreative Ideen. So etwa die Stadt Mülheim die testweise Drohnen einsetzt, um die Tiere zu verjagen. Parallel dazu soll ein Mähroboter zum Einsatz kommen, um das Gras extrem kurz zu halten und den Gänsen so die geliebte Futterquelle zu entziehen.

Höckerschwäne sollen Gänse vertreiben

Die Gänseexpertin Homma rät Kommunen – außer dem Unzugänglichmachen der Brutplätze – dazu, dem Federvieh den Aufenthalt weniger schmackhaft zu machen und auf proteinarme Grassorten zu setzen. Die Tiere mögen frische Grasspitzen, aber keine langen Halme oder gar Blumenwiesen. Düsseldorf und Dortmund bauen daher nun gezielt diese Pflanzen an, die den Tieren nicht schmecken. Außerdem setzen die Düsseldorfer auf natürliche Konkurrenz: Sie wollen mehr Höckerschwäne ansiedeln, die sich traditionell mit Wildgänsen nicht verstehen und diese nicht an ihren Brutplätzen dulden.

In Köln ist nach Auskunft des Grünflächenamtes geplant, im Rheinpark die Wiesenflächen durch das Aufstellen von Pflanzkübeln unattraktiv zu machen. „Gänse mögen freie Sicht, so dass sie die Beutegreifer frühzeitig bemerken können“, erläutert Amtsleiter Kaune. Zudem setzt man in Köln jetzt auf Jagdhunde: Am Vingster See sollen die Tiere für die Jagd ausgebildet werden, auch im Wasser. Das soll die Gänse ganzjährig abschrecken und fernhalten. Die mit Abstand wichtigste Maßnahme ist aber laut der Gänseexpertin, das absolute Fütterverbot, das oft von Spaziergängern unterwandert wird. Hier will die Stadt künftig verstärkt auf die Einhaltung achten.

Kanadagänse sind Einwanderer

Jedes Jahr im Frühjahr und im Herbst sorgen die arktischen Wildgänse für ein sehenswertes Spektakel, wenn sie in ihrer typischen Keilformation am Himmel über Köln erscheinen. Das Problem sind nicht diese Wildgänse, die im milden Rheinland überwintern und die sich dann mit dem beginnenden Frühjahr wieder auf den Rückweg machen. Problematisch sind die sogenannten Sommergänse. Das sind Neozoen, also Neubürger, die beschlossen haben zu bleiben: Es sind ursprünglich nicht heimische Wildgansarten wie Kanadagänse, Schneegänse und Nilgänse, deren Namen schon den Migrationshintergrund verraten. Sie wurden ursprünglich mal als Ziergeflügel etwa in Parks oder Gärten angesiedelt, sind irgendwo entwichen und haben sich dann explosionsartig vermehrt, da die Kölner Bucht und der Niederrhein mit den vielen Kiesgruben und der Hochleistungslandwirtschaft ideale Lebensgrundlagen bietet. Die Tiere lieben die Bedingungen der Großstädte mit ihren Wiesen, Wasserflächen und Parks.  (ari)