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Reichsbürger NRWWirre Hetze von bewaffneten Staatsfeinden

Lesezeit 4 Minuten
Sichergestellte Waffen von «Reichsbürgern» am 17.11.2016 im Polizeipräsidium in Wuppertal

Besondere Gefahr geht auch in NRW von Reichsbürgern aus, die Waffen besitzen oder selbst welche basteln.

Querdenker, Rechtsextremisten, rechtsgerichtete Esoteriker und Reichsbürger eint vor allem eines: Die Feindschaft zur hiesigen Republik. Wo die Behörden ihnen in NRW auf der Spur sind.

Die Pläne deuteten auf einen rechtsterroristischen Plot hin. Im Mittelpunkt stand der Sturm auf den Bundestag. Die militante Gruppe um den Reichsbürger Heinrich XIII Prinz Reuss wollte offenbar mit Waffengewalt die Herzkammer der deutschen Demokratie unter ihr Kommando bringen. Die bundesweite Razzia belegte, dass sich im Zuge der Ukraine-, Corona- und Energiekrise ein höchst brisantes Sammelbecken stetig füllt. Querdenker, Rechtsextremisten, rechtsgerichtete Esoteriker und Reichsbürger eint vor allem eines: Die Feindschaft zur Bundesrepublik Deutschland.

Der 29. August 2020 zeigte bereits in Ansätzen ein ähnliches Szenario. Eine große Anti-Corona-Demonstration nutzten interessierte Extremisten-Kreise, um Richtung Reichtags-Gebäude zu marschieren. Einige Hauptprotagonisten stammten aus NRW. Die Erkenntnisse seinerzeit zeigen erneut, wie diffus und doch von einheitlichem Hass getrieben sich die Bewegung der Staatsfeinde inzwischen aufstellt, wenn es um öffentlichen Protest geht.

Am Reichstag auch Sympathisanten von Combat 18 aus NRW

So fanden sich bei der Kundgebung am Reichstag etwa Sympathisanten der inzwischen verbotenen Neo-Nazi-Truppe Combat 18 aus NRW ein. Auf der Treppe hoch zum Reichstagsgebäude wurde auch der Rechtsextremist Dominik Roeseler gesehen, der zwei Jahr später als Anstifter der Schändung einer Moschee in Mönchengladbach zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Der Mitbegründer der Schläger-Riege „Hooligans gegen Salafisten“ fackelte auf der Reichstagstreppe ein Bengalo-Feuer ab und versuchte die Menge weiter aufzuhetzen. Auch Tamara Kirschbaum machte mit. Die Heilpraktikerin und mutmaßliche Reichsbürgerin aus der Eifel rief dazu auf, sich „das Hause zurückzuholen“. Zahlreiche weitere Protagonisten rechter Verschwörungsmilieus waren ebenfalls zugegen.

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Eifel, das Bergische Land, der Oberbergische Kreis – meist ländliche Regionen bilden den Schwerpunkt der Reichsbürgerszene im Großraum Köln. Die Eiferer lehnen jegliche staatliche Organisationen ab, wehren sich gegen Steuerabgaben genauso wie gegen GEZ-Gebühren. Dafür überschwemmen sie die Behörden mit völlig wirren Widersprüchen und Eingaben.

Allein im Oberbergischen soll es nach Angaben der Koordinierungsstelle des Netzwerks gegen Rechts rund 200 Anhänger geben. Rechte Esoterik-Sekten und Ökosiedler suchen hier Fuß zu fassen, um rechtsfreie Räume zu entwickeln. Höfe werden angekauft, um eigene vom Staat abgeschottete Strukturen zu schaffen – mit Schulen und Freilerngruppen.

Abgesägte Schrotflinten in Windhagen

Teilweise horten die Reichsbürger-Communitys auch Waffen. Staatsschützer beschlagnahmten im März 2020 im Zuge eines bundesweiten Verbotsverfahrens gegen den Reichsbürger-Verein „Geeinte deutsche Völker und Stämme“ auf einem Anwesen in Windhagen drei abgesägte Schrotflinten, drei Armbrüste und zwei Macheten. Inzwischen existieren Hinweise, dass diese illegale Organisation in NRW über Messenger-Dienste weiter macht.

Auch in Köln sind vereinzelt Polizeieinsätze gegen Reichsbürger aktenkundig. Als Anfang September eine Gerichtsvollzieherin einer 52-jährigen Frau aus Lindenthal mit einem richterlichen Beschluss Gas und Strom abstellen sollte, ließ sie sich sicherheitshalber von der Polizei zu dem Termin begleiten, denn die Hauseigentümerin wurde der Reichsbürgerszene zugerechnet. Vor Ort soll die Hauseigentümerin die beiden Beamten des Staatsschutzes tätlich angegriffen haben. Ihr 20-jähriger Sohn soll seiner Mutter mit einer Gaspistole im Hosenbund und gezogenem Schlagstock zur Hilfe geeilt sein. Die Beamten zogen ihre Waffen und forderten ihn auf, sich hinzulegen. Mutter und Sohn landeten im Gewahrsam.

Gaststätte „Königreich “in Holweide dicht gemacht

Im Sommer 2020 machte das Kölner Ordnungsamt eine Gaststätte in Holweide dicht. Zutritt zum Lokal erhielten demnach nur „Staatsangehörige und Zugehörige des Königreichs Deutschlands“. Corona-Hygienevorschriften galten nicht, da in der Kneipe einzig das Recht des „Königreichs“ herrsche. Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigte die Schließung.

Gleich mehrfach beschäftigte Johanne Liesegang die Kölner Justiz wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. Die „Auraleserin“ und „Coachin für das Herz“ gilt als erklärte Impfgegnerin. Auch fungierte sie zeitweilig als Kölner Ansprechpartnerin der rechts-esoterischen Initiative „Gold, Rot, Schwarz“, die der Reichsbürgerszene nahestand. Auf ihrem Youtube-Kanal wetterte die „Seherin“ gerne schon einmal über Polizeiwillkür und den angeblichen „Unrechtsstaat“.

Laut Kölns Kripo-Chef hält die Polizei in der Stadt und im direkten Umland „etwas mehr als 100“ Reichsbürger im Blick, die man als „ideologisch gefestigt“ bezeichnen könne. Hinweise auf weitere Protagonisten aus dem Milieu gebe es aber häufiger, so Esser.

Da die Staatsschützer bei etlichen Reichsbürgern einen Hang zu Waffen feststellen, haben die Kölner Strafverfolger folgendes Vorgehen vereinbart: Sobald Staatsanwaltschaft oder Polizei durch andere Behörden Kenntnisse über typische, staatsablehnende Tiraden erhalten, werden diese Personen auf Waffen überprüft.