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Querbeat-Sänger im InterviewJojo Berger: „Im Moment ist die Zeit, klare Kante zu zeigen“

Lesezeit 9 Minuten
Jojo Berger singt mit Mikrofon in die Kamera.

Jojo Berger ist Sänger der Band Querbeat.

Jojo Berger, Sänger von Querbeat, spricht über die Anfänge der Band, ihr politisches Engagement und Pläne für die Zukunft.

Sie haben Querbeat als Schülerband in Bonn gegründet. Was würden Ihre alten Lehrer über Sie sagen?

Jojo Berger: Kam immer zu spät. Aufgewecktes Kerlchen. Bisschen vorlaut. Mitarbeit geht so. Sich irgendwie immer rausgerettet.

Ihre Eltern wollten, dass Sie auch Lehrer werden.

Ja, da habe ich echt gegen die Wand geredet. Die meinten, dann könnte ich doch in den Sommerferien Musik machen. Ich habe gesagt: Nein, ich möchte Musik machen, wenn andere Lehrer sind und in den Sommerferien Urlaub machen. Das habe ich dann auch durchgezogen.

Querbeat hat mit Straßenmusik angefangen. Was lernt man da fürs Leben?

Strom zu finden. (lacht) Heute wollen uns ja zum Glück viele Leute sehen. Damals war das nicht immer so. Wenn du zu einem Straßenfest gehst und sagst „Diese Ecke gehört jetzt uns, hier machen wir eine halbe Stunde Alarm“, da lernt man Musik machen gegen Widerstände. Alles, was passieren kann, auch an wunderbaren Freaks der Menschheit, haben wir immer gefeiert. Wenn Leute verrückt anfangen zu tanzen oder dir in die Gitarre greifen wollen: Vor unerwarteten Situationen habe ich keine Angst mehr. Mich schockt nichts mehr live.

Querbeat hat unlängst die Single „Kein Kölsch für Nazis“ rausgebracht. Wie kam es dazu?

Wenn jemand sagt, er sei unpolitisch, heißt das, er ist an Gesellschaft nicht interessiert. Wir bei Querbeat sind sehr gesellige und gesellschaftliche Menschen. Je mehr Reichweite wir haben, desto mehr fühlen wir eine Verantwortung, die Gesellschaft zu inspirieren. Dass wir uns eine sehr bunte, sehr tolerante, sehr faire Gesellschaft ohne Diskriminierung, Homophobie und Ausländerfeindlichkeit wünschen, wird in vielen unserer Songs klar. Aber wir wollten jetzt ein echtes „Hallo wach“ machen, auch für uns selbst.

Querbeat auf der Bühne.

Querbeat bei einem Konzert in der Lanxess-Arena.

Warum?

Der Ausgangspunkt des Lieds ist: Wo kann man bei sich selbst anfangen? Es ist immer einfach zu sagen: Guck mal, da marschieren sie wieder, wir sehen ein Hakenkreuz, das wollen wir nicht. Aber ganz viele Menschen, die Erfahrungen mit Rassismus gemacht haben, sagen, dass es immer mit Sprache anfängt. Dass Friedrich Merz über Paschas redet, dass AfD-Politiker brutale Sprache benutzen, die verletzt. Warum machen wir uns alle viel zu wenig Gedanken über Alltagsrassismus? In der Strophe heißt es „wenn man hinter Wörtern Scherben kehrt“: Damit hat der Song angefangen.

„Kein Kölsch für Nazis“ heißt auch eine Initiative der Kölner Kneipen.

Das ist wirklich die geilste Bewegung. Und weil dieser Slogan da war, haben wir ihn genommen, um ein Gegenstatement zu setzen zu den Menschen, die sagen: Vielleicht ist es ja doch okay, wenn 25 Prozent AfD wählen, mitzumachen. Wenn man im Club nach links und rechts guckt und alle Leute „Kein Kölsch für Nazis“ schreien sieht, findet eine Verschwisterung statt.

Kommt „Kein Kölsch für Nazis“ auch außerhalb der Kölner Region an?

Ja, total. Das ist Wahnsinn. Gerade in Städten wie in Dresden und Leipzig, wo es viel mutiger ist, sich hinzustellen und laut gegen Nazis zu sein. Denn dort sind sehr viele richtige Nazis unterwegs und nicht nur verkappte Alltagsrassisten. Die haben dort auch einen viel größeren Respekt vor einer Kunstszene, die sich positioniert. Es berührt mich richtig, wenn in einem Club in Dresden 800 Leute das Lied mitsingen und mir hinterher gesagt wird, wie schön das war, dafür nicht auf die Schnauze zu bekommen. Anderseits ist es super traurig, dass das 2024 in unserem Land Realität ist.

