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„Seit vier Jahren herrscht absoluter Stillstand“Was der Schule Immendorf Meschenich wirklich fehlt

Lesezeit 3 Minuten
Ein Mann steht vor einem großen Schild, auf dem Schule IM Süden steht.

Stellvertretende Schulleiterin Martina Hülsmann und Schulleiter Ulrich Becker auf dem Pausenhof der Grundschule

Die „Schule IM Süden“ ist jetzt als Brennpunktschule eingestuft — die personelle Ausstattung ist hier jedoch nicht das Problem.

„Dass unsere Grundschule bei den neusten Erhebungen zum Sozialindex der letzten Stufe zugeordnet wird, das war zu erwarten. Jetzt ist es dokumentiert und ich hoffe, dass wir mit unseren Problemen endlich gesehen und erhört werden“, sagt der Schulleiter der „Schule IM Süden“ (Schule Immendorf Meschenich) Ulrich Becker. Er hatte vor 28 Jahren als junger Lehrer an der Schule angefangen, die direkt am Kölnberg liegt und jetzt offiziell als Brennpunktschule gilt.

Ein Mann steht vor einem Plakat mit dem Namen der Schule IM Süden.

Schulleiter Ulrich Becker

Seine Schule mit den Standorten Meschenich und Immendorf besuchen aktuell 435 Kinder, davon 82 mit besonderem Förderbedarf. Der Migrationsanteil in einigen Klassen liegt zwischen 95 und 100 Prozent. Die Kinder kommen aus der Türkei, aus Bulgarien, Rumänien, Serbien, Indien und Persien. Viele sprechen bei der Einschulung kein Deutsch. Die Kommunikation insbesondere mit den Eltern ist bei 28 Muttersprachen problematisch.

Schule ist personell gut ausgestattet - Räume fehlen

Mit 54 Lehrerinnen und Lehrern, Sonderpädagogen und zusätzlich 19 Integrationshelfern ist die Grundschule personell gut ausgestattet. Was fehlt, sind zusätzliche Räume, in denen die Kinder einzeln oder in Kleingruppen gefördert werden können.

Ein junger Mann sitzt an einem großen Tisch in einem Lehrerzimmer.

Referendar Johannes Raczinski arbeitet im Lehrerzimmer an seinem Laptop.

„2020 wurde von der Stadt Köln beschlossen, hier einige Gebäudeteile aus den 1960er-Jahren abzureißen und einen Erweiterungsbau zu erstellen. Seitdem hat sich nichts getan, seit vier Jahren herrscht absoluter Stillstand“, sagt Becker, der hofft, dass die Erweiterung noch vor seiner Pensionierung in wenigen Jahren erfolgt.

Viele der Kinder waren nie im Kindergarten

Neben dem Erweiterungsbau wünscht sich das Kollegium ein verpflichtendes Vorschuljahr für alle Kinder, damit die wichtigen Grundlagen für einen erfolgreichen Schulstart erworben werden. Viele Kinder waren nie im Kindergarten, kommen aus sehr bildungsfernen Familien, erhalten von zu Hause keine Unterstützung und müssen häufig die erste Klasse wiederholen. „Hier gibt es Eltern, die aus Unkenntnis große Vorbehalte gegenüber dem deutschen Schulsystem haben. Sie schicken die Kinder sehr unregelmäßig und oft unpünktlich zur Schule. Es ist nicht selten, dass Kinder statt um 8 erst um 9 Uhr zur Schule kommen“, berichtet die stellvertretende Schulleiterin Martina Hülsmann. Und bei Krankmeldungen fehlen häufig ärztliche Atteste.

Das Kollegium hofft, dass durch die Veröffentlichung des Sozialindex endlich einmal die Schulen in sozialen Brennpunkten in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Bisher sei die Grundschule in Meschenich und Immendorf bei der Ausstattung mit iPads und digitalen Tafeln immer erst als eine der letzten Schulen an der Reihe gewesen, so die stellvertretende Schulleiterin Hülsmann.

„Das ganze Kollegium leistet hier Basis-Arbeit. Als ich 1990 meine erste Stelle bekam, da war ich Lehrer — heute ist man auch Sozialarbeiter, Therapeut, Elternersatz“, so Schulleiter Becker. Der hohe Einsatz lohne sich, denn am Ende ihrer Grundschulzeit seien die Kinder gut ausgebildet und könnten an den weiterführenden Schulen mit Kindern aus anderen Kölner Grundschulen mithalten. Das, was die Kinder gelernt haben, das haben sie hier bei uns gelernt, da gab es keine Nachhilfe oder Förderung durch das Elternhaus.“

Campus Süd ist ein Traum

Und auch die vielen jungen Lehrkräfte haben einen Wunsch: „Ich wünsche mir, dass die Kölner und Kölnerinnen unsere tägliche Arbeit bewusster sehen und mehr wertschätzen. Alle Kinder, egal woher sie kommen, sind es wert, gefördert zu werden“, sagt der 25-jährige Johannes Raczinski, der in Meschenich aktuell sein Referendariat macht. Ulrich Becker wartet jetzt auf einen Anruf, der Wunschzettel ist geschrieben. „Unsere Traumvorstellung wäre ein großer Campus Süd mit einer Kita, einem Jugendzentrum und genügend Räumen für die Therapeutenarbeit, die Einzelförderung und die Lesepaten.“

Der Schulsozialindex NRW bewertet auf einer Skala von eins bis neun die sozialen Rahmenbedingungen, in denen sich eine Schule befindet. Die Eins steht für ein stabiles Umfeld, die Neun für einen sozialen Brennpunkt. Politisches Ziel ist, dass die Schulen in einem besonders herausforderndem Umfeld durch Bund und Land mit mehr Ressourcen ausgestattet werden. Eingeführt wurde die Klassifizierung 2021 unter der damaligen Bildungsministerien Yvonne Gebauer (FDP).