Die CSU unterstützt Jens Spahn als Fraktionsvorsitzenden. Damit steht dem früheren Gesundheitsminister eigentlich nichts mehr im Weg, künftig die Abgeordneten der Union anzuführen. Es wird ihm langfristig aber kaum reichen.
ComebackJens Spahn hätte sein Zwischenziel mit dem Fraktionsvorsitz erreicht

Jens Spahn könnte neuer CDU-Fraktionsvorsitzender werden.
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In den vergangenen Monaten haben Unionspolitikerinnen und -politiker interessante Beobachtungen über Jens Spahn verbreitet. Er sei sehr viel unterwegs, auch in Bayern, erzählen Parteifreunde des Ex-Gesundheitsministers. Er sei aktuell sehr loyal und äußere keinerlei Kritik an Friedrich Merz, so die Beobachtung anderer. Egal auf welcher Veranstaltung, Merz unterstütze er immer, erzählen sich die Abgeordneten.
Jens Spahn – der 44-jährige CDU-Politiker, der fast 23 Jahre im Bundestag sitzt – arbeitet seit Merz‘ Wiederaufstieg in der Union auch an seinem Comeback. Nun dürfte er ein Zwischenziel erreichen: Chef der Bundestagsfraktion.
CSU gibt grünes Licht
Die CSU hat nach RND-Informationen grünes Licht gegeben. Aus dem Umfeld des Parteivorsitzenden Markus Söder heißt es, die CSU würde Spahn als Fraktionschef unterstützen. Zuerst hatte die Zeitung „Merkur“ berichtet. Dass Merz Spahn als Fraktionsvorsitzenden favorisiert, war bereits berichtet worden. Ein Sprecher der Fraktion will das weder bestätigen noch dementieren und sagt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), die Personalien würden „zeitnah“ entschieden. Spahns Sprecher wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Damit gilt als wahrscheinlich, dass Spahn künftig die Fraktion von CDU/CSU unter einem Bundeskanzler Friedrich Merz anführen wird.
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Diese Wendung ist zugleich absehbar und erstaunlich, denn für Merz ist die Personalie nicht ohne Risiko.
Koalitionsverhandlungen als bedeutendes Indiz
Spahn hat sich in den vergangenen Wochen offenbar unverzichtbar gemacht. Ein bedeutendes Indiz dafür, dass Spahn eine wichtige Rolle in der Regierung Merz bekommen wird, waren die Koalitionsverhandlungen.
Ein Blick zurück: Eigentlich sollen neun Verhandler aufseiten Union und SPD über den Vertrag beraten, Spahn wurde in den Sondierungen für die Finanzfragen erst später hinzugeholt. Er war mal Parlamentarischer Staatssekretär unter Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Auf der SPD-Seite kommt der geschäftsführende Finanzminister Jörg Kukies hinzu – nur, dass der irgendwann wieder geht, während Spahn sitzen bleibt. Aus der 18er-Runde wird die 19er-Runde.
Es gibt unterschiedliche Ansichten über Spahns Rolle in den Verhandlungen: Die eine lautet, er habe mitunter auf eigene Rechnung gehandelt. Die andere lautet, Spahns Verhandlungsgeschick habe Merz imponiert. Was stimmt, ist schwer zu beurteilen: Falls Merz ihn jedoch zum Fraktionsvorsitzenden macht, dürfte eher Letzteres zutreffen.
Spahns Plan geht auf
Fraktionsvorsitzender oder wieder Minister – das ist seit einigen Jahren das Ziel von Spahn, den viele in der Union nach der Wahlniederlage 2021 nicht mehr in den vorderen Reihen sehen wollten. Der Fraktionsvorsitz wäre für Spahn jedoch ein noch größerer Erfolg. So hätte er eine eigene Truppe, die er führen könnte. Er wäre zentral für alle Gesetzesvorhaben.
Im Umfeld von Merz hieß es zuletzt, dass angesichts der knappen Mehrheit – lediglich dreizehn Stimmen über den Durst – der Fraktionsvorsitzende besonders wichtig sein werde. In der Unionsfraktion hat Spahn eine Fanbase: Besonders die Konservativen schätzen seinen harten Migrationskurs und seine umtriebige Art, Politik zu machen. Er gilt als ausgezeichnet vernetzt, auch in andere Parteien.
Er hat jedoch auch Gegner. Bei den Wahlen für Fraktions- und Parteiposten bekam er oft schlechte Ergebnisse. Seine Kritiker halten ihn für opportunistisch und zu Schlagzeilen-fokussiert. Seine Fehler in der Corona-Zeit, etwa die milliardenteure Bestellung von später nicht benötigten Masken, und die wegen Beteiligungen an Firmen mehrmals vorgeworfenen Interessenkonflikte machen ihn aus Sicht von Parteikollegen zu einem Risiko. Auch seine jüngste Forderung, die AfD im Bundestag so zu behandeln wie andere Oppositionsparteien, stößt auf Gegenwind in der Fraktion.
Das komme zur „Unzeit“, beklagen sich Fraktionsmitglieder, weil gerade die SPD-Basis über den Koalitionsvertrag abstimmt. Wenige liberale Vertreter der Union werfen ihm vor, die AfD zu normalisieren. In welchem Interesse Spahn gehandelt hat, bleibt unklar. Womöglich habe er Truppen sammeln wollen, vermuten Fraktionsmitglieder. Merz hält sich in der Debatte bedeckt.
Söder hat Interesse an Spahn als Fraktionschef
Geschadet hat Spahn diese Diskussion offenbar nicht. Besonders in der CSU hat der Christdemokrat viele Verbündete, darunter der derzeitige Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Söder selbst könnte ein Interesse an einem Fraktionsvorsitzenden Spahn haben, der womöglich den Pfad der Loyalität zu Merz irgendwann verlässt. Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte.
Die Beziehung zwischen Spahn und Merz ist geprägt von Höhen und Tiefen. In den Wahlen zum Parteivorsitz haben sie auf unterschiedlichen Seiten gekämpft. Erst als klar ist, dass sich die Partei im dritten Anlauf für Merz entscheiden wird, lenkt auch Spahn ein. Er verzeiht Merz sogar die Äußerung zu einem schwulen Kanzler, wonach die sexuelle Orientierung für die öffentliche Diskussion kein Thema sei, solange es nicht Kinder betreffe.
Als Merz die Fraktion neu aufstellt, arbeitet sich Spahn wieder nach oben, und baut sich ein Profil als Wirtschaftspolitiker auf. In dieser Zeit fängt auch Merz an, auf ihn zu bauen: Spahn sei eine „Allzweckwaffe“, freute man sich im Umfeld des CDU-Chefs. Zumal Merz keine große Auswahl für die zu besetzenden Schlüsselpositionen hat. Bekanntlich hat der Parteivorsitzende nur wenige Vertrauenspersonen. Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei gilt als aussichtsreicher Kandidat für den Posten des Kanzleramtschefs, während Carsten Linnemann CDU-Generalsekretär bleibt.
Doch Spahn dürfte mehr sein wollen als Allzweckwaffe oder Fraktionschef. Kanzlerambitionen werden ihm seit Jahrzehnten nachgesagt. Merz bringt Spahn in eine ausgezeichnete Lage für den weiteren Aufstieg. Die offene Frage ist nur: Wird er abwarten und sich langsam als möglicher Nachfolger von Merz ins Spiel bringen? Oder greift er an, bevor Merz den Staffelstab überhaupt übergeben will?