Das ist eigentlich unsere Logik: Wenn es keine Rassisten gibt, ist das Lebensgefühl für alle besser
Jojo Berger

War Querbeat immer schon eine politische Band?

Definitiv. Wir wissen alle, was wir wählen und haben immer Sonntagsumfragen im Bandbus gemacht. Wir diskutieren viel. Gleichzeitig ist es auch ein schwerer Grad, weil man die Leichtigkeit nicht verlieren will. Wir wollen ein gutes Lebensgefühl verkörpern. Das ist eigentlich unsere Logik: Wenn es keine Rassisten gibt, ist das Lebensgefühl für alle besser.

„Klare Kante war einmal normal in meiner Stadt. Ob in Kalk oder in Sürth, hier ist für Nazis kein Platz“, heißt es im Song. Ist klare Kante in Köln nicht mehr normal?

Die Zeile stammt von „Lugatti“ von Lugatti & Nine, ein sehr cooles Rap-Duo, die den Song mit uns geschrieben haben. Ich interpretiere ihn so, dass es auch hier Momente gibt, wo man sich fragen muss, ob das noch normal ist. Es ist eine wirklich schöne Erfahrung, mit der Band zu touren und die Marke Köln von außen gespiegelt zu bekommen. Dann wird gesagt: Ihr feiert gerne Karneval und trinkt Bier aus viel zu kleinen Gläsern, aber politisch seid ihr super stabil. Ihr seid eine offene Stadt. Dieses CSD-Feeling, das hier in der Stadt herrscht, trägt sich raus in ganz viele andere Städte, wo Köln eine Marke ist für genau das. Wenn man hier ist, unterschätzt man das total. Die Leute verstehen Inhalte und wissen, wofür Städte stehen. Daran zu arbeiten, ist eine Pflicht von uns allen. Diese Marke darf nicht beschmutzt werden. Auch bei der Frage, wem man eine Bühne bietet.

Musiker auf der Bühne.

Querbeat ist eine 13-köpfige Band.

Neulich hat ein Konzert der rechten Band Weimar in den Sartory-Sälen stattgefunden, trotz Demonstrationen und Berichten.

Man muss und kann nicht alles verbieten. Aber ich wünsche mir, dass man selbst einen Kompass entwickelt. Wo sage ich etwas, wenn diskriminiert wird? Wenn ich eine Bühne habe, ist es relativ einfach, zu sagen: Ich lasse keine rechte Band auf meiner Bühne auftreten. So. Im Moment ist die Zeit, klare Kante zu zeigen.

Bekommt Querbeat Gegenwind oder Hass in den sozialen Medien für die klare Kante?

Auf jeden Fall. Allerdings weniger bei „Kein Kölsch für Nazis“, wo die Einnahmen übrigens an die Initiative der Kölner Kneipen und an „Exit Germany“ gehen, einen Verein, der Aussteiger aus einem extrem rechten Milieu resozialisiert. Viel mehr Probleme hatten wir bei einem Song, den wir in der Pandemie gegen Verschwörungs-Idioten gemacht haben. Das kann man sich nicht ausdenken.

Nächste Querbeat-Single erscheint Ende Juni

Inwiefern?

Wir dachten, alle können sich wenigstens darauf einigen, dass die Erde keine Scheibe ist. Aber schon da stößt du auf Widerstand. Unfassbar ist auch dieses Misstrauen, dass da oben alles über die Menschen hinweg entschieden wird. Wir hatten mal einen Busfahrer, der sagte: Viel Spaß beim Mittagessen. In eurer Wurst ist ein Chip. Das hat der ernst gemeint.

Welchen Querbeat-Song mögen Sie selbst besonders?

Ein Song wie „Bunte Pyramiden“ ist krass, der fliegt schon weiter. Es ist das größte Kompliment, wenn man einen Song schreibt und das Gefühl hat, das gehört einem selbst nicht mehr, weil so viele Leute ihre Momente in den Song tun. Was wir an Zuschriften kriegen zu dem Lied! Total nette, krass intime Schicksalsschläge, wo der Song rausgeholfen hat. Das ist einfach schön.

Woran arbeitet die Band gerade?

Wir machen sehr viele Songs, die jetzt nach und nach rauskommen. Die nächste Single kommt Ende Juni, also eine Woche nach unserem Festival „Randale und Freunde“ in der Bonner Rheinaue, wo es den Song als Live-Premiere gibt. Und dann wird es alle anderthalb Monate einen neuen Song geben.

Das Querbeat-Festival findet am 22. Juni zum dritten Mal statt - mit vielen musikalischen Freunden wie Milky Chance. Worauf freuen Sie sich?

Die Bonner Rheinaue ist eine sehr tolle Location. Wir sind dort musikalisch sozialisiert worden durch das Festival Rheinkultur. Da habe ich Musik lieben gelernt. Deswegen ist es eine Ehre, dieses Gelände wieder neu zu bespielen. Letztes Mal waren 25.000 Leute da, es fühlt sich aber eher an wie ein Familienfest. Manchmal vergessen wir selbst, dass wir noch auftreten müssen, weil wir den ganzen Tag mitarbeiten.

Querbeat spielt erstmals bei Rock am Ring

Jetzt am Wochenende steht aber erst einmal Rock am Ring an – eine Premiere für Querbeat.

Wir dürfen sogar das Programm auf der Hauptbühne eröffnen. Bei Rock am Ring zu spielen, ist ein Ritterschlag, wenn man aus der Gegend kommt. Wir sind ein bisschen aufgeregt.

Wann kommt das nächste Querbeat-Album?

Wir planen die nächste Tour gerade für 2025, da wird es auf jeden Fall ein neues Album geben. Wir sind eine Album-Band, auch wenn das etwas altmodisch ist. Alben sind einfach schön.

Querbeat spielt immer weniger im Karneval. Warum eigentlich?

Das wäre der einfachere Weg. Aber wenn wir das ganze Jahr auf Tour gehen, können wir nicht so viel im Karneval unterwegs sein. Wir wollen nicht nur wegen des Geldes viel spielen und dann müde sein. Trotzdem liebe ich Karneval sehr, das ist für mich ein absoluter Gleichsteller in der Gesellschaft. Die Milieus mischen sich, man bändelt an, weil der andere auch Clown ist. Ich liebe diese Frage: Was wirst du? Diese Frage verstehen nur Leute, die Karneval feiern.

Was sind die weniger schönen Seiten am Karneval?

Wenn man recherchiert, woher die Uniformen kommen und dass das Militär eigentlich verarscht werden sollte, finde ich es komisch, dass es sehr traditionelle Korps gibt, die das krasser leben als das Militär selbst. Für mich ist Straßenkarneval der Höhepunkt der Session.

Als 13-köpfige Band harmonisch zusammenzubleiben, stelle ich mir herausfordernd vor. Was ist das Geheimnis dieser langen Ehe?

Wir sind gemeinsam älter geworden, sind gleich sozialisiert, haben unsere ersten Male gefühlt gemeinsam erlebt. Dann wird nicht lange diskutiert, ob man jetzt eine Gage spendet. Wir teilen den gleichen Optimismus, können zusammen Momente und uns gut feiern. Wir haben in der ganzen Bandgeschichte noch keine Kampfabstimmung gehabt.

Wie unterscheidet sich das Publikum in Köln von anderen Städten?

Jede Stadt ist anders – vor allem in der Warm-up-Phase. Manche sagen: Ich bin ab Song eins am Start. Und manche denken sich: Nee, ich komme erst noch an. Köln zählt zur ersten Kategorie.

Wofür muss man Köln unbedingt lieben?

Für die südländische Liebe voller Verpeiltheit und Undiszipliniertheit.

Wo ist in Köln noch Luft nach oben?

Schön wäre noch viel mehr Grün, mehr kultureller Freiraum. Und vielleicht mal so ein Ordnungsamt-Workshop: Was ist eigentlich geil am Leben? Das soll jetzt kein Ordnungsamt-Bashing sein. Denen wird das ja auch nur vorgegeben. Aber Kultur ist halt laut. Und es gibt junge Menschen, die feiern wollen.


Das Randale und Freunde-Festival von Querbeat findet am 22. Juni in der Bonner Rheinaue mit Ennio, Milky Chance, Querbeat, Sirens of Lesbos und Roy Bianco & die Abrunzzati Boys statt. Tickets gibt es hier.