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„Müssen Ärmel hochkrempeln“Boris Palmer fordert bei Lanz Kürzung von Sozialleistungen

Lesezeit 4 Minuten
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer erklärte bei „Markus Lanz“, dass eine Rente ab 63 für den Staat nicht tragbar sei. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer erklärte bei „Markus Lanz“, dass eine Rente ab 63 für den Staat nicht tragbar sei. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Die Lage der deutschen Kommunen bleibt weiterhin kritisch. Bei „Markus Lanz“ schlug Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer Alarm.

Nicht nur marode Brücken und Straßen, sondern auch veraltete Schulen machen das Leben in deutschen Kommunen immer schwerer. Obwohl die Unzufriedenheit der Bürger steigt, sehen sich die Politiker auf kommunaler Ebene zu drastischen Sparmaßnahmen gezwungen. Ein Teufelskreis, der bald seinen traurigen Höhepunkt erreicht hat?

Bei „Markus Lanz“ im ZDF beklagten sich am Dienstagabend mehrere Politiker aus einzelnen Kommunen über die verheerende Situation im Land. Dazu richtete der Tübinger Oberbürgermeister und Ex-Grünen-Politiker Boris Palmer eine konkrete Kritik in Richtung Berlin. Mit Blick auf das geplante Finanzpaket von Union und SPD fragte er: „Wie viel geben die wirklich ab nach unten? Das ist die entscheidende Frage. Dazu gibt es keine Aussage bisher im Koalitionsvertrag. Es muss aber wirklich was ankommen!“

Dem konnte CDU-Politiker Achim Brötel nur zustimmen. Er appellierte an die Bundesregierung: „Im Moment ist die Situation wirklich dramatisch. (...) Ich habe sowas noch nie erlebt. Wir werden von der schieren Aufgabenfülle, der Aufgabenvielfalt regelrecht erdrückt. Wir kriegen immer neue, immer kostenintensivere Aufgaben übertragen ohne die finanziellen Mittel dafür und ohne das Personal.“

CDU-Politiker Achim Brötel stellte klar: „Die Lebenswirklichkeit, die ist vor Ort im Rathaus und im Landratsamt, nicht im Bundestag in Berlin!“ (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

CDU-Politiker Achim Brötel stellte klar: „Die Lebenswirklichkeit, die ist vor Ort im Rathaus und im Landratsamt, nicht im Bundestag in Berlin!“ (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Laut Brötel würde es „schon helfen, wenn wir beteiligt würden bei Gesetzgebungsverfahren“, denn: „Es geht darum, dass wir es viel besser könnten in Deutschland, wenn man mal wieder auf die hören würde, die es nachher umsetzen müssen. Das sind halt wir! Die Lebenswirklichkeit, die ist vor Ort im Rathaus und im Landratsamt, nicht im Bundestag in Berlin!“ Boris Palmer warnte in dem Zusammenhang: „Wir fahren mit den Städten wirklich an die Wand.“

Boris Palmer kritisiert teure Sozialleistungen: „Wieder ein bisschen die Ärmel hochkrempeln“

Boris Palmer mahnte: „Wenn wir das nicht in Griff kriegen, dann ist Schluss!“ (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Boris Palmer mahnte: „Wenn wir das nicht in Griff kriegen, dann ist Schluss!“ (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)

Die dramatische Folge? Ein steter Anstieg der AfD-Wähler. Dazu sagte Palmer besorgt: „Wenn wir das nicht in Griff kriegen, dann ist Schluss!“ Auch Achim Brötel sagte nachdenklich: „Das Vertrauen in die Demokratie wird vor Ort gestärkt oder vor Ort verspielt. (...) Wenn wir die Handlungsfähigkeit nicht mehr haben, dann geht dieser Staat wirklich schweren Zeiten entgegen. Das muss die Politik erkennen!“

Wie prekär die Lage bereits vor Ort ist, konnte auch die ehemalige SPD-Politikerin und Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck wiedergeben. Über die Finanzlage in ihrem Landkreis sagte sie: „Seit 30 Jahren haben wir Sparrunden beim Haushalt und wir haben das Ende der Fahnenstange erreicht. (...) Man hat uns Jahre erzählt, wir würden über unsere Verhältnisse leben!“ Steinruck weiter: „Jetzt müsste endlich der Letzte verstanden haben, dass wir ein strukturelles Problem haben, wo es Änderungen geben muss.“

Eine Steilvorlage für Boris Palmer, der sich wild über den ausufernden deutschen Sozialstaat echauffierte. „Wir können uns (...) einfach nicht mehr leisten, Prämien zu zahlen, damit 63-Jährige früher in Rente gehen und das voll aus dem Bundeshaushalt finanzieren“, so der Ex-Grünen-Politiker. Es sei „schwer erträglich“, dass die Koalition es nicht fertigbringe, „diese Wohltat zu streichen“, fand Palmer. „Es wird nicht mehr möglich sein, die höchsten Sozialleistungen weltweit mit den niedrigsten Arbeitszeiten und den längsten Urlaubsansprüchen zu kombinieren. Das muss doch jedem einleuchten!“

Hinzu komme laut Palmer, dass auch Bürgergeld-Summen von bis zu 6.000 Euro pro Monat nicht mehr tragbar seien. „Vielleicht kann man sich mal wieder darauf reduzieren, dass der Staat gegen Notlagen hilft und nicht jedes Risiko auf der Welt absichert“, forderte der Tübinger Oberbürgermeister. Laut Palmer müsse man nun „verdammt noch mal vielleicht wieder ein bisschen die Ärmel hochkrempeln“, aber „ich lese davon im Koalitionsvertrag nichts“.

Jutta Steinruck fordert von der Bundesregierung: „Handelt endlich!“

Das ehrliche Stimmungsbild machte Markus Lanz am Dienstagabend sichtlich fassungslos. Als Boris Palmer deutlich machte, dass sich Deutschland „diesen ganzen bürokratischen Schwachsinn einfach nicht mehr leisten“ könne, fügte der ZDF-Moderator mit finsterer Miene hinzu: „Der Sozialstaat frisst uns die Haare vom Kopf.“

Dazu warnte Achim Brötel vor steigenden Ausgaben innerhalb der Kommunen. In Bezug auf Trumps Wirtschaftspolitik sagte er: „Wenn wir auch noch ein Einnahmeproblem dazubekommen, dann wird der Absturz noch krasser.“ Grund genug für Jutta Steinruck, am Ende der Sendung den Appell an die Bundesregierung zu richten: „Handelt endlich!“ (tsch)