Praxis statt TheorieSo lebt eine Kölnerin seit 40 Jahren nachhaltig und klimaneutral
Köln-Weiß – Mehrere tausend junge Menschen haben am vergangenen Freitag auf Kölns Straßen für das Klima demonstriert. Die knapp 60-jährige Mechthild Posth aus Weiß wohnt und lebt schon seit vielen Jahrzehnten klimaneutral – und folgt wann immer es geht dem Prinzip der Nachhaltigkeit.
„Ich habe es nicht weit gebracht“, sagt Mechthild Posth augenzwinkernd. Und meint damit, dass ihre beiden Lebensbereiche, Arbeiten und Wohnen, gerade mal zehn Meter auseinander liegen. Mitten im Weißer Wohngebiet eröffnete Posth im Juni 1992 einen Bioladen. Die Nachbarn waren sich einig: Das kann nicht funktionieren.
Rabatula, der erste Bio-Laden im Kölner Süden
„Rabatula“, der bis heute im Kölner Süden auch Sürth, Rodenkirchen, Rondorf und den Hahnwald versorgt, wird bald 30, seine ehemalige Besitzerin 60 Jahre alt. Im Oktober 2018 hat Posth den Laden vorzeitig verkauft, als ihr Mann in Rente ging. Jetzt arbeitet sie dort als Angestellte, 18 Stunden pro Woche.
Ganzheitlich vernetztes, biologisches Denken und das Thema Nachhaltigkeit sind der Diplom-Agraringenieurin seit ihrer Studienzeit in Bonn sehr wichtig. Posth studierte zu Hochzeiten des Pestizid-Einsatzes. „Wachse oder Weiche, lautete damals die Devise der Landwirtschaft. Es ging darum, möglichst viel zu erwirtschaften. An der Uni Bonn wurde zu dieser Zeit auf Initiative der Studierenden der Studiengang Biologischer Landbau gegründet. Wir haben immer gesagt: Das geht in die falsche Richtung. Wir müssen im Kreislauf denken“, sagt Posth.
Die Macht der Verbraucher ist der Einkaufskorb
1990 hatte sie ihr Diplom – und zwei Kinder. Eigentlich wollte sie im agrarpädagogischen Bereich arbeiten, um zur Aufklärung beizutragen. Stattdessen eröffnete sie den Bioladen, denn eines war klar: „Die Macht der Verbraucherinnen und Verbraucher ist ihr Einkaufskorb“, sagt Posth. In Kundengesprächen achtet Posth darauf, nicht dogmatisch zu wirken, Verbote bringen ihrer Meinung nach nichts – auch wenn sie befürwortet, dass die VW-Kantinen seit Ende August keine Currywurst mehr anbieten. Die Maßnahme des Konzerns, mit der er CO2 einsparen möchte (in den Werkskantinen wurden pro Jahr mehr als sieben Millionen Currywürste verkauft), verursachte in den sozialen Netzwerken einen wahren Shitstorm.
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Ausschließlich Kleidung aus zweiter Hand
„Wir müssen dringend von der Massentierhaltung weg und beim Fleisch kann jeder anfangen, damit wäre schon viel getan. In der ökologischen Landwirtschaft darf nur so viel Fleisch gegessen werden, wie Fläche vorhanden ist, und damit sind wir wieder im Kreislaufgedanken“, sagt Posth, die ihre Essensreste an die Hühner des Nachbarn verfüttert und aus Kleidung aus zweiter Hand kauft.
Posth versucht, wo es geht dem Nachhaltigkeitsgedanken treu zu bleiben – auch beim Hausbau im Jahr 1992. „Wenn man dem Boden etwas wegnimmt, muss man es wieder zurückgeben“, sagt Posth. Also wurde das Dach begrünt und auch in der Einfahrt wächst das Gras durch die Steine. „Ich verstehe nicht, warum Nachbarn Zäune aus Steingabionen errichten oder Flächen versiegeln“, sagt Posth – und erinnert an ihre Kindheit in Weiß: „Da hatte jeder eine Nebenerwerbslandwirtschaft mit Hühnern, Kaninchen, Bienen, Obst oder Gemüse. Auch meine Eltern hatten Hühner.“
Posths' Hobby: Landwirte besuchen
Posths Garten ist ein Paradies, das Insekten und Vögeln Nahrung und Schutz bietet. Für die Insekten hat sie ein Hochbeet angelegt. Kuhstatuen stehen herum, als Reminiszenz an ihr Studium und ihr Hobby – auch privat besucht Posth gerne Landwirtschaftsbetriebe.
Seit 2003 wird das Wasser in ihrem Haus über Solar erwärmt, seit fünf Jahren sorgt die Photovoltaikanlage für Strom. Die Investition hat sich amortisiert. „Mit unseren zehn Kilowatt können wir drei Haushalte versorgen. Wir tanken damit auch unser Auto, das ist definitiv grüner Strom“, sagt Posth. Die Wall Box dafür steht vor der Tür. Anderen ihren Lebensstil verbieten, will Posth nicht. „ Aber wenn man einen SUV fährt, dann besser mit Elektromotor. In Weiß haben wir jetzt eine Carsharing-Station. Das ist schon ein Fortschritt.“
Kölnerin fährt einen der ersten Teslas in Europa
Als eine der Ersten hat Mechthild Posth bei Sono Motors, einem Start-up-Unternehmen aus München, ein Elektroauto gekauft, das auch Solarstrom integriert. Die Konsole lässt sich aufgeladen abnehmen.
„So kann man das Auto als Speicher nutzen, zum Beispiel für den Strom auf einem Campingplatz.“ Auf die Auslieferung ihres von Sonnenenergie angetriebenen Autos muss Posth allerdings noch zwei Jahre warten. Bis dahin fährt sie sie einen Tesla Y, eines der ersten Modelle, die nach Europa geliefert wurden.