Manfred Giesen im PorträtEin grüner Bürgermeister für den Kölner Süden
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Köln-Rodenkirchen – Manche Dinge, kann man sich als junger Mensch nicht vorstellen. Manfred Giesen hatte ganz sicher nicht im Kalkül, dass er genau dort in der Aula des Gymnasium Rodenkirchen, wo er als Abiturient sein Zeugnis der Allgemeinen Hochschulreife in Empfang genommen hat, Jahrzehnte später am 9. November letzten Jahres - mitten in der Pandemie - in das Amt des Bezirksbürgermeisters gewählt wird. „Hier habe ich eine gute Ausbildung fürs Leben erhalten und hier darf ich zum Ausklang meines beruflichen Lebens das Amt des Bürgermeisters für meinen Bezirk bekleiden, das ist eine Ehre“, sagt der Familienvater dazu.
Eigentlich war der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Grünen gar nicht davon ausgegangen, dass seine Fraktion den ersten Bezirksbürgermeister stellt. „Die Wähler mussten ja zunächst ein Votum abgeben. Das war nicht zu erwarten“, meint Giesen, der einer weiblichen Kollegin, ganz im Sinne der Grünen, auch den Vortritt gegeben hätte. Traude Castor-Cursieven hatte an erster Stelle kandidiert. Aus beruflichen Gründen trat schließlich sie nicht an.
Arbeit im provisorischen Bezirksrathaus
In sein Amt hat Giesen schnell reingefunden, der täglich im Übergangsquartier des Bezirksamts an der Industriestraße 161 in Haus 1 anzutreffen ist. Seine erste Amtshandlung, alle Schulen im Bezirk zu besuchen, fiel aufgrund der Pandemie allerdings zunächst einmal aus. Ein Wunsch ging dafür in Erfüllung, denn der lange umkämpfte Zebrastreifen an der Bahnhofstraße in Sürth zur Sicherung des Schulwegs wurde endlich umgesetzt. „Das hatte ich mir zum Amtsantritt gewünscht“, erzählt er. Sürth ist seit 1999 seine Heimat, hier wohnt er mit seiner Ehefrau Elisabeth. Den Bezirk nimmt der Bezirksbürgermeister fast ausschließlich per Rad in Angriff und er hat sich hier einiges vorgenommen. „Bezirksbürgermeister Manfred Giesen arbeitet täglich im Interim des Bürgeramts an der Industriestraße in Sürth“, sagt er. „Mehr Fahrrad, mehr ÖPNV“ ist sein Credo, da ist er ganz „grün“.
Die Bonner Landstraße, die Brühler Landstraße zwischen Höningen und Meschenich sind in seinem Verständnis Hauptverkehrsverbindungen und keine Radfahrnebenstrecken, dafür aber in einem katastrophalen Zustand. Die zuständige Behörde ist Straßen NRW. „Hier scheitere ich regelmäßig und wünsche mir vom Land Unterstützung“, so Giesen. Zum Ausbau der Radwege gehöre eine Verbesserung öffentlichen Nahverkehrs. „Das bekommt man nur hin, wenn das Angebot auch stimmt“, und das sei im Süden nicht der Fall. Derzeit stehen Schulbusse und verlängerte Buslinien auf der Agenda, die in der BV thematisiert werden.
Grüner Bürgermeister setzt auf Teamarbeit
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, Mike Homann (SPD), lenkt der 67-Jährige die Geschicke in Teams und gründete zum Amtsantritt verschiedene Arbeitskreise. Alle drei Wochen bespricht er mit seinen drei stellvertretenden Bezirksbürgermeistern online die anstehenden Termine, die er auch gerne mit seinen Vertretern teilt. („Eigentlich brauche ich keine drei Stellvertreter“). Seit November letzten Jahres stehen Anträge mit neuem Wortlaut auf der Tagesordnung, weil sie „auf Initiative der Runde des Bezirksbürgermeisters mit seinen Stellvertretungen“ gestellt werden. „Das hat sich definitiv geändert. Wir machen das als Team“, erklärt er. Sein Resümee nach einem Jahr im Amt: Als Bezirksbürgermeister hat er eine gewichtigere Stimme als in seiner Position zuvor. Seit 17 Jahren ist Manfred Giesen aktiv, zuvor drei Perioden als Fraktionsvorsitzender.
Viele Themen stehen auf seiner Agenda, ein Thema liegt ihm besonders schwer im Magen. Die Europaschule ist sein großes Sorgenkind. „Wir brauchen hier nach dreizehn Jahren endlich einen Platz für das Interim, um die Schule zu sanieren. Hier muss endlich etwas passieren“. Dazu hat er einen Gesprächskreis mit den Fachverwaltungen gegründet. Ebenso eine Runde, in der er sich mit Vertretern für Planung, Ausführung und Fremdvergabe bespricht. Für die Europaschule steht eine vage Perspektive in Aussicht, mehr möchte er noch nicht sagen. Giesen beschreibt die Vorgehensweise als konstruktiv und positiv. „Wir können ja nicht immer nur die Wunschliste an die Verwaltung mit Anträgen verlängern, das bringt ja nichts.“ Gespräche sind deshalb sein Lösungsvorschlag. Gelungen ist die Gesprächsrunde in Zusammenarbeit mit der Verwaltung bereits beim Interim für die Meldehalle, das in der Mannesmannstraße gefunden wurde. Vieles bleibt offen: Das Verkehrskonzept für die neuen Schulen auf dem Sürther Feld, der Beginn der Abrissarbeiten für das neue Bezirksrathaus, was er mit Sorge sieht. „Wie sollen die Betonmassen entsorgt werden?“, ist eine der vielen Fragen, die ihn beschäftigen und die sein Team an die Verwaltung richtet.
Nur eine Amtszeit
Vier Jahre ist Giesen jetzt noch im Amt. Eine Verlängerung sieht der Pensionär als unrealistisch. „Am Ende meiner Amtszeit bin ich 71, noch eine Periode, dann wäre ich 76 Jahre. Privat wünscht sich meine Frau, dass nach dieser Amtszeit Schluss ist“. Den Einzug ins neue Rathaus sieht Giesen deshalb für sich nicht, auch wenn er dies gerne aktiv begleiten würde. „Die neue Grundschule Gaedestraße in Marienburg ist dann aber fertig, die Parkstadt-Süd auf einem guten Weg, die Sporthalle am Fortuna Stadion vielleicht neu gebaut. Das wären Highlights.“ Im kleineren Rahmen arbeitet der Bezirksbürgermeister gerne unkonventionell. Für die Beschädigung eines Bücherschranks in Sürth oder die illegalen Baumfällarbeiten an der Bezirkssportanlage hat er privat eine Belohnung für einen Hinweis ausgesetzt. Leider erfolglos.
Ein Pittermännchen als Belohnung
Zukünftig möchte er auch noch mehr Bürger motivieren, ihre Schottervorgärten wieder zu begrünen. Dafür gab es schonmal ein Pittermännchen als Dankeschön. „Man muss nicht über Verbote, sondern über Motivation kommen“, lautet sein Credo. Was er an seiner Arbeit schätzt: Den Kontakt zu den Bürgern im Bezirk. Was er nicht mag: Einen unfreundlichen Umgang. In Marienburg ist er einmal bedroht worden, als illegal Bäume gefällt wurden. Eine Ausnahme, wie er beschwichtigt. Kritik musste sich Giesen anhören, weil er neben seinem Amt auf Bezirksebene auch das Mandat im Stadtrat annahm, in den er bei der Kommunalwahl gewählt wurde.
Für Grüne sind Doppelmandate ein heikles Thema. Eigentlich sind sie nicht erwünscht, was Giesen aber ignorierte. Nun gab er sein Ratsmandat ab, was wiederum FDP und CDU zu kritischen Kommentaren verleitete. Der Mandatsverzicht sei absehbar gewesen, so die FDP. „Wir haben es von Beginn an kommen sehen und auch kritisiert“, so Joachim Heinemeyer, Stadtbezirksvorsitzende der FDP. „Ich habe meine Arbeit als Bezirksbürgermeister nicht so ausführen können, wie ich es von mir erwarte“, sagt Giesen zum Rückzug aus dem Stadtrat. Er habe die Doppelbelastung überschätzt, dann etwa, wenn der Rat parallel zur BV tage oder ein Ausschuss sich dann trifft, wenn Fraktionsvorbesprechung im Bezirk sei. Eine Hetze zwischen Terminen habe die ständig zu Konflikten geführt.
FDP-Mann Heinemeyer kritisiert, dass den südlichen Stadtteilen nun eine direkte Interessenvertretung im Rat fehle. Auch das sieht Giesen anders. Er trete zwar von seinem Mandat zurück, behalte aber seine Sitze im Aufsichtsrat der HGK (Häfen und Güterverkehr Köln) und der Rheincargo, einem Jointventure der HGK. Aus gutem Grund, wie er sagt, um bei Themen wie dem Godorfer Hafen oder den geplanten Haltestellen für Michaelshoven und dem Stroer Campus in Sürth weiterhin eine Stimme zu haben. Außerdem hätten alle Bezirksbürgermeister im Stadtrat zu jederzeit Rederecht.