Wir haben Menschen besucht, die direkt am Rhein wohnen. Die Eftings führen in Kasselberg den letzten Hühnerhof auf Kölner Stadtgebiet.
Wohnen am RheinDer letzte Kölner Hühnerhof liegt in Kasselberg
Ein Reiher landet elegant auf der Wiese vor der Terrasse der Eftings. Stolz reckt er seinen Hals empor. Zwei Pferde kommen langsam grasend ins Bild und bleiben kurz vor dem alten, knorrigen Apfelbaum stehen, der voll mit Früchten ist. Über die Auenwiese hinweg gibt es einen freien Blick auf den Rhein. Da haben die Eftings Glück, denn weil hier ein wichtiger Markierungspfahl für eine unterirdische Leitung steht, darf das Ufer in diesem Abschnitt nicht zuwachsen. Die großen überirdischen Stromleitungen stören sie nicht.
Margit (56) und Erwin Efting (58) sitzen auf ihrer Terrasse in Kasselberg. „Wir genießen jeden Augenblick. Wir wohnen, wo andere Urlaub machen“, schwärmt Margit Efting. Der schmale, asphaltierte Kasselberger Weg gleich unterhalb ihrer Terrasse ist eine beliebte Ausflugsstrecke für Radfahrer und Wanderer. Vor allem an den Wochenenden ist es voll.
Vor dem Hühnerhof in Köln-Kasselberg steht ein Eier-Automat
Nicht zuletzt deshalb haben die Eftings, die den letzten kommerziellen Hühnerhof auf Kölner Stadtgebiet betreiben, vor zwei Jahren einen Automaten mit ihren eigenen Produkten am Weg aufgestellt. Dort gibt es natürlich Eier, außerdem Nudeln, Marmelade, Fleisch und Wurst. Rund um die Uhr – und sogar Kartenzahlung ist möglich. „Das wird sehr rege angenommen“, sagt Erwin Efting. „Die Leute wissen ja, wo die Ware herkommt.“ Das hat etwas sehr Heimeliges.
Auch der prächtige Apfelbaum erregt immer wieder Aufsehen. Eine Familie aus Riehl habe einmal ihren Fahrradausflug unterbrochen und gefragt, ob sie einen Teil der Früchte sammeln dürfte, erzählt Margit Efting. „Die haben dann Apfelsaft, Apfelmus und Apfelbrot gemacht und uns später etwas davon vorbeigebracht.“ Sie selber hätten einfach keine Zeit, sich auch noch um die vielen Äpfel zu kümmern. Denn der Hühnerhof bedeutet jede Menge Arbeit.
Beim Hochwasser 1993 gaben die Kasselberger Zeichen mit Taschenlampen
Die Großeltern von Erwin Efting haben den landwirtschaftlichen Betrieb gegründet, vor 50 Jahren stellte man komplett auf Hühner um. Erwin Efting ist hier aufgewachsen, für seine Frau war alles neu. Sie kommt aus Wenden im Kreis Olpe. Ihren Mann lernte sie auf einer Karnevalsfete in Köln kennen und blieb am Rhein. „Ich kannte Berge. Und als Wasser den Biggesee. Das ist natürlich auch idyllisch, aber ganz etwas Anderes“, sagt sie lachend.
Auch das Hochwasser hat sie nicht abgeschreckt, obwohl sie die schweren Überschwemmungen 1993 und 1995 miterlebte, bei denen Kasselberg zu einer Insel wurde. Was zur damaligen Zeit tatsächlich extreme Auswirkungen hatte. Die Verbindung zum „Festland“ wurde mit kleinen Booten hergestellt, die mit Menschen und Versorgungsgütern hin und her fuhren.
Da es damals noch keine Handys gab, wurden diese Boote von den Inselbewohnern herbeigerufen, indem sie Morsezeichen mit Taschenlampen gaben. „Da sah man in der Dunkelheit immer die Lichter aufblitzen. Heute unvorstellbar“, sagt Erwin Efting. „Hat aber alles geklappt.“ Der damals zuständige Dezernent Hubertus Oelmann habe damals angekündigt, dass irgendwann ja mal alle Leute Mobiltelefone haben würden. Das erschien 1993 utopisch.
So ein großes Thema sei das Hochwasser aber nie wieder geworden, vor allem nicht, seit die hohen Schutzwände und Dämme stehen. Die Eftings sind eher genervt von einer gewissen medialen Hysterie, wenn es um das Ansteigen des Rheinpegels geht. „Da kommen sofort Anrufe, ob bei uns alles schwimmt“, erzählt Margit Efting. „Nein, sage ich dann, das Wasser steht nur auf den Wiesen.“
Eine Reporterin eines Privatsenders habe sie sogar mal vom Hof geworfen. „Die wollte wohl unbedingt sehen, wie unsere Hühner ertrinken.“ Das Ehepaar war vor kurzem bei seinem Lieblingswinzer im Ahrtal. „Was da passiert ist, hat uns wirklich erschreckt. Das ist eine ganz andere Dimension“, sagt Erwin Efting.
Köln: Rheinaue vor dem Hühnerhof steht unter Naturschutz
Der Rhein könne in Kasselberg wohl keine großen Schäden mehr anrichten, sei aber irgendwie auch ein Stück weiter weggerückt. „Früher haben wir mit den Kindern oft direkt am Rhein gesessen, da gab es eine schöne Stelle mit Steinen“, erinnert sich Margit Efting. Es wurde Stockbrot gegrillt und die Kinder durften ein bisschen mit den Füßen ins Wasser. Das ist heute nicht mehr möglich. Weil die Rheinauen unter Naturschutz stehen, darf man nur noch auf den offiziellen Wegen Spazieren oder Radfahren, Lagern am Ufer ist nicht zugelassen.
Wohnen am Rhein – Alle Folgen der Serie
Kölner Familie kann Möwen aus dem Wohnzimmerfenster füttern: Im Alltag der Zosels spielt der Fluss eine große Rolle. Sie leben am Mülheimer Rheinufer.
Ex-Karnevalsprinz hat jeden Tag einen Postkartenblick auf Köln: Arnold Dircks wohnt am Deutzer Ufer in einem Haus, das jeder Kölner kennt.
So lebt es sich im kleinsten Fischerhäuschen von Köln-Niehl: Das Ehepaar Köckeritz lebt im wohl kleinsten historischen Fischerhaus am Niehler Damm.
Kölner Familie genießt ihr Leben auf Reiterhof direkt am Weißer Rheinufer: Familie Rottscheidt hat einen Pferdehof direkt am Rheinufer und freut sich über die Ruhe, die Aussicht und viele Jahre voller Erinnerungen.
Kölner Campingplatzbetreiber: „Wir leben, wo andere Urlaub machen“: Familie Berger führt den Campingplatz in Rodenkirchen direkt am Rhein. Sie berichtet, was das Arbeiten und Leben am Wasser bedeutet.
Erika Kettners Traum vom Glück ist nur 40 Quadratmeter groß: Das Seniorenheim St. Vincenz-Haus liegt direkt am Rhein. Hier verbringt die Künstlerin ihren Lebensabend, der Fluss ist ihr Lebenselixier.
Die Eftings haben zur Abkühlung in den Sommermonaten einen portablen Swimmingpool auf dem großen Innenhof aufgestellt, der von den Wohnhäusern und dem Stall eingefasst wird. Auf dem Hof leben mehr als 4000 Hühner in Bodenhaltung (Code 2 auf der Eierschale). Sie sind in großen Ställen untergebracht, kein Gegacker dringt nach außen. Es ist die immer noch am weitesten verbreitete Haltungsart in Deutschland, die aber durchaus in der Diskussion steht.
Ein Hofcafé am Rheinufer wäre sehr viel Arbeit
Freilandhaltung wäre für die Eftings an diesem Standort nicht möglich. Die Wiesen um den Hof dürfen nicht genutzt werden, weil sie Retentionsflächen, also unversiegelte Überflutungsräume bei Hochwasser sind. Hier soll das Wasser hin, ohne viel Schaden anzurichten. Rein räumlich müssen die Eftings also alles so lassen wie es ist.
Bliebe noch die Möglichkeit, sich mit einem Hofcafé breiter aufzustellen. „Das ist uns schon oft vorgeschlagen worden, aber dann hätten wir noch mehr Arbeit und bräuchten auch viel Personal“, sagt Margit Efting. Außerdem gebe es ja gleich nebenan das „Kasselberger Gretchen“, das Ausflügler mit Speisen und Getränken versorgt. Da wolle man nicht reinfunken.
Manchmal, wenn die Eftings auf ihrer Terrasse sitzen, dann hören sie, wie die Passanten reagieren, wenn sie „Hühnerhof“ auf dem Schild am Eingang lesen – als wäre es etwas Erfundenes oder ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Oder ein Ort, wo sich verrückte Hühner tummeln. „Da wird auch schon mal gekichert.“ Die Eftings sitzen dann schmunzelnd auf ihrer Terrasse und der Swimmingpool plätschert leise.