Ein Mädchen wäre an Pfingstsonntag beinahe im Rhein bei Rodenkirchen ertrunken.
Stefanie Koch (Name geändert) sitzt am Ufer, sieht wie sich das Kind nicht mehr über Wasser halten kann und rennt los.
Immer wieder müssen Feuerwehr und Wasserschutzpolizei ausrücken, weil Menschen im Rhein baden gehen. Doch in diesem Fall wählte niemand am Rheinufer den Notruf. Wir haben mit der Retterin über ihr beherztes Eingreifen und die Gefühle danach gesprochen.
Köln-Rodenkirchen – Wahrscheinlich sind es mehrere Schutzengel, die an diesem strahlend sommerlichen Pfingstsonntag im Kölner Süden das Schlimmste verhindern. Es ist Nachmittag geworden an der malerischen Rodenkirchener Riviera, die Luft hat an die 30 Grad, die Sonne funkelt über dem Rhein. Immer wieder passieren Frachtschiffe die Stelle und verursachen einen fast unsichtbaren Sog. Am Ufer kühlen sich hunderte Menschen ab, halten die Füße in den Fluss, oder gehen mit dem ganzen Körper ins Wasser. Ein Mädchen, etwa sechs Jahre alt, wagt sich ein paar Meter in den Fluss hervor, ziemlich weit für diese Stelle, die bekannt ist für ihre tückische Strömung.
Es dauert nicht lange, bis sich das Mädchen kaum noch über Wasser halten kann und abgetrieben wird. Stefanie Koch (Name geändert) sitzt zu dieser Zeit ein paar Meter entfernt auf einem Stein am Ufer, wird auf das Kind aufmerksam und springt ins Wasser, um das Kind zu retten. „Ich bin eine gute Schwimmerin“, sagt Koch später, „ich habe mir das zugetraut.“
Mädchen verliert im Wasser das Bewusstsein
Als sie bei dem Mädchen angekommen ist, ist es nicht mehr bei Bewusstsein, hat offenbar Wasser verschluckt. Koch drückt die Kleine fest an sich, damit die Strömung sie nicht mitreißt. „Als ich sie im Arm hatte, klappte ihr Kopf direkt nach unten, sie hat sich angefühlt wie ein nasser Sack“, sagt Koch. In diesem Moment bekommt die Retterin selbst kaum noch Luft, spürt keinen Boden mehr unter ihren Füßen, tritt mehrmals nach unten, aber immer ins Leere. „Ich habe gemerkt, dass die Strömung gegen mich arbeitet“, sagt Koch, „und das Wasser war schweinekalt“.
Dank einer riesigen Kraftanstrengung und einer ebenso großen Portion Lebensglück schafft es Koch mit der Kleinen doch noch an Land. Sie friert, ist komplett durchnässt, schlägt dem Mädchen auf den Rücken, das das verschluckte Wasser erbricht. Unter großem Dank übergibt Koch das Kind der mutmaßlichen Mutter. „Ich war pitschnass, es war windig, alles ging so schnell. Mir war die ganze Situation irgendwie peinlich. Ich wollte einfach nur nach Hause“, sagt Stefanie Koch. Für kurze Zeit sitzt der Schock bei ihr noch tief, danach geht es allmählich.
Neben der Mutter müssen dutzende Menschen die Szenen am Ufer mit angesehen haben. Rettungskräfte gerufen hat niemand, auch nicht der Retterin geholfen. „Zuerst war ich noch wütend, dass alle tatenlos zugeschaut haben, aber im Nachhinein ist das vielleicht auch verständlich. Wahrscheinlich sah die Situation gar nicht so bedrohlich aus, wenn man sich an der Stelle des Rheins nicht so gut auskennt“, sagt Koch.
Niemand am Rheinufer wählte den Notruf
Bei Polizei und Feuerwehr ging kein Anruf ein, dabei appelliert die DLRG, in solchen Situationen immer den Notruf zu wählen – und um Unfälle zu vermeiden, eigentlich gar nicht erst ins Wasser zu gehen. „Das Risiko ist nicht zu unterschätzen. Die Strömung sieht auf den ersten Blick vielleicht harmlos aus, hat aber enorme Gefahrenpotenziale“, sagt Michael Grohe von der DLRG. Die Schiffe, die Brücken, die Häfen. „Sobald man einen Meter zu weit schwimmt, merkt man direkt, mit welchem Affenzahn der Strom unterwegs ist“. Man müsse nur mal an Gegenständen im Fluss beobachten, um die Kraft zu erahnen, mit der sie mitgerissen werden.
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Immer wieder müssen Feuerwehr und Wasserschutzpolizei ausrücken, weil Menschen im Rhein baden gehen. Seit Beginn der jüngsten Sommer-Periode, beginnend mit Christi Himmelfahrt, melden zwar beide Behörden nur einzelne Fälle von Schwimmern, die das Wasser auch wieder selbst verlassen konnten, bevor die Rettungskräfte eintrafen. Doch nicht immer geht dieser Leichtsinn glimpflich aus. Im Frühjahr 2014 berührte viele in der Stadt der Fall Ali Kurt, der in Stammheim sah, wie zwei Geschwister im Rhein unterzugehen drohten und sofort ins Wasser sprang. Zunächst konnte er beide Mädchen retten, kam aber selbst in der Strömung zu Tode. Kurze Zeit später starb die kleinere der beiden Schwestern mit sechs Jahren in der Uniklinik.
„Wir wissen, dass es besonders bei Kindern eine schwierige Entscheidung ist, aber wir raten auch dringend davon ab, in den Rhein zu gehen, um Menschen zu retten, wenn man nicht ausgebildet und gut trainiert ist“, sagt Grohe. Auch hier appelliert er an die Vorsicht: Selbst Rettungsschwimmer können nur mit spezieller Ausrüstung ins Wasser.
Doch manchmal überwiegt eben die Intuition, das menschliche Gefühl, anderen helfen zu müssen. „Ich würde beim nächsten Mal wieder das gleiche tun, wenn ich damit ein Kind retten kann“, sagt Koch zu einer Zeit, da die besonders heißen Tage in Köln noch kommen werden. Die Stadt wird einen Corona-Sommer erleben, in dem Freibäder nur beschränkt öffnen, in dem viele noch keine Lust auf Urlaube verspüren und somit auf die Idee kommen könnten, Heimurlaub am Rhein zu machen. Spätestens jetzt sind alle gewarnt: Die Pfingst-Rettung von Rodenkirchen könnte den Menschen ein Weckruf gewesen sein.