Kölner Politneuling im LandtagOliver Kehrls Leitspruch ist „Machen statt meckern“
Rodenkirchen – Seit einer Woche schnuppert der Polit-Neuling Oliver Kehrl Landtagsluft in Düsseldorf. Sein Büro liegt im fünften Stock. „Die Luft riecht gut hier oben“, sagt der 49-jährige Textil-Unternehmer aus Rodenkirchen. Er verspürt eine „dynamische Aufbruchstimmung“ in der Umgebung von „überraschend vielen jungen Kollegen“, und er fühlt sich akzeptiert.
Politische Karriere aus dem Stand
Erst vor gut einem Jahr ist Oliver Kehrl in die CDU eingetreten. Bis dahin war er parteipolitisch unbeleckt. Er hat sich dann ziemlich schnell entschlossen, für ein Landtagsmandat zu kandidieren. Sein Wahlspruch „Machen statt Meckern“ kam offenbar gut an bei den CDU-Kollegen, die ihn als Kandidaten aufstellten und auch bei den Bürgern, die ihn in den Landtag wählten.
Er war weder in einem CDU-Ortsverband aktiv, noch in der Bezirksvertretung und auch nicht im Stadtrat. Quasi aus dem Stand machte er Karriere in der Politik. Seine CDU-Kollegen Gräfin Alexandra von Wengersky und Uwe-Karsten Kemper, die sich intern um ein Landtagsmandat bemühten, hat er aus dem Rennen geworfen und dann der SPD-Konkurrentin Ingrid Hack den Wahlkreis abgejagt.
Ob es ein neuer Trend ist, dass Unternehmer zu Politikern werden, siehe USA? – Das findet der frisch gebackene Abgeordnete nicht. In den 1960er Jahren seien häufiger Menschen aus dem Mittelstand in politische Ämter gewählt worden.
„Bodenständigerer Blick auf Probleme"
Erst in den vergangenen 20 Jahren seien überwiegend Profis mit langer Polit-Karriere am Ruder gewesen, was aus seiner Sicht nicht unbedingt sein muss. Manchmal hätten Selbstständige mit Erfahrung in der freien Wirtschaft einen bodenständigeren Blick auf die Probleme der Gesellschaft.
Im dunklen Anzug sitzt er bei seinem Lieblingsitaliener Primo Piano und erzählt charmant und redegewandt über den zurückliegenden, Kräfte zehrenden Wahlkampf und über die nicht minder anstrengende Zeit, die vor ihm liegt.
Immer wieder erhält er Nachrichten aufs Handy, das griffbereit auf dem Tisch liegt. Der nächste Termin steht direkt nach dem Gespräch mit der Presse an. Danach geht’s nach Düsseldorf in sein Büro, das aber computertechnisch noch nicht ganz fertig eingerichtet ist. Deshalb sitzt er einstweilen in einem Ersatzraum auf der vierten Etage.
Hin und wieder wird seine Ruhelosigkeit, ein „Überengagement“ kritisiert; tatsächlich wirkt er gehetzt. Nein, das sei er nicht, aber voller Tatendrang und gespannter Vorfreude. Der neuen Aufgabe fühlt er sich gewachsen: „Ich habe keine Riesenmuffe, dass ich das nicht hinkriege“, betont er.
Gewohnt, Verantwortung zu übernehmen
Als Geschäftsmann mit acht Filialen in und um Köln und 40 Mitarbeitern sei er es gewohnt, zu managen und Verantwortung zu übernehmen. Das sei schon mal ein wichtiges Kriterium für einen guten Politiker. Und noch drei weitere nennt er: zuhören, entscheiden können und sich durchsetzen wollen. Er lacht und zitiert seine Frau Sandra, mit der er mehr als 30 Jahre verheiratet ist: „Vom Typ her passt du in die Politik“, habe sie gesagt.
Mit ihr habe er vor seiner Kandidatur natürlich gesprochen. Es gab einen ersten Schock und dann die Ermunterung. Auch seine beiden Töchter (19 und 15) fänden den neuen Zweitberuf des Vaters prima. Sie und überhaupt ganz viele begeisterte junge Leute – bis zu 60 an der Zahl – hätten ihn beim Wahlkampf sehr unterstützt – an den Ständen, beim Plakatieren, bei den Bustouren durch den Bezirk. Zudem hatte er ein professionelles Beraterteam und eine Agentur beauftragt, die seine Auftritte, auch in sozialen Medien, vorbereitet und gestaltet haben.
Es war ein strategisch durchgeplanter und aufwendiger Wahlkampf, den sich wohl nicht jeder leisten kann und will. Das gibt auch Oliver Kehrl zu. „Die Plakate zahlt ja weder die Stadt noch die Partei“, sagt er. Über weitere Kosten schweigt sich der Mann aus dem Hahnwald aus.
Die Familie hält ihm den Rücken frei
Seinen Job als selbstständiger Firmenchef will der studierte Diplom-Kaufmann nicht aufgeben. „Wir müssen Beruf, Politik und Familie jetzt neu und klug organisieren“, betont Oliver Kehrl. Das lasse sich aber machen. Die Familie will ihm den Rücken frei halten und seine Frau stärker in die Geschäftsführung seiner Modekette einsteigen.
Im Landtag müsse man außerdem nicht ununterbrochen anwesend sein, es gebe Kernzeiten. Natürlich sei sein Arbeitstag länger als ein normaler. Ein Frühaufsteher ist er aber nicht, dafür arbeitet er gern nachts. „Das habe ich schon immer so gemacht.“ Nur für sein Hobby, das Golf spielen im Marienburger Club, wird wohl kaum mehr Zeit übrig sein.
Warum investiert man so viel Zeit und Kraft in den Job als Abgeordneter? – Da kommt wieder Kehrls Leitspruch als Antwort, der lautet: „Machen statt Meckern.“ So viele Missstände habe er gesehen, und es habe ihm nicht mehr genügt, diese nur zu bemängeln. In der Politik habe er die Chance, selbst zu gestalten. Nun will er sich als erstes für den überfälligen Neubau der Ernst-Moritz-Arndt-Grundschule einsetzen, für eine neue Turnhalle am Gymnasium Rodenkirchen, auch für die Ortsumgehung Meschenich, die Verkehrsgestaltung in Rondorf.
Die Elektromobilität will er vorantreiben und die digitale Entwicklung. Wo genau sein Arbeitsschwerpunkt sein wird und in welchen Ausschüssen er sitzen wird, stellt sich aber erst Ende Juni oder Mitte Juli heraus, wenn der neue Ministerpräsident gewählt worden ist. Auch steht noch nicht fest, wo Oliver Kehrl in Rodenkirchen sein Wahlkreisbüro einrichten wird. Das soll jedenfalls repräsentativ sein und er werde dort kontinuierliche Präsenz zeigen.
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