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Ehemalige Restaurant-BesitzerinKölnerin kreiert aus Bergsteigergurten bunte Taschen

Lesezeit 4 Minuten
die Farbpalette der Gurte  ist kunterbunt

Die knallbunten Bergsteiger-Gurte sind das Rohmaterial für die Handtaschenproduktion. 

Köln-Rodenkirchen – Handtaschen gibt es wie Sand am Meer, aus Leder, Jute, Bast oder Plastik, sie heißen Tote Bags, Shopper, Clutch oder schlicht Umhängetaschen. Für jeden Geldbeutel ist garantiert etwas dabei. Wie bei Autos gibt es auch die Bentleys unter den Handtaschen. Eine echte Bottega Veneta kostet bis zu 6700 Euro; eine echte Loewe gibt es zwischen 1500 und 2500 Euro. Auch ohne sichtbare Label erkennt man diese Handtaschen sofort an der klassischen Korbflechttechnik. In so eine Luxus - Handtasche verliebte sich die Rodenkirchenerin Rocio Ruiz-Mendizabal.

„Ich habe in einem Schaufenster in Madrid eine echte Loewe gesehen und wollte diese Tasche unbedingt haben, aber niemals zu diesem Preis. Wieder zurück in Köln, habe ich sofort eine Rolle Leder bestellt und versucht meine persönliche Loewe zu flechten. Es dauerte lange, die Finger taten weh und die Nähmaschine quietschte. Als das gute Stück fertig war, wollten alle meine Freundinnen genauso eine Handtasche haben“, sagt die gebürtige Peruanerin lachend.

Kölnerin setzt auf Bergsteigergurte statt auf Leder

Und so war die Geschäftsidee geboren. Rocio Ruiz-Mendizabal wechselte das Material, statt Leder kaufte sie dichtgewebte Bergsteiger-Gurte und begann zu flechten. Das neue Material war ideal, es glänzte, war stabil, aber zugleich biegsam. Und die Farbpalette der Gurte reichte von pink über froschgrün bis hin zu rosa und knallgelb. Die Taschenliebhaberin räumte ein ehemaliges Kinderzimmer aus, kaufte eine Nähmaschine und entwarf ein Grundmodell in drei Größen. Das war vor zwei Jahren.

im Atelier (2)

Rocio Ruiz-Mendizabal  in ihrer Werkstatt in Rodenkirchen.

Bis dahin gehörte ihr das Restaurant „Rocios“ in der Kölner Südstadt. Gemeinsam mit ihrem Ehemann hat sie dort acht Jahre lang die Kölnerinnen und Kölner mit peruanischer Küche sowie spanischen Fisch- und Meeresfrüchtegerichten verwöhnt. „Täglich kochen und einkaufen – das war eine echte Herausforderung. Irgendwann wurde es mir einfach zu viel. Deshalb haben wir 2018 aufgehört. Ich brauchte eine Verschnaufpause.“

Kölnerin hat sich ihr perfektes Geschäftsmodell geschaffen

Schnell merkte die 57-jährige, dass ihr etwas fehlte. Nur zu Hause zu sitzen, das war nichts für die temperamentvolle Südamerikanerin. „Ich fühlte mich ausgebremst. Es war der pure Horror“, so die gelernte Friseurmeisterin, die zwei erwachsene Söhne hat und seit 35 Jahren in Deutschland lebt. So fand sie den Weg in den Friseursalon „D2h“ in der Merowinger Straße in der Südstadt. Der Inhaber suchte gerade eine „Untermieterin“. Ruiz-Mendizabal übernahm einen Stuhl im Salon und bietet dort „Balayage“ an, eine besondere Art der Haarfärbung. Das „Geschäftsmodell“ sei perfekt, sagt die Frau, die sich beruflich ständig neu orientiert. Sie kann jetzt über ihre Arbeitszeit selbst bestimmen und muss nicht täglich acht Stunden ins Hamster-Rad. „Das ist Luxus pur, ich kann meine Kunden gezielt bestellen und in der übrigen Zeit meine Taschen flechten. Ich genieße den Mix. Ohne Arbeit wäre ich tot – und viel Arbeit mit Abwechslung ist einfach spitze.“

In ihrem Atelier in Rodenkirchen tüftelt sie an den Handtaschen. Das Sortiment wächst. Neben den drei Standardmodellen, produziert sie inzwischen auch Umhängetaschen, Abendtaschen und Handyhüllen. Alle quietsch bunt und vor allem geflochten, wie die echten Bottegas und Loewes, allerdings bezahlbar. Die teuerste RMR, so heißt ihr Label, kostet um die 240 Euro.

„Pro Tasche brauche ich je nach Größe bis zu 35 Meter Gurtmaterial, dazu kommt noch eine genähte Innentasche mit aufwendigen Verschlüssen dazu.“ Die Preise findet sie moderat, denn ihre Taschen sind echte Handarbeit, federleicht und durch die knalligen Farben echte Hingucker.

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Ab und zu streunt die 57-Jährige über Flohmärkte und kauft alte Pelzmäntel, die sie ebenfalls zu Handtaschen verarbeitet. Diese Taschen sind derzeit aber noch Ladenhüter: „Ich verstehe die Zurückhaltung beim Kauf, denn die Angst der Kundinnen, von Tierschützern beschimpft zu werden, ist groß und nicht von der Hand zu weisen. Aber die Nerze aus Omas Mänteln sind eh seit Jahren tot und die guten Schätzchen müffeln nur sinnlos auf Kellerböden vor sich hin - warum sollte man sie nicht wiederverwenden“, sagt Rocio Ruiz- Mendizabal. Die 57-jährige ist voller Ideen und ihre Handtaschen sind bestimmt noch lange nicht ihr letztes Projekt.