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Comeback der Musik-KassetteDiese zwei Kölner sind auf dem Tape-Trip

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Ernst Fischer (l.) und Frank Paustian am TreffpunktFoto: Esch

Köln-Südstadt – Zwei runde Lautsprecher glotzen angriffslustig. Im Rekorder steckt eine eckige Plastikhülse, die zwei Tonbandrollen umschließt. Frank und Ernst haben ein ganzes Sammelsurium an Kassetten dabei. Die Warnung kommt sofort: „Wir sind ziemliche Nerds“, stellt Frank klar. Die Jungs, die sich jeden Sonntagabend an dem langen Holztisch am Kartäuser Wall treffen, sind auf dem Tape-Trip. Sie spielen Musik auf die alten Tonträger, die im Leben anderer Menschen vor Jahrzehnten in den Mülleimer wanderten, während die CDs den Markt eroberten.

Es begann in den 80er Jahren

Doch für Frank Paustian und Ernst Fischer aus der Südstadt sind Musikkassetten viel mehr als veraltete Gebrauchsgegenstände. Sie sind Teil ihrer persönlichen Geschichte, einer nonkonformistischen Kultur des Musiksammelns und -hörens.

Sie begann in den 80er-Jahren, als sie noch Kinder waren und die ersten Sounds entdeckten. Ernst erinnert sich noch genau daran: „Meine erste Kassette habe ich aufgenommen, als ich neun Jahre alt war, die Top Ten der Charts im Radio Luxemburg. „Belfast“ von Boney M. und „Ich möchte so gerne Dave Dudley hören“ von Truckstop. Später konnte er mit seinem Radio in Köln auch BFBS empfangen.

The Clash und The Fall gehören zu den Lieblingsbands

John Peel spielte dort donnerstags um 22 Uhr Punk, Reggae sowie HipHop – und beeinflusste Ernsts Musikgeschmack. Seine Lieblingsbands hießen künftig The Clash, Ramones, Joy Division und The Fall. Er ging auf Konzerte. Das Tape war omnipräsent. „Leute liefen da mit einem Bauchladen herum und verkauften ihre eigenen Kassetten. Sie kamen aus Großbritannien oder den USA, mit Sachen, von denen wir nie was gehört haben.“ Er nahm selbst Tapes auf, machte Mixkassetten für Freundinnen. Der Ansatz war pragmatisch: „Das war einfach ein kostengünstiges Medium, um Musik zu verbreiten“, sagt Ernst.Franks Liebe zur Musik und den Mixtapes begann ähnlich: Auf seinem ersten Ghettoblaster hörte er im Radio Elektro, dann Blackmusic und landete schließlich beim Hip-Hop.

Suche auf Flohmärkten überall in der Republik

Und weil Rap meist Samples aus Soul und Funk enthält, erweiterte er seinen Musikgeschmack entsprechend, war auf der ständigen Suche nach Rare Grooves – auf Flohmärkten und in Plattenläden überall in der Republik und im geteilten Berlin. Wo es amerikanische Luftwaffenstützpunkte gab, standen andere Platten in den Ladenregalen und in Flohmarkt-Kisten.

Oft zahlte er horrende Preise dafür, erntete dafür das größtmögliche Kompliment: „Oh geil, Du hast das Ding gediggt.“ Es galt der getanen Arbeit, dem „Digging in the crates“, dem Durchwühlen der Umzugskisten, der Bückware auf den Märkten. Die fertige Kassette war der Beweis der erfolgreichen Jagd und Sammelmedium. Frank legte selbst auf, im Hamburger Mojo-Club und in der Soulkitchen, später im Kölner Roseclub und im Schmuckkästchen.

Endlich einen Ghettoblaster

In seiner Heimatstadt Hamburg gehörten DJ Mad von der Hip-Hop-Band Absolute Beginner und Bubbles von Doppelkopf zu seinem Freundeskreis. „Es war klar, dass ich ihnen dabei helfe, ihre Sachen an den Mann zu bringen“, erzählt Frank. Sein Job im Musikvertrieb für eines der ersten deutschen Rap-Labels Mzee-Records verschlug ihn 1995 nach Köln.Als er dann eine eigene Familie hatte, wurde er jedoch häuslich. Das Musikmixen und die Tapes gerieten in Vergessenheit – bis er sich vor einigen Jahren einen Kindheitstraum erfüllte: Ein Ghettoblaster Telefunken Studio R1 stand nun in seiner Wohnung. Allerdings fehlte das Futter, die Mixtapes. Im ersten Lockdown legte Frank los, stellte im Wohnzimmer zwei Plattenspieler sowie ein Mischpult auf, beschallte die Nachbarschaft und schnitt dabei Tapes zusammen. Das Hobby brachte ihn mit anderen Kassetten-Fans zusammen, mit den Jungs vom Tape-Club.

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Ernst ist schon länger dabei: „Der Club besteht seit etwa zehn Jahren“, schildert er. Das Clubleben war allerdings lange eingeschlafen. Es erwachte im pandemiebedingten Stillstand: „Wir verabredeten uns sonntags hier auf der Bank. Es ging um Sozialkontakte, darum, jemanden zu haben, mit dem man über Musik reden kann.“ Sie hörten selbstgemixte Tapes über einen Walkman und eine kleine JVC-Box. Dann stellten sie sich eine Aufgabe, die mittlerweile fest zum Sonntagsprogramm gehört: Jeder, der sich das zutraut, nimmt eine A-Seite mit Songs zu einem bestimmten Thema auf. Lautet es beispielsweise „Schwarz“, dann muss in jedem Namen des jeweiligen Songs oder Interpreten dieses Wort oder „Black“ vorkommen. Wenn der A-Seiten-Produzent fertig ist, bringt er sein Werk in vervielfachter Ausgabe mit und verteilt sie coronaregelkonform.

Wer dann möchte, bespielt eine passende B-Seite und gestaltet das Werk optisch. 200 kleine Kunstwerke sind bereits entstanden. Ihre Liebhaber lernen eine Menge dabei: „So ein Mixtape, auf das man seine Lieblingssachen packt, ist einfach, aber wenn man ein Thema vorgegeben bekommt, muss man wirklich seine Plattensammlung durchforsten“, kommentiert Ernst. Frank ergänzt: „Niemand versucht mehr, die Songs nur aus einem Genre zusammenzustellen. Das ist einfach unmöglich.“

Die Querflöte entdeckt

Nach getaner Arbeit wird gehört, was in den Rekorder kommt. Für Ernst, der auch in der Punkband „Benzinbad“ spielt, hatte das unerwartete Folgen: „Ich habe mich musikalisch sehr geöffnet“, bemerkt er. „Bis vergangenes Frühjahr war die Querflöte für mich ein Instrument aus der Hölle.“ Doch dann kam Frank mit Funk und Soul, von Gil Scott-Heron, Songs vom Album „The Revolution will not be televised“. Ernst war überrascht: „Der hat was zu sagen, habe ich gedacht. Der Sound ist gut und da passt ja sogar die Flöte. Mittlerweile höre ich alles, bis auf Techno und Schlager.“ Frank grinst: „Man sollte niemals nie sagen…